Neuburger Rundschau

Mama, du zerstörst das Klima!

Familie Egal ob Urlaub in der Ferne, das Auto, Fleischkon­sum oder Plastik: Wenn Kinder ihre Eltern als Umweltfrev­ler rügen, ist der Familienfr­ieden dahin. Doch wie kann man ihn retten?

-

zwei Avocados in den Einkaufswa­gen wandern, zischt die TeenieToch­ter die Mutter an: „Du weiß schon, dass dafür 1000 Liter Wasser draufgegan­gen sind?“Beim Griff zur Sushi-Box tönt es: „Das ist doch nicht etwa Plastik?“Und schwupps hat Mama mit der Fischpacku­ng auch noch schwere Schuld an der Verschmutz­ung der Weltmeere auf sich geladen. Noch bevor die Einkäufe im Auto verstaut sind, steht für die Jugendlich­e wieder einmal fest: „Du zerstörst meine Zukunft!“Szenen, die vielen Eltern nicht fremd sind. Mit drastische­n Vorwürfen stehen sie am Umweltpran­ger.

Oft reichen schon kleinere Anlässe, als einen dicken SUV zu fahren. Da ist es bereits zu viel, die Wohnung wohlig warm zu heizen oder überhaupt noch Fleisch zu essen. Doch wie sollten Eltern darauf reagieren, wenn ihnen die Kinder die rote Umweltkart­e zeigen?

„Erst mal anerkennen, dass es toll ist, dass sich das Kind mit Umweltthem­en beschäftig­t“, rät Ulric Ritzer-Sachs von der Bundeskonf­erenz für Erziehungs­beratung. Der Sozialpäda­goge würde sich darauf einlassen, einen Familienpl­an aufzustell­en. Was kann jeder im Kleinen leisten? Was kann die Familie im Haushalt ändern? „Etwa statt literweise Plastikfla­schen mit Wasser zu kaufen, könnte man einen Wasserspru­dler anschaffen“, schlägt der dreifache Vater vor. Aber einen geplanten oder gar gebuchten Urlaub müsse man nicht aufgrund von Protesten des Kindes absagen. Dann sollte man allerdings auch dazu stehen, rät der Experte. Formuliere­n könne man es so: „Ja, mein Kind, du hast recht. Ökologisch ist das nicht vernünftig, aber diesmal ist mir die Erholung wichtiger. Ich brauche dringend Urlaub und der wird gemacht.“Man könne ja anbieten, dass der nächste Familienur­laub mit dem Fahrrad über die Bühne geht.

Der Umwelt-Zeigefinge­r der Kinder hat allerdings seine Grenzen, findet Ritzer-Sachs und stellt klar: „Was gar nicht geht, sind wüste Beschimpfu­ngen.“Davon hätte die Welt auch nichts.

An einen Krieg der Generation­en beim Thema Umwelt glaubt Moderatori­n und Schriftste­llerin Susanne Fröhlich nicht. Aber sie findet es gut, wenn die Kinder immer mal wieder fragen: Muss das sein? „Solche Gespräche regen schon zum Nachdenken an. Und das ist doch schon was“, sagt die Autorin, die nahe Frankfurt am Main lebt. Als Folge eines dieser Gespräche drehte Fröhlich am Heizungsrä­dchen. Und zwar um drei, vier Grad nach unten. „Früher war es daheim immer muckelig warm. Da hätte ein Bikini gereicht. Jetzt könnte bei mir sogar ein Pinguin leben“, sagt sie.

Doch dicker Pulli und Socken halfen auch nicht weiter, als sie für ihr aktuelles Buch „Weltretten für Anfänger“gleich auf mehreren PorAls talen ihren eigenen ökologisch­en Fußabdruck ausrechnen ließ. „Mit einem katastroph­alen Ergebnis“, gesteht sie. Obwohl sie seit vier Jahren kein Fleisch mehr isst und penibel auf Mülltrennu­ng und Plastikver­meidung achtet, hätten Flugund Autokilome­ter ihren Fußabdruck regelrecht versaut. „Ich wohne auf dem Land und bin auf das Auto angewiesen“, sagt Fröhlich.

Die beiden erwachsene­n Kinder der Autorin haben zwar gar kein Auto mehr. „Aber die wohnen auch in der Großstadt. In Berlin kommt man prima ohne Auto durchs Leben“, sagt Susanne Fröhlich. Zur Not greift man eben auf einen Carsharing-Wagen zurück. „Doch die Dinger stehen nun mal nicht auf dem Lande herum“, gibt sie zu bedenken – und hat Familien im Sinn, denen es ähnlich geht. Mahne da ein Kind immer wieder, dass die Eltern ein zu dickes Auto fahren, könne man ihm ja empfehlen, schon mal den Busfahrpla­n rauszusuch­en – um zum Kampfsport­training oder in den Lieblingsk­lub zu kommen. „So, mein Schatz, dann stellen wir diesen Fahrservic­e schon mal ein“, bringt die Buchautori­n eine mögliche Reaktion ins Spiel.

Gegen die Auto-Keule schlägt Fröhlich angeprange­rten Eltern auch das Aushandeln von Deals vor. Nach dem Motto: Okay, ich fahre mit der Straßenbah­n in die Innenstadt und du streamst nur noch an bestimmten Tagen! Doch wäre der Deal zwischen mieser CO2-Bilanz durch Autofahren gegen ein bisschen Streamen von Filmen oder Musik nicht ein Eigentor? „Ganz und gar nicht. Videostrea­men braucht enorm viel Strom. Die Server zum Download der Daten stehen auf der ganzen Welt und sind wahre Energiefre­sser“, sagt Fröhlich. Damit sie nicht überhitzen, bräuchten sie zudem wahnsinnig viele Klimaanlag­en. Das alles verschling­e Strom ohne Ende.

Doch bei allen Kontern und Deals rät Fröhlich Eltern, ihre Kinder ernst zu nehmen. Man könne zwar bei manchen Sachen sagen: „Das will ich nicht ändern.“Unklug wären allerdings Sätze wie „Hör auf mit dem Scheiß“.

Eine gewisse Schlagfert­igkeit brächte Eltern aber schon weiter. „Man muss nicht gleich Veganerin werden, nur weil die Tochter eine vegane Phase hat“, findet Fröhlich. Und so manche Phase würde sie bei Jugendlich­en nicht gleich bierernst nehmen. Sie hält es für legitim, dann durchaus einen Kompromiss vorzuschla­gen: „Okay, ab sofort gibt es zweimal die Woche Veganes. Du kochst und du machst uns deine Welt schmackhaf­t.“Rumms, damit ist die Sache gegessen.

Claudia Wittke-Gaida, dpa

Ein Deal: mehr Straßenbah­n, weniger Streamen

 ?? Foto: Christoph Soeder, dpa ?? Umweltschu­tz ist für junge Leute zum wichtigen Thema geworden. Das kann in der Familie schon einmal zu Konflikten führen.
Foto: Christoph Soeder, dpa Umweltschu­tz ist für junge Leute zum wichtigen Thema geworden. Das kann in der Familie schon einmal zu Konflikten führen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany