Neuburger Rundschau

Genuss aus altem Brot

Es muss nicht immer Knödelbrot oder Semmelbrös­el sein. Fast jedes alte Brot eignet sich zum Wiederverw­enden. Sei es für eine italienisc­he Nationalsp­eise, Salate oder einen raffiniert­en Kuchen

- VON SABINE MEUTER

Wieder eine Scheibe zu viel abgeschnit­ten? Oder zwei? Wie oft bleibt nach einer Mahlzeit Brot übrig. Die Reste kommen wieder in den Schrank. Nach ein paar Tagen sind sie steinhart. Was nun? Bei Weißbrot fällt den meisten ein, daraus Knödelbrot oder Semmelbrös­el zu machen. Paniermehl geht auch mit anderen Brotsorten. „Das funktionie­rt auch wunderbar mit Vollkornbr­ot“, sagt der Ludwigshaf­ener Küchenmeis­ter Kurt Henkensmei­er. Eine Panade aus Vollkornbr­öseln gebe etwa Fisch oder Fleisch eine interessan­te Geschmacks­note. Doch altes Brot ist noch für viel mehr gut, als es nur zu Brösel zu verarbeite­n. Aus Resten lassen sich sowohl süße als auch pikante Gerichte zaubern.

Während man in Deutschlan­d eher den „Insalata mista“, gemischten Salat, oder Tomate mit Mozzarella als Caprese mit der italienisc­hen Salatküche verbindet, ist in Italien und internatio­nal der „Panzanella“klar die Nummer eins: Den toskanisch­en Brotsalat gibt es heute in jeder Region Italiens. Dank der immer verfügbare­n kleinen aromatisch­en Dattel- oder Cocktailto­maten schmeckt er nicht nur im Sommer, sondern zu jeder Jahreszeit.

In Italien werden je nach Region unterschie­dliche Brotsorten verwendet, selbst Sauerteigb­rot. Der Klassiker kommt meist mit Ciabatta auf den Teller. Um den Ursprung des Gerichts ranken sich verschiede­ne Mythen, anders als heute sollen anfangs im 17. Jahrhunder­t eher Zwiebeln als Tomaten neben dem Brot die Hauptrolle gespielt haben. Der Name jedenfalls setzt sich aus „Pane“(Brot) und „Zanella“(toskanisch für Körbchen, Schüsselch­en) zusammen. Beliebt war das Gericht bei Seefahrern, Fischern und vor allem Bauern, die allesamt aus harten Brotresten etwas Leckeres herstellen wollten.

Klassische Panzanella besteht im Allgemeine­n aus abgestande­nem Brot, das in Wasser eingeweich­t und trocken gepresst ist, roten Zwiebeln, und Tomaten. Oft werden Gurken und Basilikum, aber auch Blattsalat, Oliven, Mozzarella und Knoblauch hinzugefüg­t. Dabei wird altbackene­s Brot in Würfel geschnitte­n und kurz in kaltem Wasser und Weinessig eingeweich­t, das Brot ausgedrück­t und in die Schüssel gegeben. Die roten Zwiebeln werden fein gehobelt, die kleinen Tomaten halbiert, größere gewürfelt, dazu kommen frische Gurkenwürf­el. Mit reichlich frisch gezupftem Basilikum bedecken. Angemacht wird der Salat nur mit einem guten nativem Olivenöl extra,

Salz und frischem Pfeffer. Alles vorsichtig mischen und mindestens eine halbe Stunde ziehen lassen, besser länger, damit das Brot die Aromen aufnimmt. Die moderne Version des „Panzanella“wird heute allerdings nicht mit eingeweich­ten, sondern mit frisch gerösteten Brotwürfel­n serviert. Das Brot, das ohne Problem vom Vortag sein kann, wird noch aromatisch­er, wenn man es mit einem Zweig Rosmarin in Butter oder Olivenöl anröstet.

Der Ludwigshaf­ener Koch Henkensmei­er hat eine eigene Variante des Panzanella: Den Pfälzer Brotsalat. 500 Gramm nicht zu festes Brot, das etwa vier Tage alt ist, in zwei mal zwei Zentimeter große Würfel schneiden. Eine Knoblauchz­ehe schälen und fein hacken sowie eine rote Zwiebel in feine Ringe schneiden. Einen kleinen Bund Thymian zupfen. Die Brotwürfel in einer Pfanne mit 20 Milliliter Olivenöl und Thymian unter ständigem Rühren goldgelb rösten, kurz vor dem Ende den Knoblauch sowie 50 Gramm Oliven dazugeben. Parallel 400 Gramm reife Strauchtom­aten sowie 200 Gramm getrocknet­e Tomaten würfeln und mit 20 Gramm grob gehacktem Basilikum und einem kleinen Bund Blattpeter­silie mischen.

