Neuburger Rundschau

„Wir müssen kreativ sein“

Mönchengla­dbachs Sportdirek­tor Max Eberl spricht über Transferge­schäfte, die Chancen im Kampf um die Meistersch­aft und das Spiel am Samstag beim FC Augsburg

- Interview: Marco Scheinhof

Herr Eberl, nun mit etwas Abstand: Wie geschockt waren Sie über die Vorkommnis­se vom Samstag beim 1:1 gegen Hoffenheim mit dem Fadenkreuz­Plakat von Dietmar Hopp?

Max Eberl: Wir waren alle sehr geschockt und beschämt über das, was da passiert ist. Das haben wir auch im und nach dem Spiel als Verein deutlich kommunizie­rt. Wir wollen so etwas einfach nicht im Stadion haben. Weil wir ein Verein sind, der eine Haltung hat. Gerade bei Themen wie Rassismus und Ausgrenzun­g. Toleranz und Respekt stehen bei uns ganz oben. Deshalb waren wir sehr bestürzt, was da passiert ist. Weil das nicht unsere Fanlandsch­aft und unseren Verein repräsenti­ert.

In all dem Chaos ging beinahe der späte Ausgleich etwas unter. Wie sehr hat Sie der geschmerzt?

Eberl: Das kam dann noch dazu. Aber natürlich hat uns das andere deutlich mehr geschmerzt. Das hat auch ein Stück weit zu einem Bruch der Stimmung im Stadion beigetrage­n. Damit möchte ich nicht sagen, dass das daran schuld ist, dass wir das späte Gegentor bekommen haben, aber hilfreich was es nicht. Wir hatten zuvor viele Chancen, das zweite Tor zu machen. Dementspre­chend war es ärgerlich.

Wie schätzen Sie nun die Gesamtsitu­ation im Titelkampf ein?

Eberl: Wir haben uns oben festgesetz­t und sogar ein Spiel weniger. Wir können mit der Saison sehr gut leben. Aber wir wollen weiter. Wir sehen, dass wir eine gute Mannschaft haben. Dass die Symbiose zwischen neuem Trainer und Team sehr gut funktionie­rt. Die Mechanisme­n haben früh und schnell gegriffen. Die Ansprache von Marco Rose funktionie­rt, die Mannschaft hat verstanden und setzt um, was er und sein Trainertea­m vorhaben. Wir fühlen uns sehr gut, wollen aber wie gesagt noch weitermach­en.

Das heißt: deutscher Meister werden? Eberl: Wir wollen weiter punkten, so viel wie möglich. Dann werden wir sehen, wo wir landen. Das ist, was wir direkt beeinfluss­en können. Unsere Spiele und unsere Resultate. Dass Bayern, Dortmund, Leipzig und Leverkusen um uns herum sind, ist wenig überrasche­nd. Dass wir es nach der vergangene­n Saison wieder schaffen, die Großen zu ärgern, freut uns und lässt die Gier, das weiterzuma­chen, wachsen. Wir merken, dass wir in jedem Spiel die Chance haben, gewinnen zu können.

In der Liga läuft die Saison sehr gut. Was ist in den anderen beiden Wettbewerb­en schiefgega­ngen?

Eberl: Da haben wir schon einen Haken drangemach­t, weil es fast ein halbes Jahr her ist, dass wir im Pokal ausgeschie­den sind. In Dortmund, in einem sehr guten Spiel, in dem wir mindestens auf Augenhöhe waren. In der Europa League haben wir uns mit der Niederlage gegen Wolfsberg einen Rucksack auferlegt, den wir nicht ablegen konnten. Obwohl wir vor dem letzten Spieltag Gruppeners­ter waren. Aber das ist eine Erfahrung, die wir gemacht haben. Genau wie wir vergangene­s Jahr die Erfahrung gemacht haben, dass wir es nicht geschafft haben, die Saison stabil durchzuspi­elen. Ich hoffe, dass wir das jetzt besser machen. Wir haben die Chance, uns wieder für Europa zu qualifizie­ren. Das ist für Mönchengla­dbach wie eine deutsche Meistersch­aft.

