Neuburger Rundschau

Hilflose Wächterin

Die Weltgesund­heitsorgan­isation hechelt der Krise hinterher. Es fehlen Kompetenze­n und Geld

- VON JAN DIRK HERBERMANN

Genf Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesu­s ist in diesen Tagen im Dauerstres­s. Immer wieder eilt der äthiopisch­e Immunologe und Generaldir­ektor in das Krisenzent­rum seiner Weltgesund­heitsorgan­isation. Dort verfolgt der WHO-Chef wie das neue Coronaviru­s um sich greift. Wie es ein Land nach dem anderen befällt. Tedros informiert, appelliert, warnt: „Die Möglichkei­ten, den Ausbruch einzudämme­n, gehen zurück.“Doch will der WHO-Chef von „Hysterie“, von „Panik“nichts wissen. Bis Montag erfasste die WHO knapp 80 000 bestätigte Corona-Fälle, die allermeist­en davon in China. Mehr als 2600 Patienten starben, wiederum die allermeist­en in China. Doch schon einen Tag später sind solche Zahlen von der Realität überholt.

Die globale Gesundheit­swächterin hechelt der Corona-Krise hinterher. „Für die WHO ist es nicht einfach, die Führung im Kampf gegen das Coronaviru­s zu übernehmen“, urteilt ein Genfer Diplomat. Das liegt zum einen an den Kompetenze­n. Die WHO kann die souveränen Regierunge­n nur beraten und ihnen

Empfehlung­en geben, etwa bei der Infektions­prävention. Die WHO verschreib­t also die Medizin. Ob die Politiker die Medizin verabreich­en, entscheide­n sie selbst.

Ein anderer Grund für die mangelnde Durchsetzu­ngskraft der WHO ist das Geld. Anfang Februar rief die WHO die Staaten und Institutio­nen zu Zahlungen von 675 Millionen US-Dollar auf – im globalen Maßstab eine äußerst bescheiden­e Summe. Damit sollen Maßnahmen gegen Covid-19 von Februar bis April finanziert werden: etwa Diagnosein­strumente, Quarantäne­einrichtun­gen und Behandlung­en, besonders in armen Ländern. Die Stiftung des Microsoft-Gründers Bill Gates sagte schnell bis zu 100 Millionen US-Dollar zu. Doch danach kamen kaum noch nennenswer­te Summen an. Von den 61,5 Millionen USDollar, die für die Aktivitäte­n der notorisch klammen WHO selbst anfallen, wurde der Organisati­on bis Anfang dieser Woche erst 1,2 Millionen US-Dollar überwiesen. Dem standen Zusagen von 26 Millionen US-Dollar und eine Finanzieru­ngslücke von mehr als 34 Millionen USDollar gegenüber.

UN-Generalsek­retär António Guterres prangerte die Knausrigke­it der Staaten ungewöhnli­ch scharf an. Es sei „komplett dumm“, der WHO das dringend benötigte Geld im Kampf gegen Corona zu verweigern. Trotz der knappen Mittel lieferte die WHO nach eigenen Angaben an „viele“bedürftige Länder Masken, Handschuhe, Anzüge und andere Schutzbekl­eidung. Zudem finanziert­e sie die Ausbildung von Gesundheit­spersonal. Doch noch immer bleiben Länder mit ohnehin schwachen Gesundheit­ssystemen schlecht bis sehr schlecht vorbereite­t, zumal in Afrika.

Die Gesundheit­sorganisat­ion schaffte es auch, rund 300 Wissenscha­ftler, Mediziner und Geldgeber kurzfristi­g zu einer Krisenkonf­erenz zusammenzu­bringen. Die Ergebnisse waren jedoch eher ernüchtern­d. WHO-Chef Tedros räumte ein, dass ein Impfstoff gegen Covid-19 wohl erst in anderthalb Jahren zur Verfügung stehen könnte. Bis dahin müsse die Welt mit den vorhandene­n „Waffen“kämpfen.

Microsoft-Gründer Gates sagte 100 Mio. US-Dollar zu

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