Mitten im Kampf der Weltmächte
Die Große Koalition ist sich immer noch unsicher, ob sie beim Aufbau des 5G-Netzes China wegen Spionagegefahr ausschließen soll. Aber was sagen Huawei und andere Unternehmen, die auf den neuen Mobilfunkstandard setzen?
Berlin/Augsburg Kein Königsweg ist in Sicht. Die Bundesregierung und die sie tragende Große Koalition stecken inder Zwickmühle. Beim Aufbau des neuen super schnellen Mobilfunk standards 5 G heißt es China oder die USA, Gewinne oder Sicherheit. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr schwarz-rotes Bündnis können die Sache nicht einfach aussitzen. Die Koalition muss sich entscheiden, doch sie weiß nicht wie. 5G wird gebraucht für die sich selbst steuernde Fabrik, selbstfahrende Autos oder die ganztägige Überwachung von Patienten mit gefährlichen Krankheiten per Handy. Der Aufbau hat schon begonnen und muss in den nächsten Jahren vorangetrieben werden.
Doch die nötige Netzwerktechnik gibt es nicht frei Haus. Weltweit gibt es nur sechs Anbieter, die die Komponenten liefern – zwei davon kommen aus China. Die Unternehmen heißen ZTE und Huawei. Um Letzteres dreht sich der Streit, obwohl ZTE gleichzeitig gemeint ist. Die USA als Schutzmacht der Europäer drängen ihre Verbündeten dazu, Huawei-Technik bei 5G mit einem Bann zu belegen. Das Argument Washingtons lautet: Huawei werde verborgene Hintertüren in die Technik einbauen und so die Europäer in großem Maßstab aushorchen. Dass die USA mittels ihrer Geheimdienste die gesamte Kommunikation weltweit belauschen, wie Edward Snowden enthüllte, halten sie dennoch weiter für ihr Recht.
Zuletzt versorgte die Trump-Regierung das Wall Street Journal mit angeblich harten Beweisen, dass die Chinesen über versteckte Türen in Huawei-Technik spionieren. In Berlin ist das Echo auf die US-Vorwürfe aber gespalten. Im CDU-geführten Kanzleramt werden sie als wenig überzeugend bewertet. Im SPD-geführten Auswärtigen Amt dienen sie hingegen als Bestätigung der eigenen Position. Die Regierung ist also uneins, genau wie die Fraktionen von Union und SPD.
Die Genossen, obwohl traditionell auf Distanz zu Amerika, wollen dem Konzern aus Fernost die Tür zuschlagen. Die Fraktion hat ein Positionspapier beschlossen, in dem das Unternehmen zwar nicht explizit benannt ist, aber eindeutig ersichtlich ist, dass es um Huawei geht. „Uns geht es um die Sicherheit für die kritische Infrastruktur und die europäische Souveränität bei einer neuen Technologie“, erklärte der Außenpolitiker Nils Schmid im Gespräch mit unserer Redaktion.
Die SPD will deshalb einen doppelten Schutzwall hochziehen: Er soll erstens aus einer intensiven Prüfung von Bauteilen und Software durch die deutschen Behörden bestehen und zweitens au seiner politischen V er trauens würdigkeits prüfung. Netzwerk ausrüster, die in ihrer Heimat Daten an staatliche Stellen weiterreichen müssen, sollen außen vor bleiben. In China gibt es diesen Zwang.
CDU und CSU haben sich nach langem Ringen auf eine Position verständigt. Die Kanzlerin will Huawei nicht einfach per Gesetz ausschließen, um China nicht zu verärgern. Sie fürchtet Vergeltungsmaßnahmen der Kommunistischen Partei. Merkel weiß die Wirtschaft bei sich, die ebenfalls Restriktionen fürchtet. Der chinesische Markt ist für viele Industrieunternehmen der wichtigste. Eine Prüfung der Vertrauenswürdigkeit soll es deshalb nicht geben. Die Kanzlerin hält die intensive Untersuchung von Bauteilen für ausreichend, um mögliche trojanische Pferde Chinas zu erkennen. Besteht Huawei die Tests, darf die Firma liefern. Der Großteil der Unionsfraktion hält das für den besten Ausweg aus dem Dilemma. „Wir brauchen eine Lösung mit Augenmaß. Gegenüber ausländischen Herstellern – gerade aus China – dürfen wir nicht naiv sein“, sagte der zuständige Fraktionsvize Ulrich Lange (CSU) unserer Redaktion.
