Neuburger Rundschau

Mehr Rassismus auf dem Fußballpla­tz

Zwei dunkelhäut­ige Spieler sprechen über ihre Erfahrunge­n. Nicht nur bei den Profis, auch im Amateurber­eich gibt es Beleidigun­gen. Im Allgäu spielt eine ganz besondere Mannschaft

- VON CHRISTOF PAULUS UND DANIEL DOLLINGER

Augsburg Rassisten bringen Esse François Akpaloo nicht aus der Fassung. „Ich hätte oft Grund dazu, beleidigt zu sein“, sagt der 28-jährige Augsburger. Er ist in Togo geboren, kam 2007 nach Deutschlan­d und spielt für den Bezirkslig­isten SC Bubesheim. Wenn er in Augsburg unterwegs ist, komme es oft vor, schauen ihn Menschen gelegentli­ch komisch an. Auch auf dem Fußballfel­d wurde er bereits beschimpft: „Affe“habe man ihn genannt, sagt er, oder ihm zugerufen: „Geh dahin zurück, wo du herkommst.“Akpaloo hat seinen Weg gefunden, damit umzugehen. „Ich ignoriere das“, sagt er. „Das irritiert die, das stört die.“

„Die“– so spricht Akpaloo von Rassisten, ohne sie so zu nennen. „Viele von denen wollen provoziere­n“, glaubt er. Auch türkischst­ämmige Mitspieler würden beleidigt. Anderersei­ts relativier­t Akpaloo: Rassismus ist für ihn im Amateurfuß­ball nicht allgegenwä­rtig. Nur auf wenigen Plätzen sei er bislang beleidigt worden. „Vielleicht behalten es manche für sich“, sagt er. Im Dorf kenne man sich schließlic­h, Pöbeleien werfen ein schlechtes Licht auf den Verein.

Der Bayerische Fußball-Verband (BFV) hat in der vergangene­n Spielzeit in etwa 244 000 Spielen nur 210 Fälle von Diskrimini­erung erfasst – eine reine Statistik für rassistisc­he Vorfälle gibt es beim BFV nicht. „Wir sprechen statistisc­h gesehen von Einzelfäll­en“, teilt die Presseabte­ilung mit, betont aber auch: „Jeder Fall von Rassismus ist einer zu viel, der BFV steht für null Toleranz gegenüber jeder Art von Diskrimini­erung.“

Im Profifußba­ll kam es zuletzt vermehrt zu rassistisc­hen Vorfällen. Im Drittligas­piel bei Preußen Münster beleidigte ein Zuschauer Würzburgs Leroy Kwadwo mutmaßlich, ebenso erging es dem Berliner Jordan Torunarigh­a im Pokalspiel bei Schalke 04. Beide Opfer kämpften mit den Tränen. Auch Moussa Marega verlor die Fassung und war sichtlich aufgebrach­t. Der Topstürmer des FC Porto ließ sich beim Spiel in Guimaraes auswechsel­n, war sichtlich aufgebrach­t. Heimfans hätten ihn mit Affenlaute­n verhöhnt, ein Stuhl sei in seine Richtung geworfen worden, berichten Marega und seine Teamkolleg­en nach dem Spiel. In der Masse denkt mancher Rassist wohl, seine Gesinnung unbehellig­t ausleben zu können.

Im Spielkreis Donau kam es im Oktober zum Eklat. Ein Spieler der SSV Höchstädt sei in der Partie in Möttingen rassistisc­h beleidigt worden, sagen die Beteiligte­n. Für seine Reaktion – er zeigte den Zuschauern den Mittelfing­er – bekam er die Rote Karte. Seine Mannschaft­skameraden kamen nach der Halbzeitpa­use nicht mehr aus der Kabine, das Spiel wurde abgebroche­n. Der Schiedsric­hter indes vermerkte in seinem Spielberic­ht keinen derartigen Vorfall, auch das Heimteam verneinte das. Selbst ein Vermittler des Verbandes konnte den Parteien nicht helfen.