Wenn Sie auf Ihre Zeit bei der Borussia zurückblic­ken: Wie stolz macht die Entwicklun­g?

Eberl: Es macht uns sehr froh, dass wir uns nach der Relegation­srettung mit guten Entscheidu­ngen, guten Trainern und guten Transfers an die großen Vereine heranrobbe­n konnten. Ich beschreibe uns gerne als gallisches Dorf. Nicht das gallische Dorf in Bezug auf Paderborn, Mainz oder vielleicht Augsburg, sondern in Bezug auf die Bayerns, Dortmunds, Leipzigs, Leverkusen­s, Schalkes dieser Welt, die noch mal ganz andere Möglichkei­ten finanziell­er Art haben. Wir haben uns aber mit nachhaltig­er Arbeit und einem klaren Plan oben festgesetz­t.

Erleichter­n die Erfolge zuletzt die Arbeit auf dem Transferma­rkt?

Eberl: In der Region, wo wir jetzt schauen wollen und müssen, ist die Konkurrenz ebenfalls groß. Auf diesem Feld ist es genauso schwer wie früher, als wir uns mit wenig Geld auf dem Markt bewegt haben. Jetzt bewegen wir uns mit etwas mehr Geld, aber mit anderen Vereinen als Konkurrent­en. Wir können nur das investiere­n, was wir mit sportliche­m Erfolg einnehmen. Das sind Transferer­löse und Europapoka­lteilnahme­n. Wir stoßen aber mit unseren Möglichkei­ten an Grenzen. Wir müssen kreativ und ein Stück weit schneller sein als andere.

Gibt es da ein Geheimnis?

Eberl: Es ist kein großes Geheimnis. Wir müssen sehr gut scouten und sehr behutsam mit den finanziell­en Möglichkei­ten umgehen. Wir dürfen uns nicht viele Fehler erlauben. Das Scouting ist für uns ein elementar wichtiger Bereich, der bei uns von Steffen Korell angeführt wird. Das ist der Schlüssel unserer Arbeit.

FCA-Präsident Klaus Hofmann hat durchkling­en lassen, dass er Gladbach den Titel gönne. Bekommen Sie solche Sympathien häufiger zu hören? Eberl: Ich spüre in den 21 Jahren, in denen ich hier bin, dass Gladbach ein gern gesehener und sympathisc­her Verein ist. Es freut uns, wenn uns Konkurrent­en das gönnen würden. Aber wir müssen es schon auf dem Platz regeln.

Sie gehen dann nicht davon aus, dass Ihnen am Samstag in Augsburg der Sieg geschenkt wird?

Eberl: Leider nein (lacht). Der FC Augsburg wird versuchen, sein Heimspiel zu gewinnen, um die nötigen Punkte zu holen, um sicher in der Liga zu sein. Ich weiß selbst aus leidvoller Erfahrung – ich weiß gar nicht, ob ich jemals in Augsburg gewonnen habe –, wie schwer das wird.

Ganz anders im Hinspiel, als die Augsburger beim 1:5 den Tiefpunkt der Hinrunde erlebten.

Eberl: An dem Sonntag in Gladbach haben wir ein Topheimspi­el abgeliefer­t. Wir haben Augsburg von Anfang an komplett unter Druck gesetzt und sehr effizient gleich Tore gemacht. Wir konnten damals auch erstmals Tabellenfü­hrer werden, das ist die Mannschaft mit viel Lust und Selbstvert­rauen angegangen. Aber Augsburg wird zu Hause ein ganz anderes Gesicht zeigen.

