Neuburger Rundschau

Zuerst kommt Klinsmann

Seine Tagebücher erschütter­n Hertha BSC Berlin. Rangnick sieht sich zu einer Klarstellu­ng genötigt

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Berlin Die vernichten­de Kritik aus den Klinsmann-Tagebücher­n wird in den Chaos-Wochen von Hertha BSC zur schweren Last für den Abstiegska­mpf. Fast schon flehentlic­h beschwor der in den Protokolle­n für den früheren Trainer Jürgen Klinsmann scharf attackiert­e Manager Michael Preetz die Konzentrat­ion auf das direkte Duell bei Fortuna Düsseldorf. „Wir wollen versuchen, den Spagat hinzukrieg­en, den Fokus auf das schwere Auswärtssp­iel zu richten“, sagte der Geschäftsf­ührer vor der Partie am Freitagabe­nd (20.30 Uhr/DAZN).

Doch auch mehr als zwei Wochen nach dem völlig überrasche­nden Rücktritt von Klinsmann dreht sich beim Berliner Fußball-Bundesligi­sten alles wieder um den Ex-Bundestrai­ner. Lothar Matthäus unterstell­te seinem früheren Mitspieler aufgrund der an die Öffentlich­keit geratenen Aufzeichnu­ngen Egoismus. „Er ist eben, wie er ist. Zuerst kommt Jürgen, dann Jürgen, dann noch mal Jürgen und dann der Rest. Er sucht keine Schuld bei sich, sondern nur bei den anderen“, sagte der Rekord-Nationalsp­ieler bei Sky.

Investor Lars Windhorst, der seinem einstigen Vertrauens­mann zuletzt mit deutlichen Worten die Rückkehr in den Hertha-Aufsichtsr­at versagt hatte, hüllte sich am Donnerstag auf Anfrage in Schweigen. Nach dem Knall beim Klinsmann-Aus als Trainer hatte der Geldgeber noch demonstrat­iv den Schultersc­hluss mit Preetz und Hertha-Präsident Werner Gegenbauer geübt. Die in den Protokolle­n erhobenen Vorwürfe klassifizi­erte Gegenbauer nun pauschal in einem Brief an die Mitglieder als „falsch oder einfach nur unsinnig“. Ralf Rangnick sah sich zumindest zu einer Klarstellu­ng genötigt. Nach Kontaktauf­nahme durch Klinsmann sei Preetz nicht der Grund gewesen, warum er Hertha im vergangene­n Herbst abgesagt habe, ließ der ExBundesli­gatrainer ausrichten. Rangnick habe auf seinen laufenden Vertrag bei RB Leipzig verwiesen, sagte Marc Kosicke der Bild. „In keiner Weise hat Ralf davon gesprochen, dass er ein Engagement ausschließ­t, weil Michael Preetz dort Geschäftsf­ührer

Sport ist und damit sein Vorgesetzt­er wäre.“In dem durch die Sport Bild veröffentl­ichten Protokoll hieß es, dass Rangnick mitgeteilt hätte, dass er mit Preetz als seinem Vorgesetzt­en nicht kommen werde. Der Manager befindet sich für die kommende Saison erneut auf Trainersuc­he. Nicht nur die Abrechnung mit Preetz, dem in dem 22-seitigen Papier unter anderem „jahrelange katastroph­ale Versäumnis­se“und „katastroph­ale aktuelle Kaderplanu­ng“vorgeworfe­n werden, sowie der gesamten Klub-Spitze („keine Leistungsk­ultur“, „Lügenkultu­r“) hallen nach. Auch die Spieler haben die teils harschen Urteile über sie vernommen. Ersatztorw­art Thomas Kraft, dem Klinsmann attestiert­e, keinen Mehrwert zu haben, machte sich im Training darüber lustig. Nach einer Parade rief er: „Ich muss doch den Mehrwert steigern!“

Beim 2:1-Sieg beim Schlusslic­ht SC Paderborn vor zwei Wochen hatte sich sein Team vom Wirbel um den Klinsmann-Abgang zunächst weitgehend unbeeindru­ckt gezeigt, leistete sich dann durch das 0:5 gegen den 1. FC Köln aber einen fußballeri­schen Offenbarun­gseid. Schon mit diesem desaströse­n Auftritt war die Stimmung bei Hertha eigentlich am Tiefpunkt angekommen.

Sollte auf das nächste Nachbeben der Kurzzeit-Ära von Klinsmann nun der neuerliche sportliche Absturz folgen, wäre der Vorsprung auf den derzeitige­n Tabellen-16. aus Düsseldorf auf nur noch drei Punkte geschrumpf­t. „Wir wollen die Hertha unbedingt mit unten reinziehen“, betonte FortunaCoa­ch Uwe Rösler deshalb. Die neuen Schlagzeil­en abseits des Platzes bei Hertha ließ Düsseldorf­s neuer Trainer unkommenti­ert – zur Ruhe kommen dürften die Berliner dadurch aber noch lange nicht.

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Foto: Andreas Gora, dpa

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