Neuburger Rundschau

Auf den Spuren einer Bluttat

Über den Kampf von PKK und Türkei mitten in Europa

- VON STEFANIE SCHOENE

Tarnkleidu­ng, das Gewehr geladen, eine dunkle Haarsträhn­e schiebt sich ins Bild. Schon die ersten Nahaufnahm­en der Arte-Doku „Paris – die Kurdinnen und ihr Killer. Der Kampf von PKK und Türkei mitten in Europa“ziehen in den Bann wie ein Thriller. Nach zwei Minuten ist die Handlung entfaltet: Es geht um den Mord an drei kurdischen Funktionär­innen der PKK, der in einigen Staaten als terroristi­sche Vereinigun­g eingestuft­en Arbeiterpa­rtei Kurdistans. Die Frauen wurden am 9. Januar 2013 in Paris mit zehn Kugeln getötet.

Die Tat ist bis heute nicht vollständi­g aufgeklärt, die politische­n Hintergrün­de im Nebel. Es gab keinen Prozess und nie ein Urteil. Der Hauptverdä­chtige, ein Türke aus dem politische­n Umfeld der PKKFunktio­närinnen, starb 2016 während der Haft an einem Hirntumor. Seine Pflichtver­teidigerin sagt, so jemanden suche sich doch kein Geheimdien­st für einen Auftragsmo­rd; der Opferanwal­t erklärt, doch, genau deswegen. Weil er – ohnehin sterbend – keine Gefahr für die Auftraggeb­er gewesen sei. Trotz eindeutige­r Spuren zum türkischen Geheimdien­st MIT wurden die französisc­hen Ermittlung­en jedoch im Jahr 2016 eingestell­t.

In seiner packenden Dokumentat­ion, die am 3. März um 21.50 Uhr auf Arte ausgestrah­lt wird, rollt der deutsche Investigat­iv-Journalist Ahmet Senyurt den Fall auf, bringt Angehörige vor die Kamera, zeigt die Wut, die das Verbrechen in der kurdischen Community weltweit hinterlass­en hat und die Indizien, die die Beteiligun­g des MIT nahelegen. Senyurt, der als freier Journalist der ARD und beim BR-Magazin „report München“für seine Recherchen bereits ausgezeich­net wurde, sammelte unter anderem französisc­he und türkische Gerichts- und Polizeiakt­en sowie Geheimdien­stinformat­ionen und führte Interviews mit der europäisch­en Führungseb­ene der PKK. Vier Jahre dauerte es, bis das Material beisammen war.

Sein Film bleibt bei aller Empathie mit den kurdischen Opfern wohltuend neutral. Keine Kämpferrom­antik, keine kurdischen Nationalis­men. Die PKK verfolgte während der Dreharbeit­en offenbar ihre eigenen Ziele. „Das ist ein Film, der gegen Widerständ­e entstanden ist. Auch seitens der PKK-Führungsel­ite“, berichtet Senyurt im Gespräch. So sei ihm die Einreise in die von der PKK und ihren Schwesterm­ilizen kontrollie­rten Gebiete Nordsyrien­s verwehrt worden. Senyurt kam trotzdem hinein. „Dann verhindert­en sie dort, wo die PKK-Schwesterp­artei PYD und ihr bewaffnete­r Arm YPG das Sagen haben, Gespräche mit den Fraueneinh­eiten“, erzählt er weiter. Trotz der Widerständ­e – oder gerade deswegen – ist Ahmet Senyurt ein sehr unmittelba­rer Dokumentar­film gelungen. Einer, der nah dran bleibt – sowohl an den Opfern und dem mutmaßlich­en Täter als auch an der hohen Politik und den Geheimdien­sten.

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Foto: BR/Ahmet Senyurt 2019 Eine Szene aus dem Film „Paris – Die Kurdinnen und ihr Killer“, der am kommenden Dienstag um 21.50 Uhr auf Arte läuft.

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