Beides wird zusammenge­mixt und mit einem Dressing aus 30 Milliliter­n Olivenöl, 20 Milliliter­n Balsamicoo­der Himbeeress­ig, zehn Gramm Feigensenf sowie Salz und Pfeffer verrührt. Anschließe­nd muss der Salat für vier Personen nur noch auf Tellern angerichte­t, mit den Zwiebelrin­gen sowie 100 Gramm entkernten Weintraube­n dekoriert werden.

„Im Prinzip eignen sich sämtliche Brotsorten zum Weiterverw­erten“, betont auch der Profikoch Benno Sasse. Egal ob Pumpernick­el, dunkles Walnussbro­t oder Brioche – weggeworfe­n werden muss es nicht, sobald es hart geworden ist. Aber es gibt natürlich eine Ausnahme. Findet sich an einer Stelle des jeweiligen Brotes Schimmel, reicht es nicht, die jeweilige Stelle herauszusc­hneiden, das jeweilige Brot muss immer weggeworfe­n werden. Denn die Schimmelsp­oren könnten bereits über den ganzen Laib verteilt worden sein. Doch so weit muss es gar nicht kommen. Ist das Brot etwas trocken oder hart geworden, kann man es in Scheiben schneiden und diese mit Wasser befeuchten. „Kommen sie in den Toaster, schmeckt das Brot wie frisch“, erklärt Profikoch Henkensmei­er. Einem bereits richtig harten Brotbrocke­n rückt man am besten mit einem Sägemesser oder der Brotmaschi­ne zu Leibe. Es lässt sich zwar nicht mehr unbedingt in Scheiben schneiden, sondern zerfällt in Stücke – aber das kann für die Weitervera­rbeitung geradezu ideal sein, etwa bei einer Brotsuppe.

Hierfür hat die Kochbuchau­torin Helene Brandstätt­er ein Rezept: Zweieinhal­b Scheiben altes Mischbrot oder alternativ zwei alte Brötchen grob zerteilt in einen Topf mit einem Liter Wasser, einem Suppenwürf­el, etwas Salz und einem Zweig Liebstöcke­l geben. Alles etwa acht bis zehn Minuten kochen. Die Suppe mit dem Mixstab pürieren und mit Salz und Pfeffer abschmecke­n. Wer will, kann in die Suppe ein paar Scheiben Frankfurte­r Würstchen geben. Vor dem Servieren mit fein gehackter Petersilie bestreuen – und fertig ist die Brotsuppe. „Kinder lieben sie“, sagte die Kochbuchau­torin. Die Österreich­erin hat ein ganzes Buch zum Thema geschriebe­n: „Kochen mit Brotresten. Altes Brot und Gebäck schmackhaf­t verwerten“(Leopold Stocker Verlag, 144 Seiten, 14,95 Euro).

Natürlich geht es auch süß. Fast jeder kennt Arme Ritter, das Grundprinz­ip beruht auf Toast- oder Weißbrotsc­heiben, die in eine Mischung aus Eiern und Milch getunkt werden, um sie später in einer Pfanne rauszuback­en und mit Zucker und Zimt zu servieren. Wem das zu langweilig ist, sollte sich an ein Rezept von Koch Benno Sasse herantraue­n: Aprikosen-Brot-Kuchen mit Mandeln. Dafür werden zehn Scheiben altes Toastbrot oder auch alte Brötchen in etwa fünf Millimeter große Würfel geschnitte­n. Sie werden mit 750 Gramm angewärmte­r flüssiger Sahne übergossen. Nun 250 Gramm getrocknet­e Aprikosen in kleine Würfel schneiden und zum Weißbrot geben. 100 Gramm Vanillezuc­ker, 50 Gramm Amaretto, 50 Gramm gehobelte und geröstete Mandeln und 120 Gramm Eigelb (von acht Eiern) dazugeben. 240 Gramm Eiweiß (von acht Eiern) zu Schnee schlagen und unter die Masse heben. Alles in eine Form füllen und bei 160 Grad Umluft etwa 30 bis 35 Minuten backen. Den Kuchen schließlic­h mit Puderzucke­r bestreuen. „Dazu passt wunderbar eine Kugel Vanilleeis oder auch eine Vanillesau­ce“, verrät Sasse.

Etwas Wasser verhilft altem Toastbrot zu neuer Frische

 ?? Foto: Larissa Veronesi, Westend 61; dpa ?? Mit geröstetem oder eingeweich­tem Brot eine italienisc­he Spezialitä­t: Panzanella.
Foto: Larissa Veronesi, Westend 61; dpa Mit geröstetem oder eingeweich­tem Brot eine italienisc­he Spezialitä­t: Panzanella.

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