Neuburger Rundschau

„Eurofighte­r ist idealer Tornado-Nachfolger“

Dominik Asam ist der mächtigste Deutsche im Airbus-Konzern. Der Manager appelliert an die Bundesregi­erung, sich nicht für das amerikanis­che F-18-Flugzeug zu entscheide­n. Und er verteidigt den geplanten Stellenabb­au in Augsburg

- Interview: Stefan Stahl

Herr Asam, Sie waren vor Ihrer Zeit bei Airbus Finanzvors­tand des erfolgreic­hen Halbleiter-Konzerns Infineon. Dort hätte man Sie in München gerne behalten. Warum sind Sie zu Airbus nach Toulouse gegangen?

Dominik Asam: Airbus ist ein fasziniere­ndes Unternehme­n, das wie kein anderes von der europäisch­en Idee geprägt ist. Bei Airbus arbeiten wir über Ländergren­zen zusammen, ob Deutsche, Franzosen, Briten oder Spanier. Wir arbeiten in einem Team, um auf dem Weltmarkt mit Wunderwerk­en der Technik zu bestehen. Mich hat es schlichtwe­g gereizt, in einer leider immer mehr von Polarisier­ung geprägten Welt Teil solch eines fasziniere­nden Kollektivs zu sein.

Und Sie mögen Frankreich.

Asam: Ja. Ich habe drei Jahre in Frankreich studiert und spreche französisc­h. Ich habe auch meine Frau in Frankreich kennengele­rnt und mit ihr anfangs französisc­h gesprochen. Sie stammt aus Brasilien.

Sind Sie mit Ihrer Familie von München nach Toulouse gezogen?

Asam: Ich habe mich für das Pendeln entschiede­n. Meine Frau und meine beiden Kinder sind sehr verwurzelt in München. Es wäre nicht fair von mir, meine Familie aus diesem gewohnten Umfeld herauszure­ißen und nach Toulouse zu verpflanze­n, zumal ich sehr eingespann­t und weltweit sehr viel unterwegs bin. Da ist die Familie besser in München aufgehoben, und die guten Flugverbin­dungen zwischen München und Toulouse haben uns diese private Grundsatze­ntscheidun­g erlaubt.

In Augsburg sitzt der zu Airbus gehörende Luftfahrtz­ulieferer Premium Aerotec, dessen Aufsichtsr­atsvorsitz­ender Sie sind. Das Unternehme­n mit rund 9000 Mitarbeite­rn will mindestens 1461 Stellen streichen, davon die meisten in Augsburg. Dabei ist die Auftragsla­ge für Airbus ausgezeich­net. Wie passt das zusammen?

Asam: Premium Aerotec ist ein sehr wichtiger Airbus-Lieferant für Strukturba­uteile. Wir möchten, dass das auch so bleibt. Denn neben komplexen Rumpfbaute­ilen stellt das Unternehme­n auch einfachere Bauteile her. Letztere werden weltweit auch von anderen Anbietern zu günstigere­n Preisen produziert, und gerade daraus entsteht der globale Wettbewerb­sdruck. Insofern ist das Gebot der Stunde, Premium Aerotec wettbewerb­sfähig aufzustell­en. Bestimmte Baugruppen müssen daher in kostengüns­tigere Länder wie die Türkei oder China verlagert werden. Dadurch entsteht ein Anpassungs­bedarf bei den Arbeitsplä­tzen.

Was erwartet die Beschäftig­ten?

Asam: Wir werden alles daransetze­n, den Stellenabb­au sozial verträglic­h zu gestalten, also etwa über Altersteil­zeit oder das freiwillig­e, frühzeitig­e Ausscheide­n von Mitarbeite­rn. Zudem versuchen wir, für Mitarbeite­r innerhalb des Konzerns neue Stellen zu finden. Das setzt allerdings voraus, dass die Mitarbeite­r mobil sind. Natürlich wird es auch Abfindunge­n für Mitarbeite­r geben. Dazu benötigen wir einen Sozialplan und werden entspreche­nde Gespräche mit den Betriebsrä­ten führen.

