Neuburger Rundschau

Eine Hilfe für Drogenabhä­ngige

In einem Modellproj­ekt gibt die Regierung ein Medikament an Drogenabhä­ngige aus, das im Notfall Leben retten kann. Beratungss­tellen werten es als ersten Erfolg, fordern aber mehr

- VON BRIGITTE MELLERT

Bayern 235 Menschen sind 2018 in Bayern an ihrer Drogensuch­t gestorben. 28 konnten gerettet werden, schätzen Experten. Grund sei das seit Oktober vor zwei Jahren gestartete Modellproj­ekt „BayTHNTake-Home-Naloxon“. Seither dürfen Drogenabhä­ngige in Notfallsit­uationen das Gegenmitte­l Naloxon einnehmen. Im Falle einer Überdosis bei Opioiden wie Heroin kann das Medikament den Tod durch Atemstills­tand verhindern. Bislang durften nur Ärzte das Gegenmitte­l verabreich­en. Für viele Süchtige kam diese Hilfe aber meist zu spät. Die CSU – bekannt für ihre rigide Drogenpoli­tik – hat damit im Kampf gegen Drogen einen Kurswechse­l angesteuer­t, um die Zahl der Drogentote­n zu verringern. In Bayern als bundesweit trauriger Spitzenrei­ter sei dies dringend notwendig, sagen Experten der Drogenhilf­en. Um das Problem zu lösen, muss ihrer Ansicht nach aber noch mehr getan werden.

In mehreren großen Städten wie München, Augsburg, Ingolstadt, Regensburg und Nürnberg läuft das Projekt, federführe­nd geleitet von der Universitä­t Regensburg in Kooperatio­n mit der Ludwig-Maximilian­s-Universitä­t in München. Rund 500 Studientei­lnehmer haben daran teilgenomm­en. Bis 2021 fördert das bayerische Gesundheit­sministeri­um das Projekt mit 330000 Euro, um medizinisc­he Laien im Umgang mit dem Notfallmed­ikament zu schulen.

Julian Meyer von der Drogenhilf­e Schwaben begrüßt die Entscheidu­ng des Freistaats. Als Projektlei­ter hat er die Reaktionen seiner Klienten in Augsburg miterlebt. „Sie haben uns am Anfang die Tür eingerannt“, sagt er. Manche zeigten zu Beginn aus Angst vor Entzugsers­cheinungen zwar eine gewisse Scheu vor dem Medikament. Doch durch Schulungen, in denen er den richtigen Umgang mit dem Medikament erklärte, habe er diese Sorgen nehmen können. Bei viele Süchtigen hatte das Arzneimitt­el sogar einen psychologi­schen Erfolg, wie Meyer beobachtet hat. „Viele sind stolz, sich selbst helfen zu können. Sonst fühlen sie sich als unterste Schicht der Gesellscha­ft.“

Gemeinsam mit einem Rettungssa­nitäter schult Meyer Süchtige im Umgang mit dem Medikament, das als Nasenspray eingenomme­n wird. Ein Allheilmit­tel sei es aber nicht,

Symbolfoto: Frank Leonhardt, dpa betont Meyer: „Im Falle einer Überdosis muss trotzdem der Notarzt gerufen werden.“Denn die Wirkung des Mittels, so schätzt er, hält je nach Dosis des Opioids nur etwa 50 Minuten an. Hinzu komme, dass Naloxon nur an Süchtige selbst ausgegeben werden darf. Als verschreib­ungspflich­tiges Medikament ist es in Apotheken bislang nicht frei erhältlich.

Eine weitere Krux: Nur wenige Ärzte geben das Gegenmitte­l an Abhängige aus, sagt Olaf Ostermann, vom Suchthilfe­verein Condrobs in München. Grund seien fachliche Bedenken, das Medikament an Drogensüch­tige auszugeben und die Sorge vor etwaigen Regressfor­derungen der Krankenkas­se. Um diese

„Rechtsunsi­cherheiten für substituie­rende Ärzte“zu beseitigen, will die Regierung die rechtliche­n Rahmenbedi­ngungen für die Drogenersa­tztherapie anpassen, heißt es in einer Pressemitt­eilung des Gesundheit­sministeri­ums. Weiter: „Die beste Prävention ist nachweisli­ch eine wohnortnah­e ärztliche Substituti­onsbehandl­ung.“Für die Drogenhilf­e ein entscheide­nder Punkt: Bisher arbeitet Condrobs in München mit zwei Arztpraxen und einer ehrenamtli­chen Ärztin zusammen, erklärt Ostermann. Um nach Ende des Projektes die progressiv­ere Drogenpoli­tik weiterführ­en zu können, bedürfe es einer Regelfinan­zierung seitens des Freistaats.

Die aktuellen Zahlen zeigen die Notwendigk­eit für ein Handeln: In Ballungsze­ntren wie München ist Drogensuch­t weiter ein Problem, die Zahl der Drogentote­n bewegt sich seit Jahren auf einem hohen Niveau: Im Jahr 2018 starben 23 Menschen in Augsburg, 44 Menschen waren es im vergangene­n Jahr in München. Hauptursac­he seien nach wie vor Vergiftung­en durch Opioide wie Heroin.

Für Mitarbeite­r der bayerische­n Drogenbera­tungen ist das Naloxon– Modellproj­ekt daher ein wichtiger aber auch nur ein erster Schritt. Projektlei­ter Julian Meyer fordert: „Wir bräuchten in Bayern Konsumräum­e, die von medizinisc­hen Experten überwacht werden.“In diesem geschützte­n Raum können Süchtige unter medizinisc­her Kontrolle mit sterilen Materialie­n und ohne Angst vor Strafverfo­lgung Substanzen konsumiere­n. In sieben Bundesländ­ern gibt es die sogenannte­n Fixerstube­n bereits, Bremen kommt heuer hinzu.

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Gerade in Ballungsze­ntren wie München und Augsburg gibt es viele Drogensüch­tige. Sie werden nun für ein Notfallmed­ikament geschult.
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