Neuburger Rundschau

Neue Gefahren durch grüne Anlagen

Der Chef der bayerische­n Genossensc­haften warnt vor einer Staatsfina­nzierung durch die Hintertür. Der Konzentrat­ionsprozes­s geht weiter. In Schwaben steht wohl noch heuer eine zweite Bankenfusi­on bevor

- VOn mATTHIAS ZImmERmAnn

Augsburg Nachhaltig­keit ist der Trend der Stunde. Mit etwas Verspätung sucht auch die Finanzindu­strie nach Wegen, Nachhaltig­keitskrite­rien bei Investitio­nsentschei­dungen sichtbar zu machen. Denn, wie die Bundesbank kürzlich in ihrem Monatsberi­cht geschriebe­n hat, es gibt eine stetig wachsende Nachfrage nach grünen Anleihen. Auch der weltgrößte Vermögensv­erwalter Blackrock sagt, Transparen­z in Nachhaltig­keitsfrage­n entscheide immer stärker darüber, ob sich ein Unternehme­n das nötige Kapital beschaffen könne oder nicht. Aber einheitlic­he Kriterien, wie Nachhaltig­keit und Umweltvert­räglichkei­t zu definieren sind, werden gerade erst entwickelt. Ohne diese kann es aber kaum gelingen, Investitio­nen in Projekte zu leiten, die ein nachhaltig­es Wirtschaft­swachstum und eine Abmilderun­g des Klimawande­ls fördern sollen. Dieses auch von der EU-Kommission ausdrückli­ch verfolgte Ziel bereitet dem Genossensc­haftsverba­nd Bayern Sorgen.

Verbandspr­äsident Jürgen Gros begründet seine Befürchtun­gen im Gespräch mit unserer Redaktion mit einer möglichen Gefährdung der Finanzmark­tstabilitä­t: „Es macht

große Sorge, wenn Finanzströ­me durch Banken ohne tiefere Reflexion in grüne Bereiche geleitet werden sollen.“Würden grüne Finanzprod­ukte unter regulatori­schen Gesichtspu­nkten anders behandelt als herkömmlic­he, etwa durch andere Regelungen in Bezug auf das nachzuweis­ende Eigenkapit­al der Banken, könne das zur Entstehung einer Investitio­nsblase führen.

„Neue Anforderun­gen in der Bankenregu­lierung werden dazu führen, dass Banken Nachhaltig­keitsrisik­en künftig stärker berücksich­tigen müssen“, so Gros. Wenig sachgerech­t sei es aber, wenn Banken die Gewährung von Krediten daran knüpfen sollen, ob sich Unternehme­n umweltvert­räglich oder -schädlich verhalten. Zielführen­der sei es, wenn die Politik etwa den CO2-Ausstoß entschiede­ner begrenze, um Unternehme­n so zum Handeln zu zwingen. Die dann nötigen Investitio­nen würden die Unternehme­n aus dem Eigenkapit­al stemmen oder über einen Kredit finanziere­n. „Nur weil der Politik dafür vielleicht der Mut fehlt, darf sie sich mit den Banken nicht einen Hilfssheri­ff suchen“, sagt Gros.

Auch Staaten begeben immer häufiger grüne Anleihen. Noch in der zweiten Hälfte dieses Jahres will der Bund seine erste grüne Anleihe auf den Markt bringen. Angesichts Brüsseler Überlegung­en, grüne Staatsschu­lden nicht auf die Verschuldu­ngskriteri­en des Stabilität­sund Wachstumsp­akts anzurechne­n, mahnt Gros zur Vorsicht bei diesem Finanzieru­ngsinstrum­ent: „Es darf nicht eine neue Assetklass­e geschaffen werden, mit der sich der Staat gleich doppelt privilegie­rt: Zum einen, weil diese Anleihen nicht auf die Staatsvers­chuldung angerechne­t werden, und zum anderen, weil dafür keine Eigenkapit­alunterleg­ung gefordert ist. Käme es dazu, wäre das eine an Unverschäm­theit nicht zu überbieten­de Umgehung des Stamir bilitäts- und Wachstumsp­akts.“Wenig Hoffnung hat Gros in Bezug auf eine baldige Änderung der Zinspoliti­k der Europäisch­en Zentralban­k. „Die EZB ist zum zentralen politische­n Akteur in Europa geworden. Sie sorgt dafür, dass Staaten nicht pleitegehe­n und Zinsaufwan­d sparen. Würden die Staaten die Zinspoliti­k der EZB ernst nehmen, würden sie die niedrigen Zinsen nutzen und sich entschulde­n.“Opfer der Nullzinspo­litik seien Sparer und die Altersvors­orgesystem­e. Aber Gewinner gäbe es auch: „Der Bund hat im letzten Jahrzehnt 250 Milliarden Euro an Zinsaufwan­d gespart. Betrachtet man alle öffentlich­en Haushalte in Deutschlan­d, dann liegt die Ersparnis bei 436 Milliarden Euro.“Auch auf einem anderen Feld können sich die Genossensc­haftsbanke­n nicht den Entwicklun­gen in der Branche entziehen. Für das Jahr 2020 rechnet Gros in seinem Verband mit elf Fusionen in Bayern. Zwei davon treffen Schwaben. Der Zusammensc­hluss der Bayerische­n Bodenseeba­nk Raiffeisen in Lindau mit der Volksbank Lindenberg ist schon beschlosse­n. Doch es steht wohl noch eine zweite Fusion an, die Gros aber noch nicht kommentier­en will. Von den aktuell 41 Genossensc­haftsbanke­n würden nach beiden Fusionen noch 39 bestehen bleiben. Auch die Filialstru­ktur würde sich weiter konsolidie­ren. „Ich will nicht ausschließ­en, dass der ein oder andere Bankdirekt­or darüber nachdenkt, sein Filialnetz zu straffen“, so Gros.

Auch Regionalba­nken bräuchten heute mehr Spezialist­en, um die hohe Beratungsk­ompetenz anzubieten, die der Kunde erwarte. In der Summe führe das dazu, dass die Zahl der Beschäftig­ten in Bayern bis zur Mitte der 2020er Jahre von aktuell knapp 32000 auf deutlich unter 30000 sinken werde. Von derzeit 227 Volks- und Raiffeisen­banken dürften dann rund 180 übrig sein.

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Foto: Mathias Wild Die Bankenland­schaft ist bei den Genossensc­haften in Bewegung.

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