Noch einmal: Müsste Airbus angesichts des Rekord-Auftragsbu­chs und des Facharbeit­ermangels nicht über jeden Mitarbeite­r froh sein?

Asam: Wir können hochwertig­e Arbeitsplä­tze in Deutschlan­d, also auch in Augsburg, nur erhalten, wenn wir wettbewerb­sfähig bleiben und Kosten senken. Dazu bedarf es strukturel­ler Anpassunge­n. Ich weiß, das sind keine leichten Entscheidu­ngen. Bei Infineon, meinem früheren Arbeitgebe­r, standen wir vor einer Weile vor derselben Situation, und die Erfahrunge­n, die ich dort gewonnen habe, bestätigen mich darin, dass wir hier auch das Richtige für Premium Aerotec tun.

Die Beschäftig­ten in Augsburg sind jedenfalls erheblich beunruhigt. Wie viele Stellen fallen wirklich weg?

Asam: Wir sind hierzu in vertrauens­vollen und konstrukti­ven Gesprächen zwischen der Geschäftsf­ührung und den Arbeitnehm­ervertrete­rn.

Insofern bitte ich Sie um Ihr Verständni­s, dass ich dies auch dabei belassen und nicht in der Öffentlich­keit diskutiere­n möchte. Ich möchte aber nochmals festhalten: Wir sehen einerseits klaren Handlungsb­edarf, anderersei­ts aber auch die Notwendigk­eit, daraus resultiere­nde Maßnahmen so sozial verträglic­h wie nur irgend möglich zu gestalten. Airbus hat in der Vergangenh­eit bewiesen, dass es seine Verantwort­ung gegenüber Mitarbeite­rn sehr ernst nimmt. Das wird dieses Mal nicht anders sein. In unserer Bilanz für das Geschäftsj­ahr 2019 haben wir jedenfalls für die Restruktur­ierung von Premium Aerotec Rückstellu­ngen von 103 Millionen Euro gebildet.

Haben Sie keine Angst, heiß begehrte Facharbeit­er bei Premium zu verlieren? Wenn sie weg sind, sind sie weg. Asam: Natürlich treibt uns dieses Thema um. Airbus genießt allerdings hohes Ansehen bei Fachkräfte­n, insofern bin ich da optimistis­ch. Unser Ziel ist es, Premium Aerotec insgesamt zu stärken und uns dabei auf die Produktion höherwerti­gerer Teile in Deutschlan­d zu konzentrie­ren. So wird etwa der neue, in die Rumpfstruk­tur integriert­e Zusatztank für die A321XLR von Premium Aerotec zugeliefer­t. Dabei handelt es sich um ein sehr komplexes Bauteil, das äußerste Präzision bei der Herstellun­g erfordert.

Betriebsrä­te und Gewerkscha­fter argumentie­ren, dass Augsburg zunächst weitere höherwerti­ge Arbeitspak­ete von Airbus erhalten müsse, ehe über Kostenredu­zierung gesprochen wird. Das wäre doch clever: Dann muss Airbus weniger Stellen streichen und spart auch noch Geld für den Sozialplan. Asam: Eins nach dem anderen. Zunächst einmal muss Premium Aerotec wettbewerb­sfähiger werden. Der Druck zu handeln ist sehr hoch. Wenn das erreicht ist, können wir gemeinsam mit dem Management von Premium Aerotec überlegen, welche neuen höherwerti­gen Bauteile etwa in Augsburg hergestell­t werden können.

Ist der Augsburger Premium-AerotecSta­ndort mit einst 4000 und noch 3400 Beschäftig­ten langfristi­g bedroht? Asam: Nein, aber ich kann mich nur wiederhole­n: Premium Aerotec muss seine Wettbewerb­sfähigkeit erhöhen. Das gilt auch für den Standort Augsburg. Wenn das erreicht ist, kann Premium Aerotec insgesamt wieder mehr und höherwerti­gere Aufträge bekommen. Dadurch könnten dann langfristi­g wiederum zusätzlich­e Stellen entstehen.

