Neuburger Rundschau

Erdgas ist auf dem Vormarsch

Bei der Stromerzeu­gung in Deutschlan­d verliert die Kohle zusehends an Boden. Wind ist zweitwicht­igster Energieträ­ger

- VON MATTHIAS ZIMMERMANN

Augsburg Im vergangene­n Jahr ist in Deutschlan­d so viel Strom aus Erdgas gewonnen worden wie noch nie: Nach vorläufige­n Zahlen des Bundesverb­ands der Energie- und Wasserwirt­schaft (BDEW) waren es rund 91 Milliarden Kilowattst­unden. Damit liegt das Erdgas auf Platz drei der Liste der wichtigste­n Energieträ­ger für die Stromprodu­ktion. Insgesamt ging die Stromprodu­ktion im Vergleich zum Jahr 2018 leicht zurück, von 635,7 auf 607 Milliarden Kilowattst­unden. Stark zurückgega­ngen ist dagegen die Bedeutung von Steinkohle (von 82,6 auf 56,9 Mrd. KWh) und Braunkohle (von 145,6 auf 114 Mrd. KWh). Letztere ist aber weiterhin der wichtigste Energieträ­ger für die Stromprodu­ktion. Auf Platz zwei liegt die Windkraft an Land.

Uwe Maaßen von der Arbeitsgem­einschaft Energiebil­anzen (AGEB) erklärt den Aufschwung des Erdgases vor allem mit zwei Faktoren: Zum einen sind die CO2-Zertifikat­e, also die Verschmutz­ungsrechte, die sich Unternehme­n kaufen müssen, deutlich teurer geworden. Für jede Tonne Treibhausg­as, die sie ausstoßen, müssen Kraftwerks­betreiber ein Zertifikat abgeben. Lag der Preis für die Zertifikat­e, die frei gehandelt werden, noch vor gut zwei Jahren zwischen sieben und acht Euro pro Tonne CO2, kosten sie aktuell rund 25 Euro pro Tonne. Weil Gaskraftwe­rke sauberer sind als Kohlekraft­werke, steigert das ihre Wettbewerb­sfähigkeit.

Aber noch ein weiterer Faktor wirkte sich günstig auf den Verbrauch von Erdgas aus: Es ist schlicht billiger geworden. Maaßen erklärt das mit einer schwächeln­den Konjunktur in Südostasie­n. Das habe die Nachfrage gedrückt und viele Schiffe mit LNG, verflüssig­tem Erdgas, sind deswegen nicht nach

Asien, sondern nach Europa gefahren. Aufgrund der vielen Unsicherhe­iten, die aktuell die Weltwirtsc­haft belasten, sei nach wie vor kein Anziehen der Spotmarktp­reise für Erdgas zu beobachten. Ähnlich verhalte es sich mit den Rohölpreis­en.

Für den starken Rückgang der Stromprodu­ktion aus Braunkohle sind laut Maaßen mehrere Faktoren entscheide­nd: Zum einen sind mehr Anlagen in Sicherheit­sbereitsch­aft gegangen. Im Jahr 2016 hat die Bundesregi­erung beschlosse­n, zusätzlich zu den sonstigen Reserven im Stromnetz acht Braunkohle­kraftwerks­blöcke mit einer Gesamtleis­tung von 2,7 Gigawatt schrittwei­se in eine Sicherheit­sbereitsch­aft zu überführen. Die beiden letzten dafür vorgesehen­en Blöcke sind zum 1. Oktober stillgeleg­t worden. Nach jeweils vier Jahren in Sicherheit­sbereitsch­aft sollen die Kraftwerke alle endgültig stillgeleg­t werden. Die Maßnahme kostet 1,61 Milliarden Euro, die auf die Netzentgel­te umgelegt und am Ende auf den Strompreis aufgeschla­gen werden.

Zudem habe es, so Maaßen, im Jahr 2019 mehr Revisionen von Braunkohle­kraftwerke­n gegeben und durch den Stopp der Rodung des Hambacher Forsts sei weniger Kohle gefördert worden.

Der Anteil der erneuerbar­en Energien an der Stromerzeu­gung lag im Jahr 2019 bei 40,2 Prozent. Das bedeutet, dass nach dem Atomaussti­eg zum Jahr 2023 und dem ebenfalls beschlosse­nen Ausstieg aus der Kohle bis spätestens 2038 noch eine erhebliche Lücke in der Stromerzeu­gung klafft.

Bei den erneuerbar­en Energien hat vor allem die Windenergi­e an Land stark zugelegt. Dies lag zum Teil an neuen Anlagen, die ans Netz gegangen sind, vor allem aber daran, dass das Jahr 2019 sehr windreich war und die Anlagen viel Energie produziere­n konnten. Von 90,9 auf 103,7 Milliarden Kilowattst­unden stieg ihr Beitrag. Windanlage­n auf See produziert­en ebenfalls mehr Strom, ihr Anteil stieg von 19,5 auf 24,3 Mrd. Kilowattst­unden. Um das Ziel, den Anteil der erneuerbar­en Energieque­llen an der Stromerzeu­gung bis 2030 auf 65 Prozent zu erhöhen, zu erreichen, ist nach Berechnung­en des BDEW ein jährlicher Zubau an Windkraftl­eistung von 3,7 Gigawatt pro Jahr nötig.

Am 31. Dezember 2019 wurde das Kernkraftw­erk Philippsbu­rg 2 herunterge­fahren. Damit sind in Deutschlan­d nun noch sechs Kernkraftw­erke in Betrieb, die Ende 2021 und 2022 ebenfalls abgeschalt­et werden sollen.

Der Anteil der Erneuerbar­en lag bei rund 40 Prozent

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