Der Landkreis wappnet sich
Das Gesundheitsamt rechnet demnächst auch mit einem Corona-Fall in Neuburg-Schrobenhausen. Dennoch warnen Experten davor, in Panik zu verfallen. Wie asiatisch aussehende Menschen die Angst zu spüren bekommen
Das Gesundheitsamt rechnet demnächst auch mit einem Corona-Fall in Neuburg-Schrobenhausen. Dennoch warnen Experten davor, in Panik zu verfallen.
Neuburg Tausende Tote gab es durch das Coronavirus bereits allein in China, elf in Italien. Und es breitet sich weiter aus – weltweit. Auch Deutschland hat es inzwischen voll erreicht. Es gibt nicht mehr nur Infizierte in Bayern, sondern auch in Nordrhein-Westfalen, RheinlandPfalz und Baden-Württemberg. Und im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen, in Ingolstadt und im Landkreis Eichstätt? Bislang ist in der Region kein Infizierter bekannt, teilten die jeweiligen Landratsämter am Donnerstag mit. Doch Dr. Johannes Donhauser, Amtsarzt im Neuburger Gesundheitsamt, rechnet fest damit, dass es innerhalb der nächsten vier Wochen im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen einen Fall geben wird.
Seit Montag mehren sich die Anrufe bei Donhauser, ungefähr 20 seien es bestimmt gewesen, schätzt der Arzt. In der Leitung sind besorgte Bürger, die aus Norditalien – etwa aus Venedig oder vom Gardasee – oder aus Südtirol zurückgekehrt sind. Bislang war aber keiner dabei, der sich in einem der Risikogebiete aufgehalten hatte. Diese Zonen sind klar definiert: die chinesische Provinz Hubei – inklusive der Stadt Wuhan, wo das Virus ausgebrochen ist – und die Städte Wenzhou, Hangzhou, Ningbo, Taizhou in der Provinz Zhejiang, außerdem in Südkorea die Provinz Gyeongsangbuk-do (NordGyeongsang), im Iran die Provinz Ghom und in Italien die Provinz Lodi (Lombardia) sowie die Stadt Vo in der Provinz Padua (Veneto).
Sollte doch einmal einer der Anrufer in einem dieser Gebiete gewesen sein, würde Donhauser Grippesymptome wie Husten oder Fieber abfragen, erklärt er. Weist jemand Symptome auf und war in einem Risikogebiet, dann spricht man von einem „heißen Verdachtsfall“. Nur ein „heißer Verdachtsfall“wird auf das Coronavirus getestet. Einfach vorsorglich einen Abstrich zu machen, sei weder nötig noch erlaubt, sagt der Amtsarzt. Getestet wird mit einem „Schnelltest“in einem Labor in Oberschleißheim, der allerdings ein paar Stunden dauert und dessen Ergebnis zweimal bestätigt werden muss. Erst dann kann eine Diagnose gestellt werden.
Damit sich das Virus nicht ausbreitet, werden Infizierte isoliert. Ein Single, der telefonisch das Gesundheitsamt kontaktiert hat, würde im eigenen Zuhause isoliert werden, sagt Donhauser. „Da würde ich selbst hinfahren und einen Abstrich im Nasen-Rachen-Raum machen.“Ein Familienvater würde hingegen eher im Krankenhaus versorgt werden, da die Ansteckungsgefahr für den Rest der Familie zu groß wäre.
Jedes Krankenhaus der Grundversorgung müsse in der Lage sein, einen Corona-Patienten zu behandeln, so der Amtsarzt. Im Krankenhaus gibt es Isolierzimmer, das sind Einzelzimmer mit Nasszellen, die auch bei anderen ansteckenden Krankheiten, wie zum Beispiel Influenza, zum Einsatz kommen. Die behandelnden Ärzte tragen Schutzkleidung, die aus einem speziellen Kittel, Handschuhen, einer Schutzbrille und einer Maske besteht. Ei
solchen Quarantäne geht ein Bescheid, eine sogenannte „Absonderungsanordnung“voraus, da es sich um einen Freiheitsentzug handelt, erklärt Donhauser. Das sei alles schon vorbereitet, damit man schnell reagieren könne. Insgesamt schätzt Donhauser das Coronavirus als „hoch ansteckend“, aber im Verlauf eher mild ein. Nach aktuellem Kenntnisstand auf jeden Fall deutlich weniger gefährlich als die Influenza, an der jährlich 15.000 bis 25.000 Menschen erkranken und zahlreiche sterben. Das Coronavirus erinnert ihn an die Schweinegrippe, die im Jahr 2011 auftrat.
Der Amtsarzt steht in engem Kontakt mit den Krankenhäusern in Neuburg und Schrobenhausen. Dr. Stephan Seeliger, ärztlicher Direktor an der KJF Klinik St. Elisabeth, teilt dazu auf Nachfrage mit: „Die KJF Klinik Sankt Elisabeth in Neuburg ist für eine mögliche Versorgung von Corona-Patienten gerüsner tet. Unser Krankenhaus verfügt über ausreichend Schutzkleidung und Schutzmasken, um im Versorgungsfall eine Übertragung auszuschließen. (...) Für unsere stationären Patienten würde bei einer Unterbringung von Corona-Patienten keine Gefahr bestehen.“
Dr. Martin Schreiber, ärztlicher Direktor am Kreiskrankenhaus, rät vor allem dazu, nicht in Panik zu verfallen. Zur Hysterie gebe es seiner Ansicht nach keinen Grund: Corona sei eine Viruserkrankung, die erkannt und behandelt werden könne. „Die Gesundheitseinrichtungen haben das im Griff“, ist sich Schreiber sicher.
Auch wenn sich das Virus selbst noch nicht in Neuburg ausgebreitet hat – die Angst davor geht bereits um. Das sieht man nicht nur an den Anrufen im Gesundheitsamt, sondern auch an den Reaktionen der Einheimischen auf asiatisch aussehende Menschen. Mia Cheng, die seit 15 Jahren in Neuburg lebt und sich als echte Neuburgerin fühlt, erzählt im Gespräch mit unserer Zeitung von folgendem Erlebnis: Sie möchte sich nicht beschweren, betont sie, aber sie sei kürzlich auf einer Geburtstagsfeier gewesen und plötzlich habe sie einer der Gäste völlig unvermittelt gefragt: „Hast du Fieber? Hast du das Virus?“Cheng konnte nur mit „Wie bitte?“antworten – zu mehr fehlten ihr die Worte. Keiner der anderen Gäste stand für sie ein. Auch eines ihrer drei Kinder sei in der Schule schon wegen des Coronavirus gehänselt worden.
Dabei ist die Angst der Neuburger unbegründet. Cheng ist zwar in Wuhan geboren und hat noch Verwandte dort, doch sei sie seit Jahren nicht mehr da gewesen und habe schon lange keinen persönlichen Kontakt mehr zu ihren Verwandten gehabt. Was in Wuhan los ist, bekommt die 41-Jährige über Nachrichten und Videos ihrer Verwandten mit. Sie sagt, die Lage in China sei schlimm, aber „gut organisiert“. Am Dienstag, 3. März, wird Cheng im Café Wort.Schatz in Neuburg ihr neues Buch vorstellen „dong le – Alltagschinesich für Geschäftsleute“. Nun befürchtet sie, dass niemand kommt – aus Furcht sich anzustecken. Dabei wäre es so wichtig, dass die Menschen ihr zuhören. Denn Mia Cheng will mit ihren Büchern und Vorträgen vor allem eines: Verständnis zwischen den Kulturen schaffen und mit Vorurteilen aufräumen. Termin Mia Cheng präsentiert am Mittwoch, 3. März, um 18 Uhr im Neuburger Café Wort.Schatz ihr Lehrbuch. Am 5. März beginnt in der Volkshochschule ihr Chinesisch-Kurs. Cheng beantwortet dann auch Fragen über ihre Heimat.