St. Pauli nervt den HSV
Der Abstiegskandidat gewinnt das Hamburger Stadt–Derby und dämpft somit die Aufstiegshoffnung des Konkurrenten. Dessen Trainer nimmt die Schuld auf seine Kappe
Hamburg „Besser kann man nicht spielen“sagte HSV-Trainer Dieter Hecking am Tag nach der bitteren HSV-Pleite. Gemeint waren die ersten zwanzig Minuten im Stadtderby. Aber genau da setzte die Analyse von Kollege Jos Luhukay an: „Der HSV hat das Spiel in der Anfangsphase verloren.“Dass die Mannschaft des ehemaligen Trainers des FC Augsburg zweimal eiskalt zugeschlagen hat, ist aber noch wichtiger für diesen Spielausgang, der für eine Ernüchterung am Volkspark sorgte.
Der Rahmen: 57000 Zuschauer, tolle Choreografien und sangesfreudige Fans, die schon lange vor dem Anpfiff Derby-Atmosphäre versprühten. Wichtiger als der Fußball war die Schweigeminute vor dem Anpfiff im Gedenken an die Opfer von Hanau. „Nazi raus“-Rufe waren die richtige Reaktion. Dass einige Fans später in beiden Lagern wieder einmal mit Pyros zündelten, gehört r ebenso zu den Tatsachen wie das Werfen von Feuerwerkskörpern in den St.-Pauli-Block.
Die Rollen waren von Anfang an klar verteilt, der HSV im Angriffsmodus und St. Pauli in der Verteidigung. Nach neun Minuten hatte der HSV vier Eckbälle, einen Lattenkracher von Sonny Kittel und einen Pfostenschuss von Joel Pohjanpalo in der Bilanz.
Doch ein Fehlpass von Louis Schaub im Mittelfeld veränderte alles, denn der überragende Henk Veermann schnappte sich das Spielgerät an der Mittellinie, düpierte im Spurt seinen niederländischen Landsmann Rick van Drongelen und erzielte die völlig überraschende Führung für St. Pauli. Fans und Mannschaft waren gleichermaßen geschockt, zumal die Gäste gleich nachlegten: Nach 29 Minuten stand es 0:2, weil Matt Penny 25 Meter vor dem Tor nicht gestört wurde und den Ball unbedrängt in die rechte Torecke schießen konnte. Ein Schuss von Aaron Hunt neben den Pfosten war die Ausbeute der Hausherren bis zur Pause. Ein Abseitstor von Pauli und ein wegen Handspiel nicht gegebenes HSVTor waren die wenigen spektakulären Momente in einer für den HSV völlig enttäuschenden zweiten Spielhälfte.
„Die Niederlage geht auf meine Kappe, weil ich in der Halbzeit nicht die Lösungen gefunden habe, um die Mannschaft in die Spur zu bringen“, gestand Dieter Hecking. Des Trainers Selbstkritik in allen Ehren: Tatsächlich haben individuelle Fehler zu den Gegentoren geführt und in der zweiten Halbzeit fand sich außer Torhüter Heuer Fernandes und Gideon Jung auf dem Platz kein HSV-Spieler mehr in Normalform. HSV-Vorstandschef Bernd Hoffmann eilte nach dem Abpfiff fassungslos in die Katakomben, während sein Kollege Oke Göttlich noch lange regungslos auf der Tribüne stand. Er weinte vor Glück. „Derby-Meister, Derby-Meister“, schallte es aus dem Block der 6000 Pauli-Fans.
Am Sonntagmorgen wehrte sich Hecking gegen den Vorwurf, der HSV habe das Derby nicht angenommen: „Wir haben bei den Zweikampfwerten und der Laufbereitschaft überall die besseren Werte, auch die Leidenschaft war da.“
● Bielefeld feiert Arminia Bielefeld lässt sich auf dem Weg in die Bundesliga auch nicht von einer drohenden Spielabsage beeindrucken. Das Team von Trainer Uwe Neuhaus gewann am Sonntag das wegen widriger Platzverhältnisse verspätet angepfiffene Punktspiel gegen Hannover 96 durch das Tor des eingewechselten Reinhold Yabo (83. Minute) mit 1:0 und verteidigte damit die souveräne Spitzenposition. Die Arminia hat weiter drei Zähler Vorsprung auf den neuen Zweiten VfB Stuttgart und sogar sechs auf den Hamburger SV. Der Platz in der mit 26 285 ausverkauften Schüco-Arena war durch den Dauerregen mit Pfützen übersäht. Schiedsrichter Robert Hartmann (Wangen) verlegte den Anpfiff um eine halbe Stunde nach hinten und gab nach einer erneuten Platzbegehung grünes Licht.