Die Sache ist auch deshalb so kompliziert, weil Huawei schon überall in Deutschland ist. Das neue 5G-Netz setzt auf dem 4G-Netz auf. Quer über die gesamte Republik verteilt stehen rund 80000 Funkantennen. Sie gehören den Mobilfunkanbietern wie Telekom, Vodafone oder Telefonica („O2“). Teilweise haben die Unternehmen in jeder zweiten Antenne Bestandteile von Huawei verbaut. „Wir befinden uns technisch aber auch nicht auf der grünen Wiese“, erklärte Lange. Sollte das chinesische Unternehmen gesperrt werden, befürchtet er Verzögerungen des Ausbaus. Als Alternative stehen die beiden europäischen Ausrüster Nokia und Ericsson, der südkoreanische Konzern Samsung und Cisco aus den USA zur Verfügung.
Dass die beiden Regierungsfraktionen schnell zu einem Kompromiss kommen, sehen weder Lange noch Schmid. Die Abgeordneten warten jetzt auf Gesetzentwürfe aus dem Wirtschafts- und dem Innenministerium. Geändert werden müssen das Telekommunikationsgesetz und das Gesetz über das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), das die Technik kontrollieren soll. Die beiden entsprechenden Ministerien sind in Hand der Union. Die SPD fordert mehr Wachsamkeit. Was aber sagt das umstrittene Unternehmen selbst?
Der chinesische Technikkonzern Huawei weist den Spionageverdacht aus den USA zurück. Zum einen, sagt Huawei-Sprecher Patrick Berger, sei es „technisch nicht möglich“, Daten an Netzbetreibern wie der Telekom oder Vodafone vorbei abzugreifen. „Huawei selbst ist nicht der Betreiber des Netzes, das wird häufig verwechselt“, sagt Berger. Die Firma liefere lediglich technische Komponenten, zum Beispiel für die Mobilfunkantennen. Auch den Vorwurf, das chinesische Unternehmen könne eine Schnittstelle, über die deutsche Sicherheitsbehörden im Verdachtsfall legal Zugriff auf Kommunikationsdaten erhalten, nutzen, um selbst Informationen abzugreifen, weist Berger zurück: „Huawei liefert die Schnittstelle für rechtmäßiges Abhören nicht“, betont er. Tatsächlich stammt die Technik Berichten zufolge von einem deutschen Unternehmen. „Außerdem sichern die Netzanbieter ihre Netze mit einer Firewall gegen Angriffe. Ein Zugriff auf das Netz am Betreiber vorbei ist für die Ausrüster daher nicht möglich“, sagt der Huawei-Sprecher.
Das Unternehmen betont auch, dass es kein Gesetz in China gebe, das Huawei zur Spionage im Ausland zwinge: „Wir sind ein privates chinesisches Unternehmen und unterliegen keinen chinesischen Bestimmungen, die uns verpflichten würden, im Ausland Daten abzugreifen und deutsche Gesetze zu brechen“, sagt Berger.
Huawei sieht sich stattdessen als etablierter Anbieter: „Unsere Technik wird in Deutschland seit über 15 Jahren genutzt und ist im aktuellen 4G-Netz verbaut“, sagt auch Berger. „Wir sind in 170 Ländern vertreten, weltweit telefonieren drei Milliarden Menschen mit unserer Technik“, fügt er an. International habe Huawei bereits rund 600000 Antennen mit dem neuen 5G-Standard ausgestattet.
