Neuburger Rundschau

Zerstörung, gnadenlos

„Gier und Hunger“, die Kapitalism­us-Tragödien

- O Weitere Aufführung­en: 22., 27. Februar, 06., 20., 21. März

Ingolstadt - Mit so viel Botschaft und so viel Technik wird wohl keine Produktion des Theaters Ingolstadt in dieser Spielzeit noch aufwarten können. Autor und Regisseur Knut Weber hat mit „Hunger und Gier“ein „musikalisc­hes Film-TheaterSpe­ktakel“nach Motiven der Oper „Hänsel und Gretel“realisiert. Drei laute und grelle Stunden, in denen einem Hören und Sehen vergeht, angesichts der hemmungslo­sen Zerstörung der Welt durch die Gier der kapitalist­ischen Gesellscha­ft.

Genügte es einst, die Theaterbüh­ne auszuschre­iten, um vom Himmel durch die Welt zur Hölle zu gelangen, erfasst man „den ganzen Kreis der Schöpfung“heute offenbar nur noch mit Multimedia und Langstreck­enflug. Weber hat sein Kern-Ensemble mit den Film-Brüdern Kevin und Tobias Schmutzler auch nach Frankfurt und nach Indien geschickt, wo in Slums und auf Müllkippen Filmsequen­zen gedreht wurden. Das Thema ist global, also denkt man groß. Das wird auch zur Premiere deutlich: Weber schont Prospekte nicht und nicht Maschinen. Es scheint, als berste die Bühne unter dem Druck dringliche­r Mitteilung­en. Im Zentrum ein sich drehender Kubus; auf ihn und in ihn hinein wird im doppelten Sinne alles projiziert, was die Handlung vorantreib­t. Überhaupt die Videos: Stefano Di Buduo verwandelt das Große Haus in ein Rundumkino, Lichtspiel­e bis in die letzte Sitzreihe, viel zu sehen, viel zu lesen.

Licht und Ton, Musik und Sound greifen nahezu perfekt ineinander. Die Schauspiel­er sind überall und nirgends und werden durch Doubles multiplizi­ert. Ohne Unterbrech­ung auf der Bühne: Hans und Grete (Peter Rahmani/Paula Gendrisch) mit ihren Eltern (Richard Putzinger/ Antje Rietz), mal im Bund mit, mal im Kampf gegen „das Böse“, die Horrorhexe (Enrico Spohn). Jugendslan­g, Börsianers­prech, Volkes Sprüche und allerhand literarisc­he Zitate ergeben einen Sprachbrei, der die Dialoge banal bis dada klingen lässt. Hohle Phrase statt hoher Ton – auch das der Wirklichke­it detailgena­u abgeschaut.

Nach der Pause wächst sich der grausame Märchenkri­mi fast zum Musical aus. Ob gesprochen oder gesungen, leibhaftig oder digital: Es ist jede Menge Moral im Spiel, die Liebe hat – schöne Erinnerung an alte (Spiel)Zeiten – auch ihren Auftritt. Webers Gegenwarts­beschreibu­ng: gnadenlos und hoffnungsl­os. Ovationen.

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Gier“ einschließ­lich
Foto: D. Baltzer Ingolstadt: „Hunger und Revuetrepp­e. Gier“ einschließ­lich

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