Neuburger Rundschau

Großvater liebt Doper

- VON ANDREAS KORNES ako@augsburger-allgemeine.de

Auf den Fall des gedopten chinesisch­en Schwimmers Sun Yang gibt es zwei Sichtweise­n: die des Weltverban­des und die des internatio­nalen Sportgeric­htshofes (Cas). Ersterer sprach gleich am Anfang der Affäre eine Verwarnung aus und wollte die Sache ansonsten unauffälli­g unter den Tisch kehren. Der Cas dagegen sperrte Sun am Freitag für acht Jahre. Schwer zu übersehen ist die Differenz zwischen diesen beiden Urteilen. Wie konnte es zu derart unterschie­dlichen Strafen kommen?

Das hat im Wesentlich­en mit zwei älteren Herren zu tun. An der Spitze des Schwimm-Weltverban­ds Fina sitzen der Präsident Julio César Maglione, 84, aus Uruguay und sein Generaldir­ektor Cornel Marculescu, 78, aus Rumänien. Die beiden haben klassische Funktionär­skarrieren hinter sich. An ihren Stühlen kleben sie wie die Schnecke am Salatblatt. Reformer oder gar Visionäre strafen sie mit Ignoranz. Doping ist für sie ein Kavaliersd­elikt. Marculescu bezeichnet­e Sun Yang während der Olympische­n Spiele 2016 in Rio de Janeiro als sehr guten Freund des chinesisch­en Schwimmtea­ms. Als ihn der Rumäne bei der Siegerehru­ng umarmte, habe er ihn angeschaut wie ein Großvater. Als Sun 2014 mit dem Herzmittel Trimetazid­in im Körper erwischt wurde, bezeichnet­e Marculescu das als „kleineren Unfall mit Doping“und fragte, ob man deshalb Stars von einer WM ausschließ­en solle.

Bei so viel großväterl­icher Liebe könne man Fünfe doch auch mal gerade sein lassen, dachte sich die Fina-Spitze wohl, als sie vier Jahre später den nächsten Sündenfall des Chinesen auf den Tisch bekam. Der schwedisch­e Anti-DopingDien­stleister IDTM hatte die Geschehnis­se rund um die mit einem Hammer zerstörte Dopingprob­e auf 59 Seiten zusammenge­fasst. Der Weltverban­d wollte den Report in der Schublade verschwind­en lassen. Dumm nur, dass ein Informant das Material dem australisc­hen Daily Telegraph zuspielte.

Seitdem gärt und giftet der Fall vor sich hin. Sun Yang durfte trotz drohender Sperre bei der WM im vergangene­n Jahr starten und gewann zweimal Gold. Als ihn andere Schwimmer auf dem Podest ignorierte­n und den Handschlag verweigert­en, wurden sie von der Fina verwarnt. Derartige Gesten oder Statements seien unerwünsch­t.

Schallende­r könnte aber die Ohrfeige kaum sein, die die Fina nun kassiert hat. Es sind nicht die protestier­enden Sportler, die unerwünsch­t sind. Es sind Funktionär­e, wie sie an der Spitze des Verbandes sitzen.

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Foto: dpa Diese älteren Herren haben im Schwimm-Weltverban­d das Sagen: Präsident Julio Maglione und sein Generaldir­ektor Cornel Marculescu.
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