Wie dieser Kalender eure Gedanken ordnet
Analog oder digital? Selbstorganisation ist ein wichtiger Schritt in der persönlichen Entwicklung. Ein Bullet-Journal hilft, seine Vorhaben ohne Handy im Blick zu behalten. Wieso eine Schülerin die Methode so schätzt
Jedes Bullet-Journal ist für Monzheimer ein Kunstwerk
Manche Jugendliche sagen, dass sie alles im Kopf hätten
Neuburg/Aichach Die 19-jährige Lisa Monzheimer organisiert seit fast zwei Jahren ihr Leben mithilfe des sogenannten Bullet-Journals. Das ist eine Kombination aus Kalender, Notiz- und Tagebuch, in dem sie Gedanken sowie Termine einträgt und zeichnet. Diese in Deutschland noch recht neue und ungewöhnliche Methode ist für Monzheimer „perfekt“, sagt sie. Monzheimer kommt aus Aichach, dort geht sie auch in die zwölfte Klasse des Deutschherren-Gymnasiums. Für das Bullet-Journal verwendet sie ein normales, leeres Buch mit Punktraster. Alle Kalender, Todo-Listen und Seiten gestaltet sie selbst. Diese Autonomie ist das, was Monzheimer schätzt.
„Ich habe mit einem leeren Buch die Freiheit, alles so zu machen, wie ich will“, sagt sie. Genau das sei es, warum ihr das Arbeiten mit einem Bullet-Journal leichter falle als mit anderen Systemen. Vorgefertigte Seiten störten Monzheimer, der Platz hat entweder nicht gereicht oder war zu viel. Für ihre Zeichnungen und Überlegungen hatte sie in normalen Kalender keinen Platz. „Wenn mir langweilig ist, dann fülle ich ganze Seiten mit Kritzeleien und Gedanken“, erzählt Monzheimer. „Ich nenne sie meine ‚pages of boredom‘ (Seiten der Langeweile, Anm. d. Red.)“. Gerade dadurch werde aus dem BulletJournal ein Tagebuch. „Im übertragenen Sinne“, sagt Monzheimer.
Ursprünglich ist das Bullet-Journal
so konzipiert, dass man für jeden Themenbereich im Buch die entsprechenden Seitenzahlen in einen Index einträgt. Zum Beispiel „Monatsübersicht: 23, 54, 78“. Diesen Aspekt hat Monzheimer allerdings nicht übernommen. Auch hier lässt sich das System beliebig anpassen. Ein weiterer Bestandteil ist eine Jahres-, Monats-, Wochen- und Tagesübersicht. In diese trägt sie Aufgaben, Notizen und Termine ein. Dabei kommen auch die Bullets, also Aufzählungszeichen, ins Spiel. Je nachdem, mit was sich der Eintrag beschäftigt, ist das Aussehen verEinen Termin kennzeichnet Lisa Monzheimer etwa mit einem Kreis.
Entwickler der Bullet-JournalMethode ist Ryder Carroll, ein Designer aus New York in den Vereinigten Staaten. Der heute 38-Jährige hatte durch seine Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS) sein ganzes Leben lang Probleme, sich zu organisieren. Er verbrachte Jahre damit, ein System zu entwickeln, das für ihn funktioniert. Entstanden ist dabei das Bullet-Journal, das er 2013 erstmalig in einem Video auf dem InternetPortal Youtube vorstellte. Seitdem ist um das Bullet-Journal eine große Internet-Gemeinschaft entstanden, die sich gegenseitig inspiriert.
Lisa Monzheimer findet im Internet immer wieder Inspiration für ihr Buch. „Manchmal bin ich eingeschüchtert“, sagt sie. Denn oft sind Bullet-Journals, auf die sie stößt, sehr künstlerisch und mühevoll gestaltet. „Aber im Grunde ist jedes Bullet-Journal ein Kunstwerk“, denn jeder habe seinen eigenen Stil und verleihe dem Buch eine persönliche Handschrift. Dabei reicht die Spanne von einem sehr spartanieinem schen Design bis hin zur aufwendigen ästhetischen Darstellung. Man müsse kein Künstler sein, um dieses Organisationssystem zu verwenden, sagt Monzheimer. Selbst das Layout des Gründers Carroll ist einfach gehalten und besteht nur aus dem Nötigsten, ohne bunte Farben oder Verzierungen. „Kein Bullet-Journal ist gleich“, sagt Monzheimer. Sie müsste sich nicht einmal an ein bestimmtes Design halten und könne jederzeit adaptieren und umstellen.
Menschen, bei denen bisher kein Organisationssystem funktioniert hat, rät Monzheimer, dem BulletJournal eine Chance zu geben. Dafür bräuchten sie nicht mehr als ein leeres Buch und einen Stift. Inspiration und weitere Tipps finden sich per Mausklick im Internet.
Das richtige System könne die Selbstorganisation auf jeden Fall erleichtern, sagt auch Korbinian Hofmann. Er ist Erzieher in einer Jugendhilfe-Einrichtung. Nebenbei arbeitet der 22-Jährige ehrenamtschieden. lich bei der Schönstatt Mannesjugend der Diözese Augsburg als Gruppenleiter. Sowohl in seinem Job als auch im Ehrenamt ist Selbstorganisation oft Thema. Er unterstützt die Jugendlichen, ein geeignetes System zu finden.
„Im Idealfall organisieren sie ihre Termine komplett selbst“, sagt Hofmann. „Wir haben auch ganz viele Jugendliche, die sagen, sie hätten alles im Kopf.“Bei wenigen Terminen und Aufgaben kann das auch mal ganz gut gehen. Sobald die Belastung jedoch steigt, sei das Merken „sehr anstrengend und anfällig“, sagt er. Wenn jedoch alle Versuche scheitern, „dann sollte ich an mir selbst arbeiten“.
Denn jedes System, auch die Bullet-Journal-Methode, erfordere ein Minimum an Selbstdisziplin. Der Trend geht zum digitalen Kalender. Die Jugendlichen, die Hofmann betreut, benutzen kaum noch Methoden auf Papier. Digital bedeute einen geringeren Aufwand und mehr Flexibilität. Papierkalender fordern mehr Selbstdisziplin. Und was ist die ideale Lösung? Der Erzieher Hofmann sagt: „Das hängt von jedem selbst ab.“