Chance vertan, Ulm buht
„Biedermann“als Trash-TV im Theater
Ulm Die Stadt brennt, und keinen interessiert es. Stattdessen ruft eine Frau zum feministischen Aufstand gegen die Männer. Man reibt sich die Augen. Das soll Max Frischs „Biedermann und die Brandstifter“sein, diese Warnung gegen die Zerstörung des Gemeinwesens durch die Diktatur? Stattdessen liefert Regisseur Ekat Cordes im Großen Haus des Theaters Ulm eine sinnfreie Mischung aus RTL-Nachmittagsshow und talkender Expertenrunde, moderiert von einem Gottschalk-artig auftretenden Frank Röder.
Vom Original sind nur noch Relikte zu finden in dieser Inszenierung. Wenn sie aktuell werden könnte, kippt alles sofort wieder ins Lächerliche. Erschreckend wahre Sätze des Stückes wie jener, dass die nackte Wahrheit die beste Tarnung ist, weil sie keiner glaubt, verpuffen. Und die Gags zünden nicht. Sie sind zu flach: das Claqueur-Publikum zu beiden Seiten der Show um den Moderator herum, die große Lupe, die Verdächtige ins Blickfeld nimmt, während Eilmeldungen am Band durchlaufen, dass Ulms Nachbarorte Elchingen und Beimerstetten und schließlich Neu-Ulm brennen.
Aus Frischs Seldwyla ist Ulm geworden, das als „Second Hit“getroffen werden soll, nachdem die Feuerwehr durch andere Brände gebunden ist. Maurizio Miksch gibt den Biedermann im rosa geringelten Pullunder. Ziemlich viel Rosa – teils bis hin zu den Achselhaaren – tragen auch Ehefrau Babette (Nicola Schubert) und Alexandra Ostapenko, die als Dienstmädchen Anna, Brandschutzbeauftragte des Theaters und in drei weiteren Rollen durchs Bühnenbild von Anike Sedello turnt.
Chance vertan: „Biedermann und die Brandstifter“ist vieles, ein Emanzipationsstück aber so wenig wie eine Nonsens-Show. „Max Frisch würde sich im Grabe umdrehen“, doziert der akademische TVExperte. Wahrer Satz! Und er ergänzt, die Zeiten hätten sich geändert. So fordert am Ende Future Woman die Frauen unter den nach der Pause noch verbliebenen Zuschauern zum Aufstehen gegen die Männer auf. Ein lautes „Buh!“und vorsichtiger Beifall für die Spielfreude des Ensembles, viele Buh– rufe, als Ekat Cordes und Anike Sedello die Bühne betreten.
Wieder am 5., 14., 18. März