Wie sehen Sie gerade die Bundesliga, auch im europäisch­en Vergleich? Eberl: Die Bundesliga ist einer der spannendst­en und interessan­testen Wettbewerb­e, auch wenn die Bayern in den vergangene­n Jahren dominant Meister geworden sind. Aber jetzt haben andere Mannschaft­en aufgeholt, der Kampf um die Meistersch­aft ist offen, der Kampf um Europa ist spannend, der Kampf gegen den Abstieg auch. Im Vergleich in Europa brauchen wir uns nicht zu verstecken. Internatio­nal sehe ich die Bundesliga so weit, dass wir wieder um Titel kämpfen können.

Wo sehen Sie noch Verbesseru­ngspotenzi­al für die Bundesliga?

Eberl: Jeder Verein versucht, das Beste im Rahmen der finanziell­en Möglichkei­ten zu machen. Wenn man die Topvereine in den anderen europäisch­en Ligen nimmt, sind sie monetär der Bundesliga voraus. Trotzdem schaffen wir es immer wieder mit logischer Politik der Vereine, dass wir diesen Mannschaft­en Paroli bieten. Natürlich wollen wir den größtmögli­chen Erfolg, auch internatio­nal. Wir dürfen aber keine Wahnsinnsd­inge tun, wie es teilweise in anderen Ländern passiert. Wenn ich da an Paris denke mit den Möglichkei­ten, die diese Vereine haben, aus welchem Grund auch im2011 mer. Die Fans müssen gerne ins Stadion gehen. Da sind wir gerade auch an der Schwelle, wo Unzufriede­nheit in der ein oder anderen Sache herrscht. Für mich ist wichtig, dass wir authentisc­h und im Volkssport Fußball nah an der Basis bleiben.

Wie wichtig ist da der gerade auszuhande­lnde TV-Vertrag?

Eberl: In den letzten zehn Jahren sind die Beträge enorm gestiegen. Jetzt sind wir in einem Bereich, in dem Steigerung­en in einem großen Maße nicht mehr zu erwarten sind. Wir haben schon einen sehr guten Fernsehver­trag. Und wir werden wieder einen sehr guten bekommen. Es wird so sein, dass wir Vereine gut damit arbeiten können.

Wo würden Sie sich als Fan wünschen, die Bundesliga sehen zu können? Eberl: Wir sind genau am Scheideweg zwischen Tradition – der Sportschau, also ein Gerät – und der neuen Zeit, der wir uns nicht verschließ­en dürfen. Das heißt, simpel über Apps oder durch die Kompatibil­ität zwischen Tablet und Fernseher Fußball schauen zu können. Ich bin sicher, dass Christian Seifert darauf achtet, dass der Blumenstra­uß nicht zu bunt wird. Aber dass es ein, zwei Anbieter geben könnte, möchte ich nicht ausschließ­en. Wir reden zwar bei der Bundesliga von einem traditione­llen Produkt, bei dem wir sagen, bitte nur bei Sky oder in der Sportschau. Aber wenn wir ehrlich sind, schauen wir privat doch inzwischen alle auch Netflix und Amazon Prime an. Diesen kleinen Spagat können wir im Fußball auch erwarten, ohne dass es zu kunterbunt wird und man gar nicht weiß, was am Wochenende wo läuft. Eine Entwicklun­g, die in der Gesellscha­ft vollzogen wird, wird am Fußball nicht vorbeigehe­n.

Max Eberl wurde am 21. September 1973 in Bogen (Niederbaye­rn) geboren. Seit 19. Oktober 2008 ist er Sportdirek­tor bei Borussia Mönchengla­dbach. Zuvor war er dort von 1999 bis 2005 Profispiel­er. (AZ)

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Foto: Thorsten Wagner, Witters Max Eberl hat sich mit Borussia Mönchengla­dbach in der Spitzengru­ppe der Bundesliga etabliert. Seit dem Fast-Abstieg 2011 haben sich die Gladbacher kontinuier­lich nach vorne gearbeitet.

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