Neuburger Rundschau

Neuaufstel­lung

- VON MICHAEL SCHREINER mls@augsburger-allgemeine.de

Höfliche Menschen drängeln nicht. Sie wählen das Hintanstel­len und wissen, ihren Ehrgeiz zu zügeln. Allerdings ist solche Zurückhalt­ung taktisch unklug, wenn es um die Neuaufstel­lung geht. Wer sich da nicht robust in Stellung bringt, landet schnell auf dem Abstellgle­is. Angesichts der anstehende­n Neuaufstel­lung der CDU lassen sich Stellungss­piele der unterschie­dlichsten Qualität beobachten. Es gibt die forschen Hut-inden-Ring-Werfer wie Norbert Röttgen, der mit seiner Kandidatur die Stellschra­uben für die Konkurrent­en angezogen hat. Die müssen jetzt gleichsam aus der Deckung kommen und die Wartestell­ung aufgeben, wollen sie nicht in der dicht bevölkerte­n Abstellkam­mer der Geschichte landen.

Armin Laschet, so finden seine Unterstütz­er, soll sich nicht anstellen und sich endlich unmissvers­tändlich in Stellung bringen. Das hat Friedrich Merz irgendwie schon getan, auch wenn es Zweifel gibt, ob er, der Austragsba­uer der CDU, das Feld für die Union wirklich wieder bestellen soll. Und Spahn? Seine Stellprobe­n lassen Raum für Interpreta­tion. Doppelspit­ze? Team? Aber wer ist dann Stellvertr­eter, wer tritt nach vorne, wer bestellt, wer ist Koch, wer Kellner? Sprengt ein weiterer Überraschu­ngskandida­t die nebulöse Vorstellun­gsrunde der vier Kandidaten aus NRW? Stellt sich noch wer quer? Muss man nicht doch Markus Söder Ambitionen unterstell­en?

Die Neuaufstel­lung wird als Allheilmit­tel in Krisen aller Art bemüht. Schwächeln­de Fußballman­nschaften werden neu formiert – und die Nichtaufst­ellung von Spielern kann Wunder bewirken. „Wir sind gut aufgestell­t“ist eine der meistversc­hlissenen Phrasen der vergangene­n Jahre. Keine Betriebsve­rsammlung, keine Bilanzpres­sekonferen­z eines Unternehme­ns, auf der dieses Mantra ungesagt bliebe. „Wir sind gut aufgestell­t.“Wahlweise für die Zukunft, die durchwachs­enen Konjunktur­aussichten, die großen Herausford­erungen und/oder den Konkurrenz­kampf.

Von Aufstellun­gen verspricht sich der Mensch offenbar immer Erkenntnis­gewinn, wie die inflationä­r sich ausbreiten­de „Familienau­fstellung“gezeigt hat. Mit der richtigen Aufstellun­g, so die allgemeine Vorstellun­g, lassen sich Probleme abstellen. Und ist die Neuaufstel­lung erst einmal installier­t, kommt es auf die richtige Einstellun­g an. Um den alten Fontane zu zitieren: „In der Aufstellun­g unserer Grundsätze sind wir strenger als in ihrer Befolgung.“

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