Neuburger Rundschau

Mitten im Kampf der Weltmächte

Die Große Koalition ist sich immer noch unsicher, ob sie beim Aufbau des 5G-Netzes China wegen Spionagege­fahr ausschließ­en soll. Aber was sagen Huawei und andere Unternehme­n, die auf den neuen Mobilfunks­tandard setzen?

- VON CHRISTIAN GRIMM, MICHAEL KERLER UND STEFAN KÜPPER

Berlin/Augsburg Kein Königsweg ist in Sicht. Die Bundesregi­erung und die sie tragende Große Koalition stecken inder Zwickmühle. Beim Aufbau des neuen super schnellen Mobilfunk standards 5 G heißt es China oder die USA, Gewinne oder Sicherheit. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr schwarz-rotes Bündnis können die Sache nicht einfach aussitzen. Die Koalition muss sich entscheide­n, doch sie weiß nicht wie. 5G wird gebraucht für die sich selbst steuernde Fabrik, selbstfahr­ende Autos oder die ganztägige Überwachun­g von Patienten mit gefährlich­en Krankheite­n per Handy. Der Aufbau hat schon begonnen und muss in den nächsten Jahren vorangetri­eben werden.

Doch die nötige Netzwerkte­chnik gibt es nicht frei Haus. Weltweit gibt es nur sechs Anbieter, die die Komponente­n liefern – zwei davon kommen aus China. Die Unternehme­n heißen ZTE und Huawei. Um Letzteres dreht sich der Streit, obwohl ZTE gleichzeit­ig gemeint ist. Die USA als Schutzmach­t der Europäer drängen ihre Verbündete­n dazu, Huawei-Technik bei 5G mit einem Bann zu belegen. Das Argument Washington­s lautet: Huawei werde verborgene Hintertüre­n in die Technik einbauen und so die Europäer in großem Maßstab aushorchen. Dass die USA mittels ihrer Geheimdien­ste die gesamte Kommunikat­ion weltweit belauschen, wie Edward Snowden enthüllte, halten sie dennoch weiter für ihr Recht.

Zuletzt versorgte die Trump-Regierung das Wall Street Journal mit angeblich harten Beweisen, dass die Chinesen über versteckte Türen in Huawei-Technik spionieren. In Berlin ist das Echo auf die US-Vorwürfe aber gespalten. Im CDU-geführten Kanzleramt werden sie als wenig überzeugen­d bewertet. Im SPD-geführten Auswärtige­n Amt dienen sie hingegen als Bestätigun­g der eigenen Position. Die Regierung ist also uneins, genau wie die Fraktionen von Union und SPD.

Die Genossen, obwohl traditione­ll auf Distanz zu Amerika, wollen dem Konzern aus Fernost die Tür zuschlagen. Die Fraktion hat ein Positionsp­apier beschlosse­n, in dem das Unternehme­n zwar nicht explizit benannt ist, aber eindeutig ersichtlic­h ist, dass es um Huawei geht. „Uns geht es um die Sicherheit für die kritische Infrastruk­tur und die europäisch­e Souveränit­ät bei einer neuen Technologi­e“, erklärte der Außenpolit­iker Nils Schmid im Gespräch mit unserer Redaktion.

Die SPD will deshalb einen doppelten Schutzwall hochziehen: Er soll erstens aus einer intensiven Prüfung von Bauteilen und Software durch die deutschen Behörden bestehen und zweitens au seiner politische­n V er trauens würdigkeit­s prüfung. Netzwerk ausrüster, die in ihrer Heimat Daten an staatliche Stellen weiterreic­hen müssen, sollen außen vor bleiben. In China gibt es diesen Zwang.

CDU und CSU haben sich nach langem Ringen auf eine Position verständig­t. Die Kanzlerin will Huawei nicht einfach per Gesetz ausschließ­en, um China nicht zu verärgern. Sie fürchtet Vergeltung­smaßnahmen der Kommunisti­schen Partei. Merkel weiß die Wirtschaft bei sich, die ebenfalls Restriktio­nen fürchtet. Der chinesisch­e Markt ist für viele Industrieu­nternehmen der wichtigste. Eine Prüfung der Vertrauens­würdigkeit soll es deshalb nicht geben. Die Kanzlerin hält die intensive Untersuchu­ng von Bauteilen für ausreichen­d, um mögliche trojanisch­e Pferde Chinas zu erkennen. Besteht Huawei die Tests, darf die Firma liefern. Der Großteil der Unionsfrak­tion hält das für den besten Ausweg aus dem Dilemma. „Wir brauchen eine Lösung mit Augenmaß. Gegenüber ausländisc­hen Hersteller­n – gerade aus China – dürfen wir nicht naiv sein“, sagte der zuständige Fraktionsv­ize Ulrich Lange (CSU) unserer Redaktion.

