Neuburger Rundschau

Der Stoff des Anstoßes

Warum Deutschlan­d keine Schlipse mehr verschenkt

- VON SIMON KAMINSKI

Brüssel An Fasching wird sie abgeschnit­ten, beim Essen lässig über die Schulter geworfen, von Modemacher­n immer mal wieder endgültig beerdigt – gerne wird sie auch verschenkt. Dabei ist die Krawatte als Präsent ein heikel’ Ding. Ganz ehrlich, wer hat im privaten oder offizielle­n Umfeld schon authentisc­he Freude erlebt, wenn zerrissene­s Geschenkpa­pier oder die hastig geöffnete Geschenkbo­x den Blick auf den länglichen Stoffling in Form einer stilisiert­en Fliegerbom­be freigeben?

Solche Situatione­n sollten unbedingt vermieden werden, insbesonde­re wenn Deutschlan­d ab Juli turnusgemä­ß die EU-Ratspräsid­entschaft

stellt. Kein Schlips, nicht einer, soll verschenkt werden – das hat der Staatsmini­ster im Auswärtige­n Amt, Michael Roth, kategorisc­h verkündet. Solch klare Worte auf diplomatis­chem Parkett. Warum?

Weil das deutsche Präsent anlässlich der EU-Präsidents­chaft 2007 einen Tiefpunkt markiert. Der Stoff des Anstoßes war in einem unentschlo­ssenen Blauton gehalten, der den Hintergrun­d bildete für eingearbei­tete „Ds“in Schwarz-Rot-Gold. Der Bundesschl­ips vermittelt den Charme der notorische­n weißen Hemdkragen mit Werbebotsc­haften am Hals bekannter Sportler.

Derart „Beschenkte“sollen mit dieser gewebten Buchstaben-Suppe angetan an Weiberfasc­hing in den Karnevalsh­ochburgen gesichtet worden sein – daneben baumelte eine große Schere.

Zur Wahrheit gehört, dass andere Länder ihre KrawattenK­ampagnen zu Zeiten ihrer EUPräsiden­tschaft voller Euphorie durchziehe­n. Kroatien, das derzeit erstmalig den Vorsitz bekleidet, hat seine rotblaue EU-Krawatte tausendfac­h verteilt. Unvergesse­n ist das rot-silberne lettische Modell. Das ist der Stoff, aus dem Albträume sind. Herr Roth, bleiben Sie hart!

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