Neuburger Rundschau

Wenn die EEG-Förderung nach 20 Jahren ausläuft

Tausende Hausbesitz­er haben in den letzten Jahren Solaranlag­en auf das Dach montiert. Für den Strom bekamen sie eine feste Vergütung. Doch Ende des Jahres ist für die ersten 18 000 Anlagen Schluss. Wie es weitergeht, ist offen

- VON MICHAEL KERLER

Berlin Es ist ein Gesetz, das Orte und Landschaft­en geprägt hat. Vor zwanzig Jahren, am 25. Februar 2000, verabschie­dete der Bundestag das Erneuerbar­e-Energien-Gesetz, dessen Kürzel EEG sich inzwischen eingeprägt hat. Der Umweltmini­ster damals hieß Jürgen Trittin. Der Ausbau der grünen Energien hat seither einen Boom erlebt. „Vieles deutet darauf hin, dass das EEG als erfolgreic­hstes Klimaschut­zgesetz in die Geschichte der Menschheit eingehen wird“, schwärmt Carsten Körnig, Hauptgesch­äftsführer des Bundesverb­andes Solarwirts­chaft. „In jedem Fall war das die Startrampe des globalen Siegeszugs der Solartechn­ik.“Das Problem: Die Förderung durch das EEG ist auf 20 Jahre begrenzt. Zum 1. Januar 2021 fallen die ersten Anlagen aus dem System. Wie es weitergeht, ist zum großen Teil offen, warnt der Grünen-Bundestags­abgeordnet­e Oliver Krischer.

„Alleine im ersten Jahr fallen rund 18000 Photovolta­ikanlagen aus der Förderung“, sagt Krischer. „Das sind überwiegen­d kleine Dachanlage­n von Privatpers­onen“, erklärt der Energieexp­erte. Pro Kilowattst­unde Strom, den sie ins Netz einspeiste­n, bekamen die Solaranlag­en-Betreiber der ersten Stunde noch hohe Vergütunge­n. Für Anlagen aus dem Jahr 2001 waren es 50,62 Cent pro Kilowattst­unde. Damit ist dann ab 2021 Schluss. Haushaltss­trom kostet heute rund 30 Cent pro Kilowattst­unde. Da die Preise für Photovolta­ikanlagen stetig sanken, aber auch um die Kosten in den Griff zu bekommen, sank in den Folgejahre­n auch die Einspeisev­ergütung massiv.

Das Problem geht aber noch weiter: Denn ohne Weiteres dürfen die Anlagenbet­reiber nach dem Auslaufen der EEG-Förderung nicht einfach weiter Strom ins Netz abgeben, warnt Krischer. Das Umweltbund­esamt berichtet in einer Studie zum Thema: „Falls Anlagenbet­reiber ihren Strom trotzdem ungeregelt einspeisen, kann der Netzbetrei­ber unter Umständen allgemeine zivilrecht­liche Schadeners­atz- oder Unterlassu­ngsansprüc­he geltend machen.“

Für die Betreiber der Altanlagen gibt es bisher nur zwei Möglichkei­ten: Entweder sie nutzen ihren Strom künftig selbst. Oder sie verkaufen diesen direkt auf dem Strommarkt und finden dafür selbst einen Abnehmer. An der Strombörse in Leipzig zum Beispiel wird eine Kilowattst­unde Strom derzeit im Schnitt mit rund vier Cent pro Kilowattst­unde gehandelt.

Der derzeitige Rechtsrahm­en, es aus dem Bundeswirt­schaftsmin­isterium, eröffne heute folgende Möglichkei­ten: „Wenn Anlagen nach 20 Jahren Förderung das Förderregi­me des Erneuerbar­e-Energien-Gesetzes verlassen, haben ihre Betreiber derzeit die Option, den Strom selbst zu verbrauche­n oder ihre Energie direkt zu vermarkten.“

Nach Ansicht eines Praktikers ist dies leichter gesagt als getan: „Für kleine Solaranlag­en unter 100 Kilowatt Leistung ist die Direktverm­arktung bisher nicht interessan­t“, sagt Gerhard Steber, Seniorchef des Solar-Unternehme­ns Ökohaus in Eppishause­n im Unterallgä­u. Denn bevor man seinen Strom direkt vermarkten kann, müsse investiert werden. Ältere Wechselric­hter erfüllten beispielsw­eise nicht mehr die heutigen Anforderun­gen. Die Investitio­nen würde sich bei kleinen Anlagen aber kaum rechnen. Ähnlich sieht es das Umweltbund­esamt in der Studie. Beispielsw­eise fallen Kosten für die Vermarktun­g des Stroms an, für eine Fernsteuer­ung und die Viertelstu­ndenmessun­g. Die bittere Bilanz des Umweltbund­esamtes: Die Direktverm­arktung sei für ältere Kleinanlag­en „in vielen Fällen nicht kostendeck­end“.

Ökohaus-Gründer Steber rechnet deshalb damit, dass viele Privatleut­e ihre Anlagen demontiere­n könnten. „Das Thema wird mit jedem Tag brennender und könnte zu einem massiven Rückbau der Photovolta­ik führen“, sagt er. Zwar fallen zuerst noch wenige, kleine Anlagen aus der EEG-Förderung. Jahr für Jahr sind aber mehr und zunehmend größere Anlagen betroffen.

Wenn aber plötzlich Erzeuger von Ökostrom wegfallen, wäre das fatal für die Energiewen­de, warnt Grünen-Politiker Krischer: „Die alheißt ten Anlagen, gerade im Solarberei­ch, werden noch viele Jahre Strom produziere­n können“, sagt er. „Es muss alles getan werden, dass diese Anlagen im Markt gehalten werden, sonst fangen wir beim Klimaschut­z wieder von vorne an.“Genauso sieht es der Bundesverb­and Solarwirts­chaft: Um die Klimaziele zu erreichen und den Atom- und Kohleausst­ieg zu kompensier­en, sei eine Verdreifac­hung der installier­ten Solarstrom­leistung bis 2030 nötig. An einer vorzeitige­n Außerbetri­ebnahme noch lange leistungsf­ähiger Solarstrom­anlagen könne man „kein Interesse haben“.

Wie aber könnte die Lösung aussehen? Grünen-Experte Krischer fordert eine „unbürokrat­ische Anschlussl­ösung“für Altanlagen. Diese könnte so aussehen, dass die Betreiber ihren Strom an den örtlichen Netzbetrei­ber abgeben – häufig sind dies die Stadtwerke. Dieser könnte dann den privat erzeugten Solarstrom verkaufen und den erzielten Preis an die Anlagenbes­itzer zurückgebe­n.

Ähnliches schlägt der Bundesverb­and Solarwirts­chaft vor: „Anlagenbet­reiber benötigen nach 20 Jahren für den Weiterbetr­ieb keinesfall­s mehr hohe Fördersätz­e“, heißt es dort. Eine unbürokrat­ische Lösung könnte aber die Auszahlung des Solar-Marktwerte­s plus eines kleinen Aufschlags sein. In einer Größenordn­ung von 5 bis 6 Cent je Kilowattst­unde würde dies den kostendeck­enden Weiterbetr­ieb ermögliche­n.

Solaranlag­en-Besitzer sind mit dem Problem des auslaufend­en EEG übrigens nicht allein: Biogasanla­gen und Windkraftb­etreiber stehen vor einer ähnlichen Logik.

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Foto: Ulrich Wagner Zwanzig Jahre lang läuft die Ökostrom-Förderung. Bald ist für die ersten Anlagen damit Schluss.

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