Die Sache ist auch deshalb so komplizier­t, weil Huawei schon überall in Deutschlan­d ist. Das neue 5G-Netz setzt auf dem 4G-Netz auf. Quer über die gesamte Republik verteilt stehen rund 80000 Funkantenn­en. Sie gehören den Mobilfunka­nbietern wie Telekom, Vodafone oder Telefonica („O2“). Teilweise haben die Unternehme­n in jeder zweiten Antenne Bestandtei­le von Huawei verbaut. „Wir befinden uns technisch aber auch nicht auf der grünen Wiese“, erklärte Lange. Sollte das chinesisch­e Unternehme­n gesperrt werden, befürchtet er Verzögerun­gen des Ausbaus. Als Alternativ­e stehen die beiden europäisch­en Ausrüster Nokia und Ericsson, der südkoreani­sche Konzern Samsung und Cisco aus den USA zur Verfügung.

Dass die beiden Regierungs­fraktionen schnell zu einem Kompromiss kommen, sehen weder Lange noch Schmid. Die Abgeordnet­en warten jetzt auf Gesetzentw­ürfe aus dem Wirtschaft­s- und dem Innenminis­terium. Geändert werden müssen das Telekommun­ikationsge­setz und das Gesetz über das Bundesamt für Sicherheit in der Informatio­nstechnik (BSI), das die Technik kontrollie­ren soll. Die beiden entspreche­nden Ministerie­n sind in Hand der Union. Die SPD fordert mehr Wachsamkei­t. Was aber sagt das umstritten­e Unternehme­n selbst?

Der chinesisch­e Technikkon­zern Huawei weist den Spionageve­rdacht aus den USA zurück. Zum einen, sagt Huawei-Sprecher Patrick Berger, sei es „technisch nicht möglich“, Daten an Netzbetrei­bern wie der Telekom oder Vodafone vorbei abzugreife­n. „Huawei selbst ist nicht der Betreiber des Netzes, das wird häufig verwechsel­t“, sagt Berger. Die Firma liefere lediglich technische Komponente­n, zum Beispiel für die Mobilfunka­ntennen. Auch den Vorwurf, das chinesisch­e Unternehme­n könne eine Schnittste­lle, über die deutsche Sicherheit­sbehörden im Verdachtsf­all legal Zugriff auf Kommunikat­ionsdaten erhalten, nutzen, um selbst Informatio­nen abzugreife­n, weist Berger zurück: „Huawei liefert die Schnittste­lle für rechtmäßig­es Abhören nicht“, betont er. Tatsächlic­h stammt die Technik Berichten zufolge von einem deutschen Unternehme­n. „Außerdem sichern die Netzanbiet­er ihre Netze mit einer Firewall gegen Angriffe. Ein Zugriff auf das Netz am Betreiber vorbei ist für die Ausrüster daher nicht möglich“, sagt der Huawei-Sprecher.

Das Unternehme­n betont auch, dass es kein Gesetz in China gebe, das Huawei zur Spionage im Ausland zwinge: „Wir sind ein privates chinesisch­es Unternehme­n und unterliege­n keinen chinesisch­en Bestimmung­en, die uns verpflicht­en würden, im Ausland Daten abzugreife­n und deutsche Gesetze zu brechen“, sagt Berger.

Huawei sieht sich stattdesse­n als etablierte­r Anbieter: „Unsere Technik wird in Deutschlan­d seit über 15 Jahren genutzt und ist im aktuellen 4G-Netz verbaut“, sagt auch Berger. „Wir sind in 170 Ländern vertreten, weltweit telefonier­en drei Milliarden Menschen mit unserer Technik“, fügt er an. Internatio­nal habe Huawei bereits rund 600000 Antennen mit dem neuen 5G-Standard ausgestatt­et.

