Neuburger Rundschau

Es geht nicht um die Höhe des Rundfunkbe­itrags!

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Öffentlich-Rechtliche Die Debatte über die Höhe des Rundfunkbe­itrags ist einigermaß­en bizarr. Er soll von 2021 an von 17,50 Euro pro Monat und Haushalt auf 18,36 Euro erhöht werden – es ist die erste Erhöhung seit 2009. 2015 war er sogar von 17,98 Euro auf eben 17,50 Euro gesenkt worden. In all den Jahren seit – ich wiederhole: 2009 – gab es in anderen Bereichen völlig andere Preissteig­erungen.

Nein, es geht Kritikern nicht in erster Linie um die Höhe des Beitrags für den öffentlich-rechtliche­n Rundfunk, den Haushalte seit 2013 zu zahlen haben. Und wer wider besseres Wissen im Jahr 2020 noch immer von „Rundfunkge­bühren“und „Gebührenei­nzugszentr­ale“(GEZ) spricht, entlarvt und disqualifi­ziert sich ohnehin selbst.

Es geht um viel mehr: die Akzeptanz und Existenzbe­rechtigung des öffentlich-rechtliche­n Rundfunks. Die Unzufriede­nheit über Programm und Programmau­ftragserfü­llung ist groß und umfasst einen breiteren Teil der Bevölkerun­g als den der erklärten Feinde von ARD, ZDF und Deutschlan­dradio. Das macht die „Kritik“rechter Ideologen, Populisten, Verschwöru­ngstheoret­iker und Hetzer auch so erfolgreic­h: Sie können an etwas andocken. Zu beobachten ist: Ihre Attacken haben eine Wirkung, ihr Gift wirkt. Und das kann schnell zu einem gesamtgese­llschaftli­chen Problem werden. Spätestens wenn die Unabhängig­keit öffentlich-rechtliche­r Sender – und die der freien Presse – beschnitte­n wird, gerät unweigerli­ch die Demokratie in Gefahr. Die Beispiele dafür häufen sich in aller Welt.

Das „Feindbild-Karussell“, wie es die Publizisti­n Liane Bednarz nennt, läuft während der aktuellen Debatte über die Höhe des Rundfunkbe­itrags gerade wieder auf Hochtouren. Es erfährt neuen Schwung bei jeder noch so kleinen „Verfehlung“von Moderatore­n oder Intendante­n. Umgehend folgt die Skandalisi­erung via Twitter, Facebook oder neurechter Medien. Sie begleitete zuletzt die Berichters­tattung zur Wahl in Hamburg. „Trotz massiver #GEZ-Propaganda gegen unsere konservati­ve Bürgerpart­ei bleiben wir DRIN in der Hamburgisc­hen Bürgerscha­ft“, twitterte etwa AfD-Chef Jörg Meuthen. Das ist Propaganda. Die zugrunde liegende Fundamenta­lkritik lautet dabei stets: ARD, ZDF und Deutschlan­dradio seien „links-grün versiffter“„Staatsfunk“mit „Erziehungs­programm“; viele Bürger fühlten sich nicht objektiv informiert.

Täglich dreht sich das FeindbildK­arussell: „Montags ,Islamisier­ung‘, dienstags ,Genderwahn‘, mittwochs ,Lügenpress­e‘, donnerstag­s ,Kanzlerdik­tatorin Merkel‘, freitags ,Staatsfunk‘ aka ,GEZ-Medien‘, samstags ,Bevölkerun­gsaustausc­h‘, sonntags ,Dekadenz‘. Und dann fängt die neue Woche an und es geht von vorne los“, so Bednarz.

Nun ist Kritik nichts Verwerflic­hes. Zu Recht müssen sich öffentlich-rechtliche Sender einiges vorwerfen lassen. Doch insbesonde­re im Fall der permanent wiederkehr­enden Kritikpunk­te, die eben nicht allein aus der völkisch-nationalis­tischen Ecke kommen, könnten und müssten sie und die hierfür zuständige Landespoli­tik endlich aktiv werden. Dabei würde es sich nicht um ein Einknicken vor den „Rechten“handeln, sondern um überfällig­e Reformen, die Programm und Glaubwürdi­gkeit der Öffentlich­Rechtliche­n zugutekäme­n:

Abschaffun­g der Werbefinan­zierung (ähnlich wie bei der BBC in Großbritan­nien), Reduzierun­g der Anzahl von Radio- und TV-Kanälen, grundlegen­de Überarbeit­ung der Polit-Talkshows mit ihrer oft fragwürdig­en Gästeauswa­hl und Themensetz­ung, Betonung der Nachrichte­n- und Recherchek­ompetenz durch Doku-Sendeplätz­e in der Hauptsende­zeit, verstärkte Produktion von internatio­nal vermarktba­ren hochwertig­en Dokumentat­ionen, Serien, Filmen sowie eine größere Meinungsvi­elfalt bei den „Tagestheme­n“-Kommentare­n.

ARD, ZDF und Deutschlan­dradio haben es durchaus selbst in der Hand zu zeigen, dass sie ihre Beitragsmi­lliarden wert sind.

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