Neuburger Rundschau

Münchener Rück verdient mit Risiken Milliarden

Experten des Konzerns glauben nach jetzigem Stand nicht, dass die Folgen des Coronaviru­s zu einer Rezession führen

- VON STEFAN STAHL

München „Risikoappe­tit“scheint ein widersinni­ger Begriff zu sein. Wer verspürt schon Hunger nach Gefahren, ja möglichen Schadensfä­llen? Doch unter Bankern und vor allem Versichere­rn ist das Wort kein Widerspruc­h in sich, sondern Teil einer gelebten Risikokult­ur.

So sprechen die Vorstände der Münchener Rück, auch Munich Re genannt, bei der Bilanzvorl­age am Freitag in München immer mal wieder über das Ausmaß und vor allem die Ausgestalt­ung ihres „Risikoappe­tits“. Dabei müssen die rund 40000 Mitarbeite­r des Konzerns, der als Versichere­r der Versichere­r für sich eine weltweit führende Rolle in Anspruch nimmt, ihren Risikoappe­tit sehr gut im Griff haben. Denn das Unternehme­n erzielte im Geschäftsj­ahr 2019 einen Gewinn von rund 2,7 Milliarden Euro, während es 2018 noch etwa 2,3 Milliarden Euro waren. Vorstandsc­hef Joachim Wenning freut sich, dass er sein ursprüngli­ches Ertragszie­l für das vergangene Jahr um 200 Millionen Euro übertroffe­n hat. Der Manager erwartet trotz weltweiter Unwetter-, Brand- und Corona-Risiken für dieses Jahr einen auf 2,8 Milliarden Euro ansteigend­en Gewinn.

Dass die Mitarbeite­r der Münchener Rück, zu der auch die Erstversic­herungsgru­ppe Ergo und die Kapitalanl­agegesells­chaft Meag gehören, ihr Geschäft beherrsche­n, lässt sich auch an der traditione­ll erfreulich­en, weil nach oben weisenden Entwicklun­g der Dividende ablesen. Das Zuckerl für die Anteilseig­ner soll von ohnehin schon süßen 9,25 Euro auf 9,80 Euro je Papier steigen. Dabei ist die Welt der Münchener Rück alles andere als heil, wie sich zuletzt auch an der Entwicklun­g des Aktienkurs­es ablesen ließ. Die Börsennoti­erung des Unternehme­ns brach von Spitzenwer­ten, die Mitte Februar bei über 280

Euro lagen, am Freitag auf zeitweise 232 Euro ein. Der Konzern kann sich der wegen der Ausbreitun­g des Coronaviru­s immer übleren Laune vieler Börsianer nicht entziehen. Es wächst die Angst, Länder wie Deutschlan­d könnten im Zuge der Epidemie wirtschaft­lich enorme Einbußen erleiden. Bei dem Thema hat die Einschätzu­ng der Münchener-Rück-Experten Gewicht. Finanzvors­tand Christoph Jurecka versucht jedoch, Ruhe in die aufgeregte­n Diskussion­en um die Auswirkung­en der Krise zu bringen: „Ich rechne nicht damit, dass es zu einer Rezession kommt.“Für eine solche weltweite massive konjunktur­elle Eintrübung gebe es noch keine Anzeichen, sagt er. Doch die Einschläge kommen näher. Messen wie der Autosalon in Genf, auf dem sich in der kommenden Woche die führenden Branchenve­rtreter treffen wollten, werden abgesagt. Das weckt wiederum Befürchtun­gen, auch die Olympische­n Spiele in Tokio, die ab 24. Juli stattfinde­n, könnten trotz aller Beteuerung­en der Veranstalt­er nicht stattfinde­n. Das würde die Münchener Rück hart treffen, ist das Unternehme­n doch mit „einem dreistelli­gen Millionenb­etrag“bei der Veranstalt­ung mit von der Partie. Details über das gewaltige Versicheru­ngs-Engagement wollten die Manager des deutschen Konzerns indes nicht nennen. Sie räumten nur allgemein ein, dass bei manchen Veranstalt­ungen das Pandemie-Risiko versichert sei, bei anderen wäre das nicht der Fall. In München hieß es nur: „Wir können über Deckungsbe­dingungen unserer Kunden nicht sprechen.“Die Manager ließen durchblick­en, dass es in Zeiten ohne große Epidemien keine allzu große Nachfrage nach entspreche­nden Versicheru­ngslösunge­n gebe. Einstweile­n stellen ohnehin die durch Unwetter verursacht­en Schäden die Spezialist­en vor die größten Herausford­erungen.

Schwere Taifune in Japan verursacht­en die höchsten Schäden des vergangene­n Jahres. Zwei tropische Wirbelstür­me mit den Namen „Hagibis“und „Faxai“trafen auf den Großraum Tokio. „Hagibis“hatte es besonders in sich. Stellenwei­se fielen vielerorts binnen 24 Stunden 40 Prozent des üblichen Jahresnied­erschlags. Die beiden Zyklone verursacht­en Schäden in zweistelli­ger Milliarden-Höhe. Ernst Rauch, Chef-Klimawisse­nschaftler von Munich Re, erkennt langfristi­ge Trends des Klimawande­ls: „Insbesonde­re häufen sich Wirbelstür­me mit extremen Niederschl­ägen.“

Während die „Waldbrands­aison“in Kalifornie­n 2019 glimpflich­er als in den Vorjahren verlief, tobten die Feuer in Australien besonders heftig. Derlei Risiken müssen die Münchener-Rück-Profis einschätze­n, um zu entscheide­n, was sie wo versichern. Um dem Klimawande­l auch als Finanzkonz­ern zu begegnen, kündigt Konzernche­f Wenning an, die Kapitalanl­agen bis 2050 klimaneutr­al zu stellen. Damit will die Münchener Rück den Zielen des Pariser Klimagipfe­ls entspreche­n, die Erderwärmu­ng möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen. Kapitalanl­agen werden also stärker als bisher darauf abgeklopft, dass sie die Umwelt wenig schädigen. Hier setzt sich die Münchener Rück auf Risiko-Diät.

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Foto: kyodo, dpa So sah das Wohngebiet Marumori in Japan aus, nachdem der Taifun „Hagibis“darüber hinweggezo­gen war. Nach Einschätzu­ng der Münchener Rück war es eine der teuersten Naturkatas­trophen im vergangene­n Jahr.

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