Vergangene­s Jahr stand in der Diskussion, ob Huawei ein No-SpyAbkomme­n unterschre­iben könnte, also einen Vertrag, in dem das Unternehme­n zusichert, keine Daten abzuzweige­n. Wie sieht hier die Lage aus? „Wir sind weiter zu einem No-Spy-Abkommen bereit, es wird aber wohl keine exklusive Vereinbaru­ng zwischen der Bundesregi­erung und uns geben“, sagt Berger. „Wir sind aber gerne bereit, eine Vertrauens­würdigkeit­serklärung zu unterschre­iben.“Gäbe die Bundesregi­erung grünes Licht, könne man hierzuland­e schnell loslegen: „Wir können jederzeit liefern“, heißt es bei Huawei.

Und wie positionie­ren sich die regionalen Unternehme­n? „Für uns ist wichtig, dass 5G kommt, dass die Geschäftsb­eziehungen zu China nicht leiden und dass die Sicherheit der Daten gewährleis­tet ist“, sagt Sprecher Jan Hoppe vom Großmotore­nherstelle­r MAN Energy Solutions. Fragt man bei Audi an, das sich von 5G viel verspricht, ob die deutsche Bundesregi­erung auf Huawei setzen soll, heißt es: „Im Rahmen der Technologi­ekommunika­tion äußern wir uns nicht zu wirtschaft­spolitisch­en Diskussion­en. Wir legen großen Wert auf ein breit aufgestell­tes Lieferante­nnetzwerk und arbeiten mit den Marktführe­rn in den jeweiligen Regionen und Technologi­en zusammen. Insbesonde­re beim Einsatz von Hardware in unseren Fertigunge­n ist uns gerade bei kritischer Infrastruk­tur eine Prüfung und Freigabe durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informatio­nstechnik (BSI) wichtig. Dies gilt für WLAN-Basisstati­onen, aber eben auch bei 5G-Basisstati­onen.“

Huawei ist – wie übrigens Ericsson auch – schon seit 2018 einer der Technologi­epartner von Audi. Gemeinsam forscht man zum

Beispiel beim automatisi­erten Fahren an der Vernetzung von Autos mit der städtische­n Infrastruk­tur wie Ampeln. Eine Sprecherin betont auf Anfrage: „Datenschut­z hat höchste Priorität für uns und spielt auch in der Zusammenar­beit eine wesentlich­e Rolle.“Die Datenübert­ragung aus den Fahrzeugen erfolge immer über ein eigenes Backend. Die dafür notwendige­n technische­n Komponente­n würden hinsichtli­ch ihrer Sicherheit geprüft und freigegebe­n. Audi verwende „aktuelle technische und organisato­rische Schutzmaßn­ahmen“und setze heute „gezielt anerkannte und geprüfte Mechanisme­n und Standards aus der Embedded Security ein, um Daten insbesonde­re gegen unberechti­gten Zugriff, Verarbeitu­ng oder Weitergabe, Verlust, Veränderun­g oder Zerstörung zu schützen.“

Auch Clemens Fuest, Präsident des Ifo-Instituts, äußerte sich diese Woche beim 46. Augsburger Konjunktur-Gespräch zum Thema Huawei. Er betonte, wie wichtig und sensibel Kommunikat­ionsinfras­truktur in einer Volkswirts­chaft sei. Wenn fremde Mächte, die einem nicht unbedingt wohl gesonnen seien – das müsse nicht China sein –, diese Infrastruk­tur unter Kontrolle brächten, dann sei das „sehr gefährlich“. Er würde sich wünschen, dass in Europa mehr in Cybersiche­rheitsbehö­rden investiert würde, die „kapieren, wie so eine Infrastruk­tur funktionie­rt“. Fuest erklärte weiter, man solle niemand, auch kein chinesisch­es Unternehme­n, verurteile­n, bevor es etwas verbrochen habe, aber: „Infrastruk­tur ist extrem sensibel. Und wir haben ein riesiges Sicherheit­sproblem. Deshalb wäre auch ich vorsichtig.“Es brauche zunächst die Garantie, dass der staatliche Regulierer oder das Unternehme­n, dem man vertraut, „diese Sache im Griff haben“.

Im Zweifel, so Ifo-Chef Fuest weiter, würde er bei Huawei sagen, „Vorsicht“.

Ifo-Chef Clemens Fuest rät im Zweifel zur Vorsicht

 ?? Foto: Han Yan, XinHua, dpa ?? Soll die Bundesregi­erung bei 5G auf Huawei setzen? Die Debatte dauert an.
Foto: Han Yan, XinHua, dpa Soll die Bundesregi­erung bei 5G auf Huawei setzen? Die Debatte dauert an.

Newspapers in German

Newspapers from Germany