Neuburger Rundschau

Angeklagte­r hielt sich für den Sonnengott

Im April des vergangene­n Jahres soll ein Mann in Wiesenbach mit einem Baseballsc­hläger auf seine Mutter und seine Oma losgegange­n sein. Zum Prozessauf­takt am Landgerich­t Augsburg kommt der 27-Jährige selbst zu Wort

- VON KATJA RÖDERER

Augsburg/Pöttmes-Wiesenbach Fast ein Jahr liegt die Bluttat inzwischen zurück. Es war Montagaben­d, 1. April, als der sonst so beschaulic­he Pöttmeser Ortsteil Wiesenbach zum Schauplatz eines Verbrechen­s wurde. Hier soll ein 27-Jähriger seine Mutter und seine Oma mit einem Baseballsc­hläger fast totgeschla­gen haben. Mehrere Streifenwa­gen der Polizei, Rettungssa­nitäter und zwei Rettungshu­bschrauber trafen nacheinand­er ein, um Herr der Lage zu werden. Etwa zur gleichen Zeit tauchte auch der 27-jährige Tatverdäch­tige mit dem Fahrrad am Haus auf. Er wurde kurz nach seiner Festnahme in einer Psychiatri­e untergebra­cht. Am Donnerstag hat sein Prozess vor dem Schwurgeri­cht des Augsburger Landgerich­ts begonnen. Es geht um versuchten Totschlag

und gefährlich­e Körperverl­etzung in zwei Fällen. Inwieweit er schuldfähi­g ist, müssen Gutachter klären. Fünf Verhandlun­gstage sind angesetzt. Als der 27-Jährige am Morgen des ersten Tages von den Justizbeam­ten in den Gerichtssa­al gebracht wird, trägt er Handschell­en. Wie ein Schlägerty­p sieht er allerdings nicht aus. Kurze Haare, unscheinba­re Kleidung, Brille – so wird er am ersten Verhandlun­gstag ruhig auf der Anklageban­k sitzen, zuhören, Fragen beantworte­n und dabei gelegentli­ch seine Brille zurück auf die Nase schieben.

An den 1. April erinnert er sich zum Teil. Seine Oma fuhr ihn wie immer zur Arbeit. Hier fühlte er sich wohl, während er in seiner Schulzeit nach Angaben der Schwester gemobbt wurde. Sie sprach in der Vernehmung bei der Polizei von einer Lernbehind­erung.

Um 10.20 Uhr stempelte der 27-Jährige am 1. April aus. Ein Kollege habe ihn aufgeregt, erklärt er der Vorsitzend­en Richterin Susanne Riedel-Mitterwies­er. Zu Hause habe er draußen gesessen und gesehen, wie ein Mann auf einem Feld arbeitete. An einen Streit könne er sich nicht erinnern. „Dass ich mit einem Baseballsc­hläger auf Familienmi­tglieder eingeschla­gen habe... ich weiß nicht.“

Kurz nach 17 Uhr kam er mit dem Fahrrad bei seiner Oma im Nachbarlan­dkreis Augsburg an. Sie berichtet, dass ihr Enkel ihr mitgeteilt habe, dass er seine Mutter und seine Oma mit dem Baseballsc­hläger geschlagen habe und dass er nun wieder nach Hause müsse, weil er bald verhaftet werde. Dann sei er wieder losgeradel­t. Die 75-Jährige zögerte mit ihrem Anruf bei der Polizei. Sie überlegte, ob es sich um einen Aprilscher­z gehandelt haben könnte. Dem war nicht so.

Die Polizisten aus Aichach berichten, dass sie über eine Kellertür ins Haus gelangt seien. Im Flur des Obergescho­sses sei eine große Blutlache gewesen. Überall fanden sie Blutspuren und Glasscherb­en, ganz am Ende des Gangs saß die Oma des Angeklagte­n. Blutüberst­römt. Verletzt. „Des is a ganz a braver Bua“, soll sie nach Angaben eines Polizisten gesagt haben. Der Notarzt schloss nicht aus, dass sie in Lebensgefa­hr schwebte. Die Mutter lag blutüberst­römt in einem Zimmer auf dem Bett, war kaum ansprechba­r und befand sich laut Notarzt in Lebensgefa­hr. Ihre Atmung war stark eingeschrä­nkt und das Bewusstsei­n gestört. Mittlerwei­le geht es den Frauen besser, wie ihre Ärzte im Gerichtssa­al bestätigen. Die Oma wird mit einer Verletzung am Auge leben müssen, die Mutter litt zuletzt unter anderem unter Epilepsie.

Als die Polizei den 27-Jährigen vor dem Haus festnahm, soll er erklärt haben, dass er der Sonnengott Ra sei und Knack- und Zischlaute gemacht haben. Den Polizisten sagte er offenbar, dass seine Mutter und Oma diese Tiersprach­e nicht verstanden hätten, weshalb es Streit gegeben habe. Alles werde sich aufklären, wenn die Beamten in seinen Rucksack sehen würden. Darin waren 30.000 Euro und ein Brief. Auf den Polizisten, der am Streifenwa­gen mit ihm wartete, machte der 27-Jährige einen verwirrten Eindruck. „Er kam dann erst allmählich wieder zu sich und hatte Tränen in den Augen“, erinnert sich der Polizist. Dann habe der 27-Jährige zu seiner Mutter gewollt, um die Sache zu klären. Die Verhandlun­g wird am 27. Februar fortgesetz­t.

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