Endlos-Streit um billiges Silikon
Ob Krankenkassen OP-Kosten einklagen können, ist unklar
Karlsruhe Minderwertige Brustimplantate aus Industriesilikon eines französischen Herstellers haben viele Frauen geschädigt. Ob sich Krankenkassen die Kosten für notwendige Operationen zum Austausch der reißanfälligen Implantate zurückholen können, ist auch nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) noch nicht klar.
Der VII. Senat hob das Urteil des Oberlandesgerichts Nürnberg auf, das eine Haftung des TÜV Rheinland schon aus Rechtsgründen ausgeschlossen hatte. Die AOK Bayern hatte für 26 Patientinnen Operationskosten von insgesamt mehr als 50000 Euro eingefordert. Beim insolventen und liquidierten Hersteller Poly Implant Prothèse (PIP) ist nichts mehr zu holen.
Nach dem BGH-Urteil muss das OLG jetzt inhaltlich prüfen, ob eine Verschuldenshaftung des TÜV Rheinland infrage kommt. Grundlage ist der Paragraf 823 des Bürgerlichen Gesetzbuches, wonach zu Schadenersatz verpflichtet ist, wer vorsätzlich oder fahrlässig einen Schaden verursacht oder gegen ein Gesetz verstößt, das dem Schutz eines anderen dient.
Der TÜV Rheinland hatte als „Benannte Stelle“Qualitätssicherung und Dokumentation von PIP geprüft, damit der Hersteller CEKennzeichen an seinen Produkten anbringen konnte. Diese sind nach dem Medizinproduktegesetz Voraussetzung für den Einsatz in Deutschland. Die Einhaltung der Regeln diene dem Schutz der Gesundheit der Empfänger. „Die Gewährleistung dieses Schutzes obliegt dabei nicht allein dem Hersteller selbst, sondern auch der Benannten Stelle“, sagte der Vorsitzende Richter Rüdiger Pamp in der Urteilsbegründung. Die Benannte Stelle diene nicht nur dem Hersteller, „sondern gerade auch den Endempfängern der Medizinprodukte“.
Der Hersteller PIP hatte nur dann ordnungsgemäße Implantate produziert, wenn der TÜV Rheinland oder französische Behörden im Unternehmen waren, und anschließend wieder Industriesilikon eingesetzt. Die Anwältin des TÜV Rheinland hatte in der Verhandlung im September argumentiert, die Prüfer hätten keine Zwangsmöglichkeiten und könnten nicht durchgreifen. Pamp hielt dem in der Urteilsbegründung entgegen, dass die Prüfer zum Beispiel das Recht zu unangemeldeten Besuchen hätten und bei Verdacht einzelne Produkte prüfen könnten.
In einer früheren Entscheidung hatte der BGH-Senat festgestellt, dass einer betroffenen Frau aus Ludwigshafen kein Schadenersatz vom TÜV Rheinland zusteht.