Glücksgefühle und Sorgenfalten
Nach dem 3:0 gegen Chelsea deutet bei den Bayern alles auf eine Vertragsverlängerung von Trainer Flick hin. Allerdings trübt der Ausfall von Robert Lewandowski die Stimmung
London Im Glücksgefühl der nächsten rauschenden Münchner Fußballnacht in London überreichte Karl-Heinz Rummenigge beim Bankett ein symbolträchtiges Geburtstagsgeschenk an Hansi Flick. Das (titel-)reife 3:0 (0:0) im Champions-League-Achtelfinale beim FC Chelsea war gerade zwei Stunden alt, als der Vorstandsboss ein klares Zukunftssignal an den am Montag 55 Jahre alt gewordenen Trainer und Baumeister eines in Europa wieder machtvoll auftretenden Bayern-Teams übermittelte. Denn Rummenigge lüftete vor den lauschenden Edelfans, Sponsoren und mitreisenden Reportern auch gleich das Geheimnis, was sich „in dem roten Päckchen“befinde: „Ein Stift. Und mit Stiften unterschreibt man bei Bayern München manchmal auch Papiere.“
Am Tag danach wurde die sportliche Galavorstellung aber durch eine Hiobsbotschaft getrübt: Die Bayern müssen in den nächsten vier Wochen auf den verletzten Stürmerstar Robert Lewandowski verzichten. Damit fehlt der Pole dem Rekordmeister auch im DFB-Pokal-Viertelfinale am Dienstag beim FC Schalke 04. Lewandowski habe sich im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League „einen Anbruch der Schienbeinkante am linken Kniegelenk“zugezogen, teilte der Verein am Mittwoch mit.
Lewandowski, in London Torschütze zum 3:0-Endstand, fehlt damit auch in drei Wochen im Rückspiel gegen den FC Chelsea. In den wichtigen Bundesligaspielen bei Borussia Dortmund (4. April) und danach bei Bayer Leverkusen dürfte der Torjäger dann wieder dabei sein. Das Bein werde nun zehn Tage mit einem Gipsverband ruhiggestellt, danach solle bereits das Aufbautraining beginnen, hieß es in der Klub-Mitteilung.
Der Bayern-Star führt die Torjägerliste der Fußball-Bundesliga mit 25 Treffern vor dem Leipziger Timo Werner (21) an – im Kampf um die Torjäger-Kanone könnte die erneute Pause ein Rückschlag bedeuten.
Bereits Ende des Jahres hatte sich Lewandowski einer Operation unterziehen müssen. Nur wenige Stunden nach dem 2:0-Heimsieg der Münchner in der Bundesliga gegen
VfL Wolfsburg war der 31-Jährige an der linken Leiste operiert worden. Nur 29 Tage nach dem Eingriff stand Lewandowski dann beim Sieg der Münchner bei Hertha BSC wieder in der Startformation. Das Bayern-Trainingslager in Katar hatte er ausgelassen und in München an seiner Rückkehr gearbeitet, ein Pflichtspiel hatte er nicht verpasst. Diesmal wird es nicht so glimpflich ablaufen. Man darf gespannt sein, wie Trainer Hansi Flick diesen Ausfall kompensieren will.
Nach dem 3:0-Sieg gegen Chelsea wurde er von Rummenigge mit warmen Worten fast umschmeichelt, die Rummenigge bei FlickVorgänger Niko Kovac selbst nach dem Double-Gewinn 2019 nicht über die Lippen kommen wollten. „Mach es weiter so. Bleib, wie du bist. Wir sind sehr, sehr zufrieden mit dem, wie die Mannschaft spielt, mit den Ergebnissen und dem Fußball, den sie zelebriert.“
Flick hatte in den 90 Minuten zuvor an der Stamford Bridge, wo bis zum Dienstagabend noch keine deutsche Mannschaft gewonnen hatte, auf der europäischen Bühne den Eignungstest als Bayern-Coach mit der Bewertung summa cum laude bestanden. „Die Mannschaft hat die Vorgaben super umgesetzt“, lobte er seine Spieler, bevor er sich auf Rummenigges Absichtserklärung ein Weißbier gönnte.
Champagner könnte im Mai folgen für ein von Flick geformtes Bayern-Kollektiv, das in London perfekt harmonierte und in den beiden Torschützen Serge Gnabry und Robert Lewandowski, der vor seinem elften Königsklassentreffer der Saison Gnabry das 1:0 und 2:0 aufgelegt hatte, gleich zwei Matchwinner hatte. „Es tut immer gut, nach London zurückzukommen“, sagte der ehemalige Arsenal-Profi Gnabry, der schon in der Gruppenphase beim 7:2 bei Tottenham Hotspur viermal getroffen hatte.
„Chelsea weggefegt von Gnabry“, titelte die Londoner Times am Mittwoch und schrieb von einer weiteren „Erniedrigung“durch die „deutschen Giganten“auf britischem Boden. „Das ist eine Stadt, die mag uns, die mag Bayern“, bemerkte Rummenigge. Den Finalsieg 2013 in Wembley, das Tottenhamden
Torfest und jetzt das praktisch schon drei Wochen vor dem Rückspiel in München gebuchte Viertelfinal-Ticket gegen Chelsea, den Final-Albtraum von 2012, benannte der Bayern-Chef als Belege.
„Es war ganz wichtig, wieder ein Statement zu setzen“, sagte Kapitän Manuel Neuer – eines an alle Münchner Titel-Konkurrenten in Europa. „Ein 3:0-Auswärtsergebnis ist natürlich ein Träumchen“, meinte Thomas Müller: „So macht es Spaß, Anhänger und Spieler des FC Bayern zu sein.“Die Ü30-Spieler wie Neuer und Müller, die schon 2013 beim historischen Titel-Triple unter Jupp Heynckes dabei waren, spüren, dass sieben Jahre später unter Anleitung von Flick wieder etwas ganz Großes gelingen könnte. Man sei zum Champions-LeagueTriumph „absolut in der Lage“, verkündete Müller selbstbewusst: „Da geht was!“
Natürlich, in jeder weiteren K.-o.-Runde lauern Gefahren, ein schlechter Tag, der unkalkulierbare Faktor Glück oder Verletzungen. Wie schnell das gehen kann, erlebten die Bayern am Mittwoch.
Lewandowski muss zehn Tage Gips tragen