Vergangenes Jahr stand in der Diskussion, ob Huawei ein No-SpyAbkommen unterschreiben könnte, also einen Vertrag, in dem das Unternehmen zusichert, keine Daten abzuzweigen. Wie sieht hier die Lage aus? „Wir sind weiter zu einem No-Spy-Abkommen bereit, es wird aber wohl keine exklusive Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und uns geben“, sagt Berger. „Wir sind aber gerne bereit, eine Vertrauenswürdigkeitserklärung zu unterschreiben.“Gäbe die Bundesregierung grünes Licht, könne man hierzulande schnell loslegen: „Wir können jederzeit liefern“, heißt es bei Huawei.
Und wie positionieren sich die regionalen Unternehmen? „Für uns ist wichtig, dass 5G kommt, dass die Geschäftsbeziehungen zu China nicht leiden und dass die Sicherheit der Daten gewährleistet ist“, sagt Sprecher Jan Hoppe vom Großmotorenhersteller MAN Energy Solutions. Fragt man bei Audi an, das sich von 5G viel verspricht, ob die deutsche Bundesregierung auf Huawei setzen soll, heißt es: „Im Rahmen der Technologiekommunikation äußern wir uns nicht zu wirtschaftspolitischen Diskussionen. Wir legen großen Wert auf ein breit aufgestelltes Lieferantennetzwerk und arbeiten mit den Marktführern in den jeweiligen Regionen und Technologien zusammen. Insbesondere beim Einsatz von Hardware in unseren Fertigungen ist uns gerade bei kritischer Infrastruktur eine Prüfung und Freigabe durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) wichtig. Dies gilt für WLAN-Basisstationen, aber eben auch bei 5G-Basisstationen.“
Huawei ist – wie übrigens Ericsson auch – schon seit 2018 einer der Technologiepartner von Audi. Gemeinsam forscht man zum
Beispiel beim automatisierten Fahren an der Vernetzung von Autos mit der städtischen Infrastruktur wie Ampeln. Eine Sprecherin betont auf Anfrage: „Datenschutz hat höchste Priorität für uns und spielt auch in der Zusammenarbeit eine wesentliche Rolle.“Die Datenübertragung aus den Fahrzeugen erfolge immer über ein eigenes Backend. Die dafür notwendigen technischen Komponenten würden hinsichtlich ihrer Sicherheit geprüft und freigegeben. Audi verwende „aktuelle technische und organisatorische Schutzmaßnahmen“und setze heute „gezielt anerkannte und geprüfte Mechanismen und Standards aus der Embedded Security ein, um Daten insbesondere gegen unberechtigten Zugriff, Verarbeitung oder Weitergabe, Verlust, Veränderung oder Zerstörung zu schützen.“
Auch Clemens Fuest, Präsident des Ifo-Instituts, äußerte sich diese Woche beim 46. Augsburger Konjunktur-Gespräch zum Thema Huawei. Er betonte, wie wichtig und sensibel Kommunikationsinfrastruktur in einer Volkswirtschaft sei. Wenn fremde Mächte, die einem nicht unbedingt wohl gesonnen seien – das müsse nicht China sein –, diese Infrastruktur unter Kontrolle brächten, dann sei das „sehr gefährlich“. Er würde sich wünschen, dass in Europa mehr in Cybersicherheitsbehörden investiert würde, die „kapieren, wie so eine Infrastruktur funktioniert“. Fuest erklärte weiter, man solle niemand, auch kein chinesisches Unternehmen, verurteilen, bevor es etwas verbrochen habe, aber: „Infrastruktur ist extrem sensibel. Und wir haben ein riesiges Sicherheitsproblem. Deshalb wäre auch ich vorsichtig.“Es brauche zunächst die Garantie, dass der staatliche Regulierer oder das Unternehmen, dem man vertraut, „diese Sache im Griff haben“.
Im Zweifel, so Ifo-Chef Fuest weiter, würde er bei Huawei sagen, „Vorsicht“.
Ifo-Chef Clemens Fuest rät im Zweifel zur Vorsicht