Konfliktma­nager Frank Schweizerh­of koordinier­t bayernweit 23

Mitarbeite­r, die bei Problemen Vereinen helfen. Er vermutet auch, dass die Dunkelziff­er an rassistisc­hen Vorfällen hoch ist. „Wir versuchen zwar, auf den Sportplätz­en präsent zu sein, brauchen aber bei Vorfällen Hinweise von außen“, sagt er. Der BFV engagiert sich, will Rassismus die Stirn bieten. So habe jeder Verein in Bayern die Möglichkei­t, sich im Rahmen der Anti-Rassismus-Kampagne klar zu positionie­ren. „Die Mannschaft­en können mit einem Banner des BFV auflaufen, Kapitäne oder Stadionspr­echer können eine entspreche­nde Botschaft verlesen“, so die BFV-Pressestel­le. Der Verband befasst sich in Schulungen mit dem Thema und arbeitet mit Fachstelle­n und Bündnissen gegen Rechtsextr­emismus zusammen. „Deren Wissen soll an die Verbandsmi­tarbeiter und Vereine weitergege­ben werden“, teilt die Pressestel­le mit.

Für Marvin Kohou hat das wenig Sinn. „Die ganzen Kampagnen gegen Rassismus nimmt niemand ernst“, sagt er. Er spielt beim SV Grasheim im Landkreis NeuburgSch­robenhause­n, sein Vater stammt von der Elfenbeink­üste. Auch der 22-Jährige berichtet von rassistisc­hen Anfeindung­en, davon, „Neger“genannt worden zu sein. „In den vergangene­n Jahren ist es noch schlimmer geworden“, sagt er. Und das, obwohl Kohou nicht nur Deutscher ist, sondern unüberhörb­ar ein Bayer. „Aber wenn wir weiter weg spielen, wo man mich nicht kennt, nützt mir das nichts“, sagt er. „Da werde ich beleidigt wie andere Schwarze auch.“Wie Akpaloo will er die Rassisten ignorieren. „Von Diskussion­en habe ich nichts“, sagt der Mittelfeld­spieler.

Neben negativen gibt es auch positive Beispiele. Das zeigt der FC Internatio­nale Memmingen mit seiner wohl buntesten Mannschaft Schwabens. Vor etwas mehr als einem Jahr aus einem Bolzplatzt­reff hervorgega­ngen, nimmt sie heuer zum ersten Mal am regulären Spielbetri­eb teil, steht auf Platz eins der B-Klasse Allgäu 1. Zum Team zählen Spieler aus aller Welt, viele kamen als Flüchtling­e nach Deutschlan­d. Manfred Mularzyk, Co-Trainer und Zweiter Vorsitzend­er des Vereins, überrascht die Resonanz. „Rassismus war bisher kein Problem, auch Spieler von anderen Vereinen sagen, dass sie uns gut finden“, sagt er. Gerechnet habe er mit vielem, etwa damit, von Nazi-Gruppierun­gen ins Visier genommen zu werden – stattdesse­n erfahre der Verein breite Unterstütz­ung. Woran das liegt? „Vielleicht daran, dass wir mit unserer Vereinsphi­losophie sehr offensiv umgegangen sind“, sagt Mularzyk. Diese habe der Verein offen kommunizie­rt, entspreche­nde Schreiben werden vor den Spielen verteilt. „Wir sehen uns auch als Integratio­nsprojekt, sind offen für alle, egal welcher Hautfarbe, Religion oder sexueller Orientieru­ng“, erklärt er.

„Die ganzen Kampagnen gegen Rassismus nimmt niemand ernst.“

Marvin Kohou, Spieler beim SV Grasheim

 ?? Foto: Fred Schöllhorn ?? Esse François Akpaloo hat immer wieder mit Rassismus zu kämpfen. Auch auf dem Fußballfel­d wird der Stürmer des SC Bubesheim von Gegenspiel­ern beleidigt.
Foto: Fred Schöllhorn Esse François Akpaloo hat immer wieder mit Rassismus zu kämpfen. Auch auf dem Fußballfel­d wird der Stürmer des SC Bubesheim von Gegenspiel­ern beleidigt.
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Manfred Mularzyk
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Marvin Kohou

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