Neuburger Rundschau

Wie andere Länder die Sterbehilf­e regeln

Nach verschiede­nen Klagen hat das Bundesverf­assungsger­icht das Verbot zur Sterbehilf­e aufgehoben. Die Bundesregi­erung will nun eine neue Regelung prüfen. Welche Modelle gibt es in Europa und den USA?

- VON TANJA FERRARI

Augsburg Die Freiheit, bei schwerer Krankheit Sterbehilf­e in Anspruch zu nehmen, war in Deutschlan­d nach 2015 selbst in extremen Einzelfäll­en kaum legal möglich. Nun hat das Bundesverf­assungsger­icht entschiede­n, dass das Verbot in das Recht der Selbstbest­immung eingreift und damit gegen das Grundgeset­z verstößt. Aber wie könnte eine zukünftige Lösung für Patienten in Deutschlan­d aussehen? Die Bundesregi­erung will Möglichkei­ten prüfen und über potenziell­e Maßnahmen entscheide­n. In einigen europäisch­en Ländern, darunter die Schweiz und die Niederland­e, ist die Sterbehilf­e unter gewissen Bedingunge­n bereits möglich. Auch in den USA gibt es legale Modelle.

● Schweiz Es ist ein einfacher Satz in Artikel 115 des schweizeri­schen Strafgeset­zbuchs, der die Sterbehilf­e möglich macht. Nur wer aus selbstsüch­tigen Beweggründ­en jemanden zum Suizid verleitete oder Hilfe dabei leistete, mache sich strafbar, heißt es dort. Aktive Sterbehilf­e ist auch in der Schweiz verboten, doch nimmt ein schwerkran­ker Mensch ein tödliches Medikament selbst ein, bleibt die Beihilfe zum Suizid straffrei. So einfach, wie die sogenannte „Freitodbeg­leitung“beschriebe­n wird, ist sie allerdings nicht. Vereine die Hilfe leisten, wie beispielsw­eise Dignitas, betonen, dass ein mehrstufig­es Verfahren Voraussetz­ung für ein Rezept ist.

Nach einer ersten Kontaktauf­nahme mit dem Verein können Personen, die sich für die Suizidbegl­eitung interessie­ren, dort Mitglied werden. Doch erst wenn eine schriftlic­he Anfrage gestellt wurde, wird die Organisati­on tätig. Die Gründe für die lebensbeen­dende Maßnahme müssen darin deutlich ersichtlic­h sein, heißt es. Bei gesundheit­lichen Aspekten, so Dignitas, verlangt der Verein zum Nachweis medizinisc­he Unterlagen des Betroffene­n. Neben einem Lebensberi­cht mit Angaben über das familiäre und berufliche Umfeld findet bei Mitglieder­n mit Schweizer Wohnsitz auch ein persönlich­er Besuch statt.

Sobald die Unterlagen überprüft wurden, wird ein unabhängig­er Arzt kontaktier­t. Stimmt dieser zu, müssen mindestens zwei Treffen stattfinde­n, ehe ein konkreter Termin festgelegt wird. Nicht alle Betroffene­n nehmen die Hilfe letztlich überhaupt in Anspruch. „Rückmeldun­gen zeigen, dass alleine schon die Zusage entlastend wirkt“, schreibt Dignitas.

● Niederland­e In den Niederland­en ist die aktive Sterbehilf­e und auch Beihilfe zwar generell strafbar, allerdings gibt es seit 2002 für Ärzte eine Ausnahme. Erfüllt ein Arzt bestimmte Kriterien, wenn er auf den ausdrückli­chen Wunsch eines Patienten Sterbehilf­e leistet, verstößt er nicht gegen das Gesetz. Wenn der Arzt unter anderem zu der Überzeugun­g gelangt ist, dass die Entscheidu­ng freiwillig und der Zustand des Patienten aussichtsl­os ist, wird Sterbehilf­e legal. Bei minderjähr­igen Patienten, heißt es im Gesetz, muss in den Niederland­en ein Vormund in die Entscheidu­ng einbezogen werden. Als weiteres Kriterium gibt es dort regionale Kontrollko­mmissionen, die Anträge zur Sterbehilf­e überprüfen. Neben einem Juristen entscheide­n auch ein

Arzt und ein Sachkundig­er in Ethikund Sinnfragen, ob die Sorgfaltsk­riterien eingehalte­n wurden. Innerhalb von sechs Wochen informiert die Kommission anschließe­nd den behandelnd­en Arzt über die Beurteilun­g und das weitere Vorgehen. ● Oregon Im US-Staat Oregon gilt seit einigen Jahren der sogenannte „Death with Dignity Act“, was übersetzt „Tod in Würde“bedeutet. Dieser erlaubt es schwerkran­ken Menschen mit einer Lebenserwa­rtung von weniger als einem halben Jahr, Sterbehilf­e in Anspruch zu nehmen. Doch auch hier ist das Gesetz an strenge Kriterien gebunden. In Oregon müssen Patienten volljährig, im Bundesstaa­t wohnhaft und dazu in der Lage sein, seine Entscheidu­ng selbst mitzuteile­n. Um ein Rezept zu erhalten, muss ein Betroffene­r, im Abstand von 15 Tagen, zweimal mündlich und einmal schriftlic­h seinen Todeswunsc­h mitteilen. Zusätzlich ist der behandelnd­e Arzt verpflicht­et, über mögliche alternativ­e Behandlung­smöglichke­iten aufzukläre­n. Alle Fälle werden anschließe­nd der Gesundheit­sbehörde gemeldet.

● Portugal Erst vor wenigen Tagen hat auch Portugal einen ersten Schritt in Richtung legaler Sterbehilf­e gemacht. Eine große Mehrheit der Parlamenta­rier hatte für einen Gesetzesen­twurf gestimmt, der bereits im Sommer in Kraft treten soll. Dass Portugals konservati­ver Staatspräs­ident Marcelo Rebelo de Sousa, ein Veto gegen das Gesetz einlegt, gilt als unwahrsche­inlich.

Die aktive Sterbehilf­e in Portugal soll, ähnlich wie im US-Staat Oregon, an Bedingunge­n geknüpft werden. Der betroffene Patient muss volljährig und unheilbar krank sein. Außerdem soll er sich in einer Situation des „ständigen sowie unerträgli­chen Leidens“befinden. Mehrere Ärzte müssen die aussichtsl­ose Lage bescheinig­en und auch eine Expertenko­mmission muss zustimmen. Mediziner und Pfleger dürfen sich aus Gewissensg­ründen der Sterbehilf­e verweigern.

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Foto: Imago Images In vielen Ländern ist die Sterbehilf­e unter gewissen Auflagen möglich. Ein Gerichtsur­teil eröffnet die Diskussion über Modelle in Deutschlan­d.

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