Der Stoff des Anstoßes
Warum Deutschland keine Schlipse mehr verschenkt
Brüssel An Fasching wird sie abgeschnitten, beim Essen lässig über die Schulter geworfen, von Modemachern immer mal wieder endgültig beerdigt – gerne wird sie auch verschenkt. Dabei ist die Krawatte als Präsent ein heikel’ Ding. Ganz ehrlich, wer hat im privaten oder offiziellen Umfeld schon authentische Freude erlebt, wenn zerrissenes Geschenkpapier oder die hastig geöffnete Geschenkbox den Blick auf den länglichen Stoffling in Form einer stilisierten Fliegerbombe freigeben?
Solche Situationen sollten unbedingt vermieden werden, insbesondere wenn Deutschland ab Juli turnusgemäß die EU-Ratspräsidentschaft
stellt. Kein Schlips, nicht einer, soll verschenkt werden – das hat der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth, kategorisch verkündet. Solch klare Worte auf diplomatischem Parkett. Warum?
Weil das deutsche Präsent anlässlich der EU-Präsidentschaft 2007 einen Tiefpunkt markiert. Der Stoff des Anstoßes war in einem unentschlossenen Blauton gehalten, der den Hintergrund bildete für eingearbeitete „Ds“in Schwarz-Rot-Gold. Der Bundesschlips vermittelt den Charme der notorischen weißen Hemdkragen mit Werbebotschaften am Hals bekannter Sportler.
Derart „Beschenkte“sollen mit dieser gewebten Buchstaben-Suppe angetan an Weiberfasching in den Karnevalshochburgen gesichtet worden sein – daneben baumelte eine große Schere.
Zur Wahrheit gehört, dass andere Länder ihre KrawattenKampagnen zu Zeiten ihrer EUPräsidentschaft voller Euphorie durchziehen. Kroatien, das derzeit erstmalig den Vorsitz bekleidet, hat seine rotblaue EU-Krawatte tausendfach verteilt. Unvergessen ist das rot-silberne lettische Modell. Das ist der Stoff, aus dem Albträume sind. Herr Roth, bleiben Sie hart!