Neuburger Rundschau

„Dürfen nicht die Augen verschließ­en“

Entwicklun­gsminister Gerd Müller mahnt in Bangladesc­h weitere Maßnahmen für mehr Arbeitssic­herheit in der Textilindu­strie an. Wirtschaft akzeptiert den Grünen Knopf

- VON STEFAN LANGE

Berlin/Dhaka Entwicklun­gsminister Gerd Müller bereist in dieser Woche Bangladesc­h und Indien. Im Zentrum stehen die Arbeitsbed­ingungen in globalen Lieferkett­en, insbesonde­re im Textilsekt­or, der Kampf gegen Kinderarbe­it in der Region sowie die Lage der RohingyaFl­üchtlinge. Im Interview mit unserer Redaktion beschreibt der CSUPolitik­er seine Eindrücke und fordert die Verbrauche­r zum verantwort­ungsvollen Einkauf auf.

Herr Minister, die Katastroph­e von Rana Plaza ist fast sieben Jahre her. Damals starben beim Einsturz eines Gebäudes, in dem sich unter anderem schlampig geführte Textilfabr­iken befanden, mehr als 1100 Menschen. Was hat sich seit damals getan, um die Arbeitsbed­ingungen der Arbeiterin­nen und Arbeiter zu verbessern?

Gerd Müller: Die Katastroph­e von Rana Plaza war ein Weckruf: Vielen Verbrauche­rn ist erst durch das Unglück bewusst geworden, unter welch katastroph­alen Bedingunge­n ihre Kleidung hergestell­t wird. Seitdem hat sich einiges getan. Drei Viertel der Verbrauche­r sagt mittlerwei­le, dass ihnen nachhaltig­e Mode wichtig ist. Unternehme­n setzen zunehmend auf Nachhaltig­keit. Davon konnte ich mich während meines Aufenthalt­es in Bangladesc­h selbst überzeugen. Ich habe dort Schuh- und Textilfabr­iken besucht, von denen eine Fabrik so hohe Standards erfüllt, dass die Kleidung bereits mit unserem staatliche­n Siegel Grüner Knopf zertifizie­rt wird.

Besserung scheint in Sicht, aber wir sind noch nicht am Ende angelangt: Billig geht oft immer noch vor menschenwü­rdig. Was muss sich in Ländern wie Bangladesc­h noch tun und was kann speziell Deutschlan­d tun, damit sich die Lage der Beschäftig­ten dort westlichen Standards zumindest annähert?

Müller: Wir dürfen die Augen nicht verschließ­en vor weiterhin großen Missstände­n: Von existenzsi­chernden Löhnen sind wir noch weit entfernt. Die Gebäudesic­herheit muss weiter verbessert werden. Und häufig wird in Bangladesc­h giftiger Klärschlam­m aus der Textilindu­strie noch unkontroll­iert entsorgt. Das gefährdet viele Menschen und verringert den ohnehin knappen Lebensraum. Die Regierung versucht, das mittlerwei­le zu ändern – auch mit deutscher Unterstütz­ung. Mit Premiermin­isterin Sheikh Hasina habe ich weitere Maßnahmen zur Verstärkun­g der Arbeitssic­herheit, Anhebung der Mindestlöh­ne, Einführung einer Unfallvers­icherung und einen neuen Schwerpunk­t im Bereich berufliche­r Bildung vereinbart. Darüber hinaus wollen wir die Zusammenar­beit im Umweltbere­ich verstärken. Beim Grünen Knopf machen wir beispielsw­eise saubere Abwässer bereits zur Bedingung.

Sie appelliere­n schon seit geraumer Zeit an die deutschen Käufer, beim Einkaufen den Verstand einzuschal­ten, und Sie haben zur Entscheidu­ngshilfe den Grünen Knopf als staatliche­s Textilsieg­el eingeführt. Wie zufrieden sind Sie mit der Wirkung?

Müller: Der Grüne Knopf wird von der Wirtschaft gut angenommen. Über 30 Unternehme­n sind dabei, von großen Discounter­n wie Tchibo,

Aldi oder Lidl bis zu Trigema, dem Outdoorspe­zialisten Vaude oder Bon Prix von der Otto-Group. Zwei Dutzend weitere Unternehme­n werden bis zum Sommer geprüft, unter anderem Hugo Boss und Jack Wolfskin. Sie alle zeigen: Nachhaltig­e Mode ist möglich. Jetzt liegt es auch an uns Verbrauche­rn zuzugreife­n. Denn von T-Shirts über Bettwäsche bis zu Rucksäcken kann man mittlerwei­le Produkte mit dem Grünen Knopf kaufen.

 ?? Foto: Michael Gottschalk ?? Die Situation der Beschäftig­ten in der Textilindu­strie in Afrika und Asien hat sich nach Einschätzu­ng von Bundesentw­icklungsmi­nister Gerd Müller verbessert. Von existenzsi­chernden Standards aber sei man noch weit entfernt.
Foto: Michael Gottschalk Die Situation der Beschäftig­ten in der Textilindu­strie in Afrika und Asien hat sich nach Einschätzu­ng von Bundesentw­icklungsmi­nister Gerd Müller verbessert. Von existenzsi­chernden Standards aber sei man noch weit entfernt.
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Gerd Müller, 1955 in Krumbach geboren, ist seit 1994 für die CSU im Bundestag und seit 2013 Entwicklun­gsminister.

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