Neuburger Rundschau

Skandalöse Geldgesche­nke?

Kurz vor der Kommunalwa­hl kocht der Streit um die Straßenaus­baubeiträg­e wieder hoch. Ex-Minister Pschierer kritisiert Härtefallf­onds – sehr zum Ärger der Freien Wähler

- VON ULI BACHMEIER

München Eigentlich schien der heftige Streit um Straßenaus­baubeiträg­e längst beigelegt. Sie wurden zum 1. Januar 2018 auf Druck der Freien Wähler abgeschaff­t. Um mögliche unnötige Härten für Hausbesitz­er auch rückwirken­d abzufedern, wurde danach zusätzlich ein Härtefalla­usgleich beschlosse­n. 50 Millionen Euro sind im Topf. Doch dieses Geld, so befürchtet Ex-Wirtschaft­sminister Franz Pschierer (CSU), kommt möglicherw­eise nur zum Teil bei den Bürgern an, die es am nötigsten hätten. Für Wohlhabend­ere seien die Ausgleichs­zahlungen dagegen ein „Geldgesche­nk“. Das sei „skandalös“.

Für die Freien Wähler war der Kampf gegen die kommunalen Straßenaus­baubeiträg­e ein Paradeproj­ekt. Schon in ihrer ersten Regierungs­zeit unter Ministerpr­äsident Horst Seehofer (CSU) setzten sie gegen vielfältig­e Widerständ­e die Abschaffun­g durch. Seit 1. Januar 2018 müssen Grundstück­sbesitzer nichts mehr beisteuern, wenn ihre Kommune die Straße vor ihrer Haustür erneuert oder ausbaut. Doch die Lösung des ersten Problems zog ein zweites Problem nach sich: Die Abschaffun­g war an den Stichtag gebunden. Anwohner, die von ihrer Stadt oder Gemeinde – mehr oder weniger zufällig – schon vor dem 1. Januar 2018 zur Kasse gebeten worden waren, wären die Dummen gewesen. In den Koalitions­verhandlun­gen mit der CSU setzten die Freien Wähler deshalb auch noch den Härtefallf­onds durch, und zwar für Haus- und Grundstück­sbesitzer, die in den Jahren 2014 bis 2017 Beiträge bezahlt hatten.

Nach Ansicht des Kaufbeurer CSU-Abgeordnet­en Franz Pschierer läuft dabei einiges schief. Er rechnet vor, dass bei insgesamt 14500 Anträgen, die fristgerec­ht eingegange­n sind, im Schnitt pro Antrag „gerade einmal rund 3500 Euro“zur Verfügung stehen. Gleichzeit­ig kritisiert er die hohen Einkommens­grenzen für die Anträge: 100 000 Euro brutto pro Jahr für Ledige, 200000 Euro für Ehepaare. Viele der ausgeschüt­teten Beiträge, so Pschierer, seien „nichts anderes als ein gern angenommen­es Geldgesche­nk für diejenigen, die aufgrund ihrer Einkommens­verhältnis­se auf diese Gelder eigentlich gar nicht angewiesen sind“. Ein Ehepaar mit 200000 Euro Jahreseink­ommen noch als „Härtefall“zu behandeln, „ist schlichtwe­g skandalös“. So könne man mit dem Geld des Steuerzahl­ers nicht umgehen, kritisiert Pschierer. Die Regelung setze „eindeutig falsche Anreize“und habe außerdem zur Folge, „dass für die wirklich bedürftige­n Haus- und Grundbesit­zer mit geringem Einkommen weniger Mittel aus dem zur Verfügung stehenden Budget in Höhe von 50 Millionen Euro übrig bleiben“.

Bei den Freien Wählern stößt Pschierers öffentlich­e Kritik auf scharfen Widerspruc­h. „Das kann ich nur unter dem Gesichtspu­nkt sehen, dass wir kurz vor der Kommunalwa­hl stehen“, sagt FW-Fraktionsv­ize Joachim Hanisch auf Anfrage. Er verweist darauf, dass die Härtefallr­egelung gemeinsam ausgehande­lt und unter Beteiligun­g von Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) bereits vergangene­s Jahr beschlosse­n worden sei. „Es ist nicht so, dass es da eine Kampfabsti­mmung gegeben hätte.“Auch dass das Geld möglicherw­eise nicht ausreiche, um alle zufriedenz­ustellen, ist laut Hanisch nicht den Freien anzulasten. „Wenn Herr Pschierer sich jetzt aufregt, dann sollte ihm ins Stammbuch geschriebe­n werden, dass wir mehr als 50 Millionen Euro wollten“, sagt Hanisch.

Pschierer kontert: „Das hat mit der Kommunalwa­hl überhaupt nix zu tun.“Er habe schon im Dezember eine Anfrage gestellt, bisher aber keine offizielle Antwort bekommen. Auch der Vize-Chef des Innenaussc­husses, Manfred Ländner (CSU), lässt keinen Zweifel daran zu, dass die Regelung auf ausdrückli­chen Wunsch der Freien Wähler zustande kam. Es sei von Anfang an klar gewesen, dass ein Härtefallf­onds neue Härten produziere. „Hätten wir keinen Fonds, wäre das ganze Thema vermutlich längst erledigt“, sagt Ländner.

Wie das Geld konkret aufgeteilt wird, darüber soll jetzt eine unabhängig­e Kommission unter Vorsitz des früheren Präsidente­n des Obersten Rechnungsh­ofs, Heinz FischerHei­delberger, entscheide­n.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar auf der ersten Bayernseit­e.

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Foto: David Inderlied, dpa Der Streit um die Straßenaus­baubeiträg­e geht in die nächste Runde: Jetzt gibt es Ärger um die Verteilung der Gelder aus dem Härtefallf­onds.

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