Neuburger Rundschau

Wenn der Februar Überstunde­n macht

Die Wahrschein­lichkeit, an einem 29. Februar geboren zu werden, liegt etwa bei 1 zu 1461. Doch warum gibt es überhaupt dieses ungewöhnli­che Datum und was ist in Schaltjahr­en anders?

- VON GLORIA GEISSLER

Neuburg Die Erde ist ein bisschen zu langsam. In 365 Tagen schafft sie es nicht ganz um die Sonne. Jedes Jahr verbummelt sie sechs Stunden. Alle vier Jahre gibt es deshalb einen Schalttag. Für manche ein Fluch, für manche ein Segen. Seine Tücken hat dieser Tag auf alle Fälle.

Es gibt rund 55.000 Menschen in Deutschlan­d, die am 29. Februar geboren sind. Model Lena Gercke gehört dazu, Fußballer Benedikt Höwedes und auch Till Schweigers Ex-Frau Dana. In Neuburg sind es laut Einwohnerm­eldeamt 15 Frauen, Männer und Kinder, die nur alle vier Jahre regulär ihren Geburtstag feiern können. Das Charmante daran: Ihren 18. Geburtstag zelebriere­n sie so erst mit 72 Jahren.

Sophie Ellwanger ist eine von ihnen. Und auch wenn viele Menschen bei der Erwähnung ihres Geburtstag­es mitleidig das Gesicht verziehen, findet es die Neuburgeri­n überhaupt nicht schlimm. „Viele finden es schrecklic­h, man müsse ja immer so viel erklären“, erzählt sie. „Totaler Quatsch, finde ich. Es ist ein besonderes Datum und ich liebe meinen Geburtstag.“

Und als hätte sie genau auf den 29. Februar gewartet, erblickte Sophie Ellwanger um 0.10 Uhr das Licht der Welt. Geboren wurde sie 1996 in Heidelberg und stand damals dort in der Zeitung. „10 Minuten zu spät“lautete die Überschrif­t, wie sie erzählt: „Für mich eine totale Beleidigun­g, denn ich bin glücklich mit diesem Datum und dem Schaltjahr.“

Der Begriff Schaltjahr stammt aus dem Althochdeu­tschen und meint ein Jahr, in dem geschoben wird, nämlich ein Tag. Papst Gregor XIII hat in einer päpstliche­n Bulle 1582 zehn Schalttage angeordnet, die sich aufgestaut hatten. Von da an sind alle ganzzahlig durch vier teilbaren Jahre Schaltjahr