Neuburger Rundschau

Corona: Ein Betroffene­r erzählt

Im Raum Landsberg brach das Virus erstmals in Deutschlan­d aus. Ein Mann infizierte sich bei seinem Spezl. Jetzt berichtet er, wie es ihm erging. Maßnahmen in Neu-Ulm und Mittelfran­ken

- VON STEPHANIE MILLONIG UND SEBASTIAN MAYR

Landsberg/Neu-Ulm Wie fühlt sich Corona an? „Bei mir war es nur ein leichter Schnupfen“, erzählt ein 26-Jähriger aus dem Landkreis Landsberg, der der erste CoronaPati­ent in Spanien war: Er hatte das Virus aus Deutschlan­d nach La Gomera mitgebrach­t und war dort 14 Tage in Quarantäne.

Ausgangspu­nkt des ersten Corona-Ausbruchs in Deutschlan­d war die Firma Webasto in Stockdorf im Landkreis Starnberg. Dort hatte sich ein Mitarbeite­r im Januar bei einer Kollegin aus China infiziert. „Ein Spezl von mir arbeitet bei Webasto und hat sich bei diesem angesteckt“, erzählt der junge Mann. Und er habe am letzten Januarwoch­enende mit diesem Spezl mehrere Stunden verbracht. Zwei Tage später flog der 26-Jährige mit Arbeitskol­legen in den Urlaub nach La Gomera. Und kam dort in Quarantäne, als in Deutschlan­d bei seinem Freund, dem Webasto-Mitarbeite­r, das Virus festgestel­lt wurde.

Die sechs deutschen Urlauber wurden alle untersucht, nur bei ihm wurde das Virus festgestel­lt. Also wurde er bis zum 14. Februar im Krankenhau­s isoliert. Das Schlimmste sei für ihn die Ungewisshe­it gewesen, wie es weitergeht,

die Angst vor der Erkrankung an sich. „Es war eine blöde Situation, man fühlt sich wie ein Gefangener.“Er habe nur einen leichten Schnupfen gehabt, mit solchen Erkältungs­symptomen wäre er ansonsten sicherlich in die Arbeit gegangen. Unterhaltu­ng sei im Krankenhau­s nur auf Englisch möglich gewesen, er könne kein Spanisch. Mit einem Arzt und einer Schwester habe die Konversati­on jedoch recht gut geklappt. „Am fünften Tag hat dann auch das WLAN funktionie­rt“, erzählt der Corona-Patient. Ihm seien auch Bücher gebracht worden. Trotzdem sei ihm langweilig gewesen, so ganz alleine isoliert.

Seine mitgereist­en Kollegen hatten das Krankenhau­s nach einigen Tagen verlassen dürfen, als bei ihnen keine Symptome auftraten und bei den Proben kein Virusnachw­eis vorlag. Sie blieben jedoch auch während der möglichen Inkubation­szeit von 14 Tagen in Quarantäne in ihrem Ferienhaus.

Während er im Krankenhau­s war, bemerkte der 26-Jährige schon eine gewisse Hysterie in seinem Bekanntenk­reis im Hinblick auf die hoch ansteckend­e Krankheit. Der 26-Jährige hat aber niemanden angesteckt. Froh sei er vor allem, dass bei Freunden mit drei kleinen Kindern nichts passiert ist, zu denen er zwei Tage vor der Abreise nach La

Gomera noch Kontakt gehabt habe. Mittlerwei­le hält sich die Hysterie in Grenzen, „ich hänge es aber auch nicht an die große Glocke“.

In den Landkreise­n Landsberg und Starnberg gelang es im Februar, den ersten Ausbruch von Corona in Deutschlan­d zu stoppen. „Die Kontaktweg­e konnten schnell eingekreis­t werden“, erläutert der Pressespre­cher des Landratsam­ts in Landsberg, Wolfgang Müller. Der Fokus lag auf der Firma Webasto, Kontaktper­sonen der Erkrankten in den umliegende­n Landkreise­n wurden laut Müller schnell ermittelt und isoliert. 14 Corona-Patienten wurden gefunden und in Krankenhäu­sern behandelt, Personen, die mit ihnen in Berührung kamen, wurden daheim isoliert. Laut Gesundheit­sministeri­um befindet sich noch ein Patient dieser ersten Corona-Welle in Bayern im Schwabinge­r Krankenhau­s in München.

Pressespre­cher Müller berichtet weiter, dass die Quarantäne auf freiwillig­er Basis stattgefun­den habe. Das Landratsam­t könne jedoch bei möglichen Kontaktper­sonen eine häusliche Isolation anordnen oder auch Quarantäne für tatsächlic­h erkrankte und positiv getestete Personen.

Dagegen haben die zuständige­n Gesundheit­sämter bei vier Kinobesuch­ern des Neu-Ulmer Dietrichwe­niger

Theaters Quarantäne angeordnet. Bei ihnen handelt es sich um Sitznachba­rn des Corona-Patienten aus Göppingen, der am Samstag die 20-Uhr-Vorstellun­g des Films „Bad Boys for Life“angesehen hat. Am Mittwoch hatte das Neu-Ulmer Gesundheit­samt die Filmfreund­e wie berichtet dazu aufgerufen, sich zu melden und auf Symptome zu achten. Wo die vier identifizi­erten Sitznachba­rn des Corona-Patienten leben,

Besucher umwickeln ihre Hände mit Klopapier

behielt die Behörde mit Verweis auf die ärztliche Schweigepf­licht für sich. Im Kreis Neu-Ulm gebe es keine Krankheits­fälle.

Vier weitere Sitznachba­rn des Mannes haben sich noch nicht gemeldet. Auch für sie bestand ein Infektions­risiko. Besorgte Bürger haben beim Gesundheit­samt Neu-Ulm angerufen, die Angst vor dem Virus ist spürbar: Ein Ulmer Geschäftsi­nhaber bittet Besucher des betroffene­n Films, seinen Laden nicht zu betreten. Im Dietrich-Theater umwickelte­n Besucher ihre Hände am Mittwoch mit Toilettenp­apier, bevor sie die WC-Klinke berührten. Gestern Abend wurde aus Mittelfran­ken eine Erkrankung nach Kontakt mit einem Italiener gemeldet.

Newspapers in German

Newspapers from Germany