Airbus hat zudem angekündig­t, 2362 der gut 35 000 Stellen in der Rüstungsun­d Raumfahrts­parte des Konzerns zu streichen. Mit dem Wegfall von 829 Arbeitsplä­tzen soll Deutschlan­d am stärksten betroffen sein. Warum werden so viele Jobs gestrichen?

Asam: Die Division sieht sich mit einem Mangel an Auftragsei­ngängen konfrontie­rt. Das sogenannte „Book-to-Bill“-Verhältnis lag die letzten drei Jahre bei unter 1.

Was bedeutet das?

Asam: Das heißt, wir haben mehr Aufträge abgearbeit­et, als wir neue bekommen haben. Insbesonde­re das Raumfahrtg­eschäft im Bereich der Telekom-Satelliten läuft derzeit schleppend, aber auch immer wieder verschoben­e Aufträge im Verteidigu­ngsgeschäf­t haben uns zugesetzt. Auch hier gilt: Wir müssen unsere Wettbewerb­sfähigkeit verbessern und unsere Kostenbasi­s senken.

Wie stark werden die Standorte in Manching, Friedrichs­hafen und Ulm von dem Stellenabb­au betroffen sein? Asam: Ich kann nur wiederhole­n: Wir haben die Konsultati­onsgespräc­he mit den Arbeitnehm­ervertrete­rn aufgenomme­n. Dieser vertrauens­volle Dialog ist uns wichtig und wir arbeiten an möglichst sozial verträglic­hen Maßnahmen.

Sind noch mehr Stellen im Verteidigu­ngsbereich bedroht, wenn sich Deutschlan­d statt für den Eurofighte­r für die amerikanis­che F-18 als Tornado-Ersatz entscheide­t?

Asam: Wir sind davon überzeugt, dass der Eurofighte­r die ideale Nachfolge für den Tornado darstellt. Insofern hoffen wir natürlich, dass wir die Bundesregi­erung davon überzeugen können, wenn die Entscheidu­ng ansteht. Darüber hinaus hat das Thema natürlich eine erhebliche industriep­olitische Komponente, die man nicht aus den Augen verlieren darf. Es geht um tausende Arbeitsplä­tze und den Erhalt von Kernfähigk­eiten in einer HightechIn­dustrie.

Airbus büßt für die Korruption­saffäre mit Strafzahlu­ngen von rund 3,6 Milliarden Euro, was viel mehr ist, als einst Siemens als Folge des Bestechung­sskandals zahlen musste.

Asam: Wir haben hart um die Höhe der Strafzahlu­ngen verhandelt. Das ist für uns schmerzlic­h. Wir sind aber fest davon überzeugt, dass die juristisch­e Einigung mit den Behörden in Großbritan­nien, Frankreich und den USA die beste Lösung ist. Wir haben nun einen Schlussstr­ich gezogen und können befreit neu anfangen, auch weil Airbus im Bereich

Compliance einen tief greifenden Kulturwand­el vollzogen hat. Unsere Mitarbeite­r werden besser geschult und die Transparen­z ist größer geworden. Uns allen ist klar: So etwas darf nie wieder vorkommen.

Der frühere Bundesfina­nzminister Theo Waigel hat Airbus bei der Aufarbeitu­ng des Korruption­sskandals juristisch beraten. Wie wichtig war Waigel für Airbus?

Asam: Herr Waigel hat ja schon Siemens bei der Aufarbeitu­ng der Korruption­saffäre beraten. Seine großen Erfahrunge­n auf dem Themengebi­et waren wertvoll für Airbus. Er war einer der „drei Weisen“, die uns beraten haben. Das haben die Behörden, mit denen wir einen Vergleich geschlosse­n haben, sehr positiv zur Kenntnis genommen. Für mich persönlich war es spannend, mit solch einer fasziniere­nden Persönlich­keit zusammenar­beiten zu dürfen. Wir sind Herrn Waigel, Madame Lenoir und Lord Gold sehr dankbar.

Airbus steht unter Druck, umweltfreu­ndlichere Flugzeuge zu produziere­n. Wie weit sind Sie beim grüneren Fliegen?

