Razzia im Morgengrauen
In Unterhosen gefilzt: Vor dem Aufstehen stürmt die Polizei das Hotelzimmer des Russen Alexander Loginow – auf der Suche nach Indizien für Doping
Antholz In diesem Fall haben die Konkurrenten sogar Mitleid. „Hochachtung vor Alexander Loginow, dass er so gut durchgeballert hat. Diese Nerven muss man erstmal haben“, sagt Erik Lesser. Der Russe wird am Samstag nicht nur bei der Vorstellung der Staffel-Nationen ausgebuht, jede Runde quittieren die Fans mit Pfiffen. Äußerlich unbeeindruckt zieht der 28-Jährige kurz vor dem Ziel noch am Slowenen Rok Trsan vorbei und sichert seinem Team Platz vier.
Dabei ist noch am Morgen unklar, ob Alexander Loginow überhaupt startet. Um kurz vor sechs bekommen der Mann, der eine Woche zuvor Sprint-Weltmeister und tags darauf Dritter in der Verfolgung wird, und sein persönlicher Trainer Alexander Kasperowitsch im Mannschaftsquartier Polizeibesuch. Eine Sondereinheit präsentiert den Untersuchungsbeschluss der Staatsanwaltschaft Bozen, die bekannt gibt, die Aktion sei durch den Artikel 586 des Strafgesetzbuches, Verwendung oder Verabreichung von Dopingmitteln, gedeckt. Eine Razzia bei jenem Athleten, der bis November 2016 bereits eine zweijährige Dopingsperre wegen Epo-Missbrauchs abgesessen hat.
Die Einsatzkräfte durchsuchen die Zimmer, verhören Alexander Loginow. Der sagt verärgert in Match TV, er sei aufgewacht, als die Polizei im Zimmer stand, das er sich mit Kollege Jewgeni Garanitschew teilt. „Sie haben uns aufgefordert, in der Unterhose ganz still zu sitzen“, berichtet Loginow über bewaffnete Beamten, die „mit Schwerverbrechern gerechnet“hätten. Beschlagnahmt haben sie ein Laptop, ein Handy und persönliche Dinge, „aber sie haben nichts gefunden“, behauptet Russlands Cheftrainer Anatoli Chovantschew. Ein Video zeigt den Athleten später mit Kapuzenpulli, Jacke und grimmiger Miene auf dem Parkplatz vor dem Hotel Salomonsbrunn. „Wie üblich eine Show. Sie haben das gesamte Team in Aufruhr versetzt, und das kurz vor der Staffel“, sagt Wladimir Dratschew, Präsident der Russischen Biathlon-Union (RBU). Zwar gilt die Aktion Loginow, doch ist die Vorbereitung aller massiv gestört.
Den Zeitpunkt der Razzia kritisiert auch Erik Lesser: „Das hätten sie am Ruhetag oder nach der Staffel machen können. Das finde ich fehl am Platz.“Arnd Peiffer hofft, dass „nicht wieder was ist“, fühlt aber mit Loginow: „Es ist für den Burschen hart, wenn da die Polizei steht – ohne Dolmetscher und man weiß nicht, was los ist.“
Loginow betont stets, sauber zu sein. Sollte es aber Belege für weiteren Betrug geben, hat ein deutscher Sponsor bereits angekündigt, den Vertrag sofort aufzulösen und alle Prämien zurückzufordern.
Nach Bekanntwerden der Razzia schickt das russische Konsulat in Mailand einen Mitarbeiter nach Antholz, um die Behörden zu unterstützen. Zugleich betont das russische Außenministerium, mit den italienischen Behörden in Kontakt zu stehen, um die Lage zu entschärfen. Das russische Sportministerium hat die RBU aufgefordert, alle Informationen offenzulegen. Was Loginow droht, ist offen, erste Ermittlungsergebnisse gibt es bisher nicht. Auf den Massenstart am Sonntag verzichtet der Russe.