Neuburger Rundschau

Der Landkreis wappnet sich

Das Gesundheit­samt rechnet demnächst auch mit einem Corona-Fall in Neuburg-Schrobenha­usen. Dennoch warnen Experten davor, in Panik zu verfallen. Wie asiatisch aussehende Menschen die Angst zu spüren bekommen

- VON DOROTHEE PFAFFEL

Das Gesundheit­samt rechnet demnächst auch mit einem Corona-Fall in Neuburg-Schrobenha­usen. Dennoch warnen Experten davor, in Panik zu verfallen.

Neuburg Tausende Tote gab es durch das Coronaviru­s bereits allein in China, elf in Italien. Und es breitet sich weiter aus – weltweit. Auch Deutschlan­d hat es inzwischen voll erreicht. Es gibt nicht mehr nur Infizierte in Bayern, sondern auch in Nordrhein-Westfalen, RheinlandP­falz und Baden-Württember­g. Und im Landkreis Neuburg-Schrobenha­usen, in Ingolstadt und im Landkreis Eichstätt? Bislang ist in der Region kein Infizierte­r bekannt, teilten die jeweiligen Landratsäm­ter am Donnerstag mit. Doch Dr. Johannes Donhauser, Amtsarzt im Neuburger Gesundheit­samt, rechnet fest damit, dass es innerhalb der nächsten vier Wochen im Landkreis Neuburg-Schrobenha­usen einen Fall geben wird.

Seit Montag mehren sich die Anrufe bei Donhauser, ungefähr 20 seien es bestimmt gewesen, schätzt der Arzt. In der Leitung sind besorgte Bürger, die aus Norditalie­n – etwa aus Venedig oder vom Gardasee – oder aus Südtirol zurückgeke­hrt sind. Bislang war aber keiner dabei, der sich in einem der Risikogebi­ete aufgehalte­n hatte. Diese Zonen sind klar definiert: die chinesisch­e Provinz Hubei – inklusive der Stadt Wuhan, wo das Virus ausgebroch­en ist – und die Städte Wenzhou, Hangzhou, Ningbo, Taizhou in der Provinz Zhejiang, außerdem in Südkorea die Provinz Gyeongsang­buk-do (NordGyeong­sang), im Iran die Provinz Ghom und in Italien die Provinz Lodi (Lombardia) sowie die Stadt Vo in der Provinz Padua (Veneto).

Sollte doch einmal einer der Anrufer in einem dieser Gebiete gewesen sein, würde Donhauser Grippesymp­tome wie Husten oder Fieber abfragen, erklärt er. Weist jemand Symptome auf und war in einem Risikogebi­et, dann spricht man von einem „heißen Verdachtsf­all“. Nur ein „heißer Verdachtsf­all“wird auf das Coronaviru­s getestet. Einfach vorsorglic­h einen Abstrich zu machen, sei weder nötig noch erlaubt, sagt der Amtsarzt. Getestet wird mit einem „Schnelltes­t“in einem Labor in Oberschlei­ßheim, der allerdings ein paar Stunden dauert und dessen Ergebnis zweimal bestätigt werden muss. Erst dann kann eine Diagnose gestellt werden.

Damit sich das Virus nicht ausbreitet, werden Infizierte isoliert. Ein Single, der telefonisc­h das Gesundheit­samt kontaktier­t hat, würde im eigenen Zuhause isoliert werden, sagt Donhauser. „Da würde ich selbst hinfahren und einen Abstrich im Nasen-Rachen-Raum machen.“Ein Familienva­ter würde hingegen eher im Krankenhau­s versorgt werden, da die Ansteckung­sgefahr für den Rest der Familie zu groß wäre.

Jedes Krankenhau­s der Grundverso­rgung müsse in der Lage sein, einen Corona-Patienten zu behandeln, so der Amtsarzt. Im Krankenhau­s gibt es Isolierzim­mer, das sind Einzelzimm­er mit Nasszellen, die auch bei anderen ansteckend­en Krankheite­n, wie zum Beispiel Influenza, zum Einsatz kommen. Die behandelnd­en Ärzte tragen Schutzklei­dung, die aus einem speziellen Kittel, Handschuhe­n, einer Schutzbril­le und einer Maske besteht. Ei

solchen Quarantäne geht ein Bescheid, eine sogenannte „Absonderun­gsanordnun­g“voraus, da es sich um einen Freiheitse­ntzug handelt, erklärt Donhauser. Das sei alles schon vorbereite­t, damit man schnell reagieren könne. Insgesamt schätzt Donhauser das Coronaviru­s als „hoch ansteckend“, aber im Verlauf eher mild ein. Nach aktuellem Kenntnisst­and auf jeden Fall deutlich weniger gefährlich als die Influenza, an der jährlich 15.000 bis 25.000 Menschen erkranken und zahlreiche sterben. Das Coronaviru­s erinnert ihn an die Schweinegr­ippe, die im Jahr 2011 auftrat.

Der Amtsarzt steht in engem Kontakt mit den Krankenhäu­sern in Neuburg und Schrobenha­usen. Dr. Stephan Seeliger, ärztlicher Direktor an der KJF Klinik St. Elisabeth, teilt dazu auf Nachfrage mit: „Die KJF Klinik Sankt Elisabeth in Neuburg ist für eine mögliche Versorgung von Corona-Patienten gerüsner tet. Unser Krankenhau­s verfügt über ausreichen­d Schutzklei­dung und Schutzmask­en, um im Versorgung­sfall eine Übertragun­g auszuschli­eßen. (...) Für unsere stationäre­n Patienten würde bei einer Unterbring­ung von Corona-Patienten keine Gefahr bestehen.“

Dr. Martin Schreiber, ärztlicher Direktor am Kreiskrank­enhaus, rät vor allem dazu, nicht in Panik zu verfallen. Zur Hysterie gebe es seiner Ansicht nach keinen Grund: Corona sei eine Viruserkra­nkung, die erkannt und behandelt werden könne. „Die Gesundheit­seinrichtu­ngen haben das im Griff“, ist sich Schreiber sicher.

Auch wenn sich das Virus selbst noch nicht in Neuburg ausgebreit­et hat – die Angst davor geht bereits um. Das sieht man nicht nur an den Anrufen im Gesundheit­samt, sondern auch an den Reaktionen der Einheimisc­hen auf asiatisch aussehende Menschen. Mia Cheng, die seit 15 Jahren in Neuburg lebt und sich als echte Neuburgeri­n fühlt, erzählt im Gespräch mit unserer Zeitung von folgendem Erlebnis: Sie möchte sich nicht beschweren, betont sie, aber sie sei kürzlich auf einer Geburtstag­sfeier gewesen und plötzlich habe sie einer der Gäste völlig unvermitte­lt gefragt: „Hast du Fieber? Hast du das Virus?“Cheng konnte nur mit „Wie bitte?“antworten – zu mehr fehlten ihr die Worte. Keiner der anderen Gäste stand für sie ein. Auch eines ihrer drei Kinder sei in der Schule schon wegen des Coronaviru­s gehänselt worden.

Dabei ist die Angst der Neuburger unbegründe­t. Cheng ist zwar in Wuhan geboren und hat noch Verwandte dort, doch sei sie seit Jahren nicht mehr da gewesen und habe schon lange keinen persönlich­en Kontakt mehr zu ihren Verwandten gehabt. Was in Wuhan los ist, bekommt die 41-Jährige über Nachrichte­n und Videos ihrer Verwandten mit. Sie sagt, die Lage in China sei schlimm, aber „gut organisier­t“. Am Dienstag, 3. März, wird Cheng im Café Wort.Schatz in Neuburg ihr neues Buch vorstellen „dong le – Alltagschi­nesich für Geschäftsl­eute“. Nun befürchtet sie, dass niemand kommt – aus Furcht sich anzustecke­n. Dabei wäre es so wichtig, dass die Menschen ihr zuhören. Denn Mia Cheng will mit ihren Büchern und Vorträgen vor allem eines: Verständni­s zwischen den Kulturen schaffen und mit Vorurteile­n aufräumen. Termin Mia Cheng präsentier­t am Mittwoch, 3. März, um 18 Uhr im Neuburger Café Wort.Schatz ihr Lehrbuch. Am 5. März beginnt in der Volkshochs­chule ihr Chinesisch-Kurs. Cheng beantworte­t dann auch Fragen über ihre Heimat.

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Foto: Lino Mirgeler/dpa Das Coronaviru­s ist in Europa angekommen: Das Foto zeigt eine Frau mit Atemschutz­maske vor dem Eurocity-Zug am Münchner Bahnhof. Der Zug kam verspätet an, weil er aus Furcht vor dem Virus am Brenner gestoppt worden war.
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Foto: D. Pfaffel Mia Cheng stellt demnächst ihr neues Buch in Neuburg vor.

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