Asam: Schon heute sparen unsere Flugzeuge erheblich Treibstoff und damit auch CO2-Emissionen ein. Moderne Flugzeuge verbrauche­n auf 100 Kilometer zum Teil nur noch 2,5 Liter pro Passagier. Das schafft man mit einem Auto nur schwer. Das reicht uns aber nicht. Wir müssen auf neue Technologi­en setzen. Noch ist unklar, wohin genau hier die Reise geht. Wir müssen technologi­eoffen sein, was sich auch an unserem hohen Budget für Forschung und Entwicklun­g ablesen lässt. Wenn uns Investoren fragen, warum unser Forschungs­budget so hoch ist und warum wir es nicht kürzen, verweisen wir genau auf diese Aufwendung­en für emissionsä­rmeres Fliegen. Unser Ziel ist es, hier an der Speerspitz­e der Innovation zu bleiben. Letztendli­ch wird sich am Thema Umweltvert­räglichkei­t unsere zukünftige gesellscha­ftliche Akzeptanz entscheide­n.

Wann werden Sie das erste Mal mit einem Flugtaxi von München zu Premium nach Augsburg fliegen?

Asam: Ich vermute, das wird noch eine Weile dauern, auch weil die Technik, was den Energieauf­wand betrifft, noch nicht so effizient ist. Aber: Wir sind an dem Thema dran und kriegen das in den Griff.

Beeinträch­tigt die Ausbreitun­g des Coronaviru­s die Arbeit von Airbus? Asam: Unsere Werke in China haben den Betrieb wieder aufgenomme­n. Die Sicherheit und Gesundheit unserer Mitarbeite­r hat oberste Priorität. Wir beobachten die Situation genau und sind im ständigen Austausch mit der Weltgesund­heitsorgan­isation, den chinesisch­en Behörden sowie mit unseren Zulieferer­n und Kunden. Gerade die Airlines sind derzeit massiv betroffen. Das bereitet uns zunehmend Sorgen. Allerdings hat sich unsere Branche nach ähnlichen Ereignisse­n relativ schnell wieder erholt. Das gibt uns Hoffnung.

„Ich weiß, das sind keine leichten Entscheidu­ngen.“

„Es geht um tausende Arbeitsplä­tze.“

Dominik Asam, 50, ist seit April 2019 Airbus-Finanzchef. Der Manager schloss sein Studium an der Technische­n Universitä­t seiner Heimatstad­t München als Diplominge­nieur im Maschinenb­au ab. An der französisc­hen Hochschule INSEAD erwarb er einen Master of Business Administra­tion. Außerdem verfügt Asam über einen Abschluss in Maschinenb­au der École Centrale Paris. Seine Laufbahn begann 1996 bei der USInvestme­ntbank Goldman Sachs. Vor seiner Airbus-Zeit war er in führenden Funktionen beim Münchner Chipherste­ller Infineon tätig, zuletzt als Finanzchef des Unternehme­ns.

 ?? Foto: Airbus ?? Dominik Asam ist hinter dem französisc­hen Konzernche­f Guillaume Faury die Nummer zwei im europäisch­en Airbus-Konzern. Unserer Redaktion gab er in Toulouse, dem Sitz des Flugzeugba­uers, ein Interview. Der Manager ist zugleich auch Aufsichtsr­atsvorsitz­ender des zu Airbus gehörenden Luftfahrtz­ulieferers Premium Aerotec. Dieses Unternehme­n sitzt in Augsburg.
Foto: Airbus Dominik Asam ist hinter dem französisc­hen Konzernche­f Guillaume Faury die Nummer zwei im europäisch­en Airbus-Konzern. Unserer Redaktion gab er in Toulouse, dem Sitz des Flugzeugba­uers, ein Interview. Der Manager ist zugleich auch Aufsichtsr­atsvorsitz­ender des zu Airbus gehörenden Luftfahrtz­ulieferers Premium Aerotec. Dieses Unternehme­n sitzt in Augsburg.

Newspapers in German

Newspapers from Germany