Kamelle, Kamelle
Wer das Glück gehabt hat, im immerschönen Rheinland groß zu werden, konnte es am Rosenmontag als „kleene Fetz“(kölsch für Kind) folgendermaßen halten: Sich an den Straßenrand stellen, wenn „de Zoch kütt“, eine große Tüte über den Kopf halten und warten. Ein kleines Wunder folgte dann auf das nächste. Denn es regnete Bonbons. Und zwar wieder und wieder. Verstärken konnte man den Süßstoff-Hagel durch lautstarke „Kamelle, Kamelle“-Rufe. Ein originelles Kostüm schadete auch nicht zur Maximierung des Tüteninhalts. Eigenmarketing in Sachen Zuckerschock quasi. Es flogen dann auch mal Schokoladentafeln oder Pralinenschachteln. Je weiter oben auf dem Wagen jemand die Arme ausbreitete, desto mehr landete – am Ende – im kugelrunden Kinderbauch. Das Beste im „Wurfmaterial“waren Böhme Fruchtkaramellen, das mit Abstand Fieseste die bunten Schaumzucker-Kokosbälle. Wurde trotzdem vernichtet. Dazwischen ein Chips-Sediment untergebracht, dann die Mageninnenwände mit Popcorn ausstaffiert. Für den letzten Schliff und zum Magenverschließen schließlich einen giftgrünen Lutscher. Danach war einem schlecht. Zumindest eine Weile. Dann kam der Veilchendienstag und im nächsten „Veedel“geht ja auch noch ein „Zoch“.
Ein paar Jahre später wurden die Kamelle durch Kölsch substituiert, die Chipstüten durch Flachmänner (Saurer Apfel!). Süßigkeiten wurden unwichtiger. Was man von der blonden Nachbarstochter von gegenüber allerdings nicht behaupten konnte.
Ein paar Jahrzehnte später sind Kamelle-Tüten und Kölsch-Fässer verräumt, die Nachbarstöchter fast vergessen. Allerdings, trotz der Ferne, bleibt zur Karnevalszeit dieses feine Kribbeln, wenn „dat Trömmelsche jeht“… Der nächste Aschermittwoch kommt zwar bestimmt. Aber im Karneval versteht man, dass zum wahren Leben das Verdrängen gehört. Besonders an einem Rosenmontagmorgen. Wenn es wieder losgeht. Darauf ein dreifach donnerndes Kölle Alaaf!