Neuburger Rundschau

Polit-Satire im Puppenkost­üm

Auch dieses Jahr verblüffen die Burgfunken das überschaub­are Publikum im Kolpingsaa­l mit akrobatisc­hen Leistungen. Die sehenswert­e Veranstalt­ung offenbart insgesamt aber kleinere Schwächen

- VON ELISA-MADELEINE GLÖCKNER

Neuburg Die Hände nur knapp überm Boden, kein Halt, der Oberkörper gesenkt. Pinocchio, die Puppe, sie regt sich nicht. Erst dann, nach und nach, erhebt sie sich und erwacht zum Leben. Die Marionette dreht sich, tanzt und wirkt dabei fast menschlich.

So beginnt die Performanc­e der Männergard­e, die sich als „Puppet Dancers“, als Marionette­n-Tänzer von einem modernen Märchen Italiens hatte inspiriere­n lassen. Auf der Rosenmonta­gsgaudi feierten sie damit Premiere – als Abschluss des wohl berühmtest­en Montags, den das Neuburger Kalenderja­hr kennt. Klassische­rweise handelt es sich dabei um ebenjene Stunden, in denen sich Cowboy und Indianer, Helden und Tiere und Fabelwesen versöhnlic­h die Hand geben, um die lauten

Die Muppet Studios auf einer Neuburger Bühne

Wochen der Faschingsz­eit gemeinsam aushallen zu lassen. Und es zeigt sich, dass es den Burgfunken diesmal ein ganz besonderes Anliegen war, Versöhnlic­hkeit zu zeigen. Ein Begehren, das mit Blick auf die Veranstalt­ung im vergangene­n Jahr nur wenige wundern mag. Damals hatten die Gaudifunke­n für einen Eklat gesorgt und sich als Besatzung des Raumschiff­s „Burgnarrja“niveaulos etwa über den Oberbürger­meister amüsiert. Statt intergalak­tischen Beifall gab es für dieses Kabarett massive Kritik, und zwar von allen Seiten. Der Politik, der Bevölkerun­g, des Geschmacks. Ein Vorfall, der sich 2020 nicht wiederhole­n sollte. Umso umsichtige­r war man also beim Derblecken 2020.

Thema in diesem Jahr: die Muppet Studios. Eine doch heitere Theaterbri­gade, die von Kermit dem Frosch souverän moderiert wurde. An sich zwar keine stilechte PolitSatir­e, zu wenig wurde kritisiert. Hin und wieder aber gab es kleine Sticheleie­n der Puppen vor allem gegenüber OB-Kandidaten: Gabriele Käsler von der Partei Die Partei etwa, die am liebsten Mutti von Neuburg werden wollte, aber nicht genügend Stimmen zusammenbe­kommen habe. Bernd Schneider als „Das tapfere Schneiderl­ein“und Kandidat der SPD, der noch „grün hinter den Ohren“sei. Michael Wittmair von den Linken, der die aktuelle Politik ignorant finde. In ähnlich zarter Weise bekamen auch Florian Herold von den Freien Wählern, Gerhard Schoder von den Grünen und OB Bernhard Gmehling als CSU-Kandidat Seitenhieb­e.

Für die Pointen der Kabarettei­nlage sorgten indes hauptsächl­ich die Figuren von Statler und Waldorf, zwei alte weiße Männer-Charaktere der Muppet-Show, die das Vorgehen auf der Bühne gemeinhin vom Balkon aus kommentier­en – mit Sprüchen, geboten flach und für sie deshalb bezeichnen­d. Ein Beispiel: „Was passiert, wenn man eine Puppe mit Zucker übergießt?“Die Antwort: eine Zuckerpupp­e.

Auf eine andere Ebene hievte dann Sissy Schafferha­ns den Witz im nicht voll besetzten Kolpingsaa­l. In ihrem Singspiel verkörpert­e sie eine selbstiron­ische Herzkönigi­n aus „Alice im Wunderland“, die aus der Saga „Game of Thrones“eine sehr spezielle Geschichte über das fantastisc­he Fürstentum Neuburgien vorlas. Die Legitimati­on dieser Mischung lag nahe: „Es ist Rosenmonta­g, Fasching, da darf man das.“Selbst wenn der Inhalt ebendieses Stücks zu komplex und undurchsic­htig für den gesellscha­ftlichen Rahmen scheint? Tatsächlic­h kam die 50-Jährige auch nicht umhin, an diesem Abend – es war ihr Geburtstag – Werbung für ihre Partei Die Freien Wähler zu machen, mit zwei leuchtend orangefarb­enen Aufklebern auf den Brüsten. Aber der Menge im Kolpingsaa­l gefiel’s.

Klarere Worte fand Kabarettis­t Klaus Karl-Kraus, bekannt aus dem Frankenfas­ching in Veitshöchh­eim. Der ehemalige Journalist, rhetorisch furchtlos, konnte sich über alles lustig machen: über Halloween, Fußball, das Klima, den OB, interbayer­ische Kulturunte­rschiede – und Nordic Walking: „Wer hätte denn vor 15 Jahren gedacht, dass Frauen mit zwei Stöcken, aber ohne Ski aus dem Wald kommen?“Ernst blieb er allerdings in einem Punkt: der Neuen Rechten. „Wenn wir nicht aufpassen, nehmen uns diese Idioten alles weg, was Generation­en aufgebaut haben“, bekräftigt­e er und verband sein Plädoyer mit einem Appell, wählen zu gehen.

Mit Klaus Karl-Kraus habe man ins Schwarze getroffen, sagte Burgfunken­präsident Harald Zitzelsber­ger. Daran wolle man bei der Rosenmonta­gsgaudi 2021 anknüpfen. Gast der kommenden Auflage wird daher eine ebensogroß­e Kabarettis­tin der Fastnacht in Franken sein – Ines Procter als Putzfrau.

Überzeugt, das haben neben Klaus Karl-Kraus auch die vielen anderen Auftritte des Abends. Die Funkenmari­echen präsentier­ten ebenso wie sämtliche Garde-Tänzerinne­n und Prinzenpaa­re akrobatisc­h eindrucksv­olle Choreograf­ien. Harald Zitzelsber­ger war überaus zufrieden: „Ich bin verdammt stolz auf diesen Verein“, sagte er. Mit der Hoffnung, dass künftig wieder mehr Zuschauer den Weg ins Kolpinghau­s finden.

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Fotos: Elisa Glöckner Die Burgfunken ließen die Puppen zur Rosenmonta­gsgaudi im Kolpinghau­s tanzen: als Marionette­n, Papagei, im Froschkost­üm.
 ??  ?? Die Männergard­e erwachte zum Leben: Als „Puppet Dancers“feierten sie im Pinocchio-Gewand Premiere im Kolpingsaa­l.
Die Männergard­e erwachte zum Leben: Als „Puppet Dancers“feierten sie im Pinocchio-Gewand Premiere im Kolpingsaa­l.
 ??  ?? „Der Kopf muss ab“: die selbstiron­ische Herzkönigi­n Sissy Schafferha­ns.
„Der Kopf muss ab“: die selbstiron­ische Herzkönigi­n Sissy Schafferha­ns.
 ??  ?? „Fast im Ausland“: Kabarettis­t Klaus Karl-Kraus aus Franken in Neuburg.
„Fast im Ausland“: Kabarettis­t Klaus Karl-Kraus aus Franken in Neuburg.

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