Karnevalist hält Wutrede gegen Nazis
„Obermessdiener“wird im Netz gelobt
Mainz Der Auftritt von Andreas Schmitt als „Obermessdiener am Hohen Dom zu Mainz“ist seit Jahren einer der Höhepunkte der ZDFFernsehsitzung „Mainz bleibt Mainz, wie es singt und lacht“. Seit der Liveübertragung am Freitagabend aber ist etwas anders: Schmitt ist plötzlich ein Internet-Star, den der Youtuber Rezo als „Nicer Typ“lobt. Und der TV-Karneval ist nun irgendwie cool. „Wie absolut verrückt diese Zeiten sind, erkenne ich daran, dass ich plötzlich anfange, Büttenreden zu teilen“, twitterte Moderator und Autor Micky Beisenherz am Samstag.
Von einem „Schmitt-Beben“gar schrieb die Allgemeine Zeitung aus Mainz. Die Sitzung habe einen bundesweiten Nachhall gehabt „wie seit den 60ern nicht mehr“. Damals bestimmte der Zeitung zufolge die Premiere von „Humba, Humba täterä“die Schlagzeilen, nun ist es Andreas Schmitt – mit seiner „Wutpredigt gegen Rechts“. Als „Obermessdiener“war er mit der Höcke-AfD hart ins Gericht gegangen. Bereits bei der „SWR4 Radiofastnacht“am 9. Februar war der streckenweise wortgleiche Text auf große Zustimmung gestoßen.
Dann kam der rechtsextreme Terroranschlag von Hanau. Und Schmitt – stellvertretender Vorsitzender der SPD-Stadtratsfraktion von Nieder-Olm und seit Jahren Ziel von Beschimpfungen aus rechtsnationalen Kreisen – überarbeitete sein Manuskript. „Die Morde von Hanau, die Schüsse auf die Synagoge in Halle – ob Juden, Christen, Muslime, das war ein Angriff auf alle. Wir leben hier zusammen, die Demokratie wird triumphieren, dieses Land werdet ihr niemals regieren“, sagte er, ein Mann von sprachlicher und körperlicher Wucht, in der Bütt.
Und zuvor: „Ihr nehmt uns die Freiheit nicht! Solltet ihr für jedes Nazi-Opfer eine Schweigeminute gestalten, müsstet ihr 38 Jahr’ lang eure Schandmäuler halten. Es war millionenfacher Völkermord, ihr braunen Wichte, und kein Vogelschiss der deutschen Geschichte.“Immer wieder haute Schmitt dabei mit den Händen auf die Bütt. Insbesondere die AfD griff der „Obermessdiener“scharf an, etwa, indem er sagte, auch Parteien hätten wie ein Fußballteam eine Seniorenmannschaft, „bei der AfD denkt so mancher, dort war’s die SS“. Am Ende erhielt er vom Publikum stehenden Applaus.
Während unter anderem das katholische Bistum Mainz auf Facebook schrieb „Wir sind stolz auf unseren Obermessdiener Andreas Schmitt!“, sahen sich AfD-Sympathisanten bestätigt in ihrer Auffassung, dass der Terror von Hanau dazu „instrumentalisiert“werde, die Partei zu bekämpfen. Die AfD Mainz hatte schon vor der Karnevalsveranstaltung, am 18. Februar, auf Facebook gewarnt: Die dort auftretenden „politischen Redner“ließen „in ihrer Anti-AfD-Hetze jegliches Maß und Anstand vermissen“.