Neuburger Rundschau

Karnevalis­t hält Wutrede gegen Nazis

„Obermessdi­ener“wird im Netz gelobt

- VON DANIEL WIRSCHING

Mainz Der Auftritt von Andreas Schmitt als „Obermessdi­ener am Hohen Dom zu Mainz“ist seit Jahren einer der Höhepunkte der ZDFFernseh­sitzung „Mainz bleibt Mainz, wie es singt und lacht“. Seit der Liveübertr­agung am Freitagabe­nd aber ist etwas anders: Schmitt ist plötzlich ein Internet-Star, den der Youtuber Rezo als „Nicer Typ“lobt. Und der TV-Karneval ist nun irgendwie cool. „Wie absolut verrückt diese Zeiten sind, erkenne ich daran, dass ich plötzlich anfange, Büttenrede­n zu teilen“, twitterte Moderator und Autor Micky Beisenherz am Samstag.

Von einem „Schmitt-Beben“gar schrieb die Allgemeine Zeitung aus Mainz. Die Sitzung habe einen bundesweit­en Nachhall gehabt „wie seit den 60ern nicht mehr“. Damals bestimmte der Zeitung zufolge die Premiere von „Humba, Humba täterä“die Schlagzeil­en, nun ist es Andreas Schmitt – mit seiner „Wutpredigt gegen Rechts“. Als „Obermessdi­ener“war er mit der Höcke-AfD hart ins Gericht gegangen. Bereits bei der „SWR4 Radiofastn­acht“am 9. Februar war der streckenwe­ise wortgleich­e Text auf große Zustimmung gestoßen.

Dann kam der rechtsextr­eme Terroransc­hlag von Hanau. Und Schmitt – stellvertr­etender Vorsitzend­er der SPD-Stadtratsf­raktion von Nieder-Olm und seit Jahren Ziel von Beschimpfu­ngen aus rechtsnati­onalen Kreisen – überarbeit­ete sein Manuskript. „Die Morde von Hanau, die Schüsse auf die Synagoge in Halle – ob Juden, Christen, Muslime, das war ein Angriff auf alle. Wir leben hier zusammen, die Demokratie wird triumphier­en, dieses Land werdet ihr niemals regieren“, sagte er, ein Mann von sprachlich­er und körperlich­er Wucht, in der Bütt.

Und zuvor: „Ihr nehmt uns die Freiheit nicht! Solltet ihr für jedes Nazi-Opfer eine Schweigemi­nute gestalten, müsstet ihr 38 Jahr’ lang eure Schandmäul­er halten. Es war millionenf­acher Völkermord, ihr braunen Wichte, und kein Vogelschis­s der deutschen Geschichte.“Immer wieder haute Schmitt dabei mit den Händen auf die Bütt. Insbesonde­re die AfD griff der „Obermessdi­ener“scharf an, etwa, indem er sagte, auch Parteien hätten wie ein Fußballtea­m eine Seniorenma­nnschaft, „bei der AfD denkt so mancher, dort war’s die SS“. Am Ende erhielt er vom Publikum stehenden Applaus.

Während unter anderem das katholisch­e Bistum Mainz auf Facebook schrieb „Wir sind stolz auf unseren Obermessdi­ener Andreas Schmitt!“, sahen sich AfD-Sympathisa­nten bestätigt in ihrer Auffassung, dass der Terror von Hanau dazu „instrument­alisiert“werde, die Partei zu bekämpfen. Die AfD Mainz hatte schon vor der Karnevalsv­eranstaltu­ng, am 18. Februar, auf Facebook gewarnt: Die dort auftretend­en „politische­n Redner“ließen „in ihrer Anti-AfD-Hetze jegliches Maß und Anstand vermissen“.

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Foto: Andreas Arnold, dpa Andreas Schmitt als „Obermessdi­ener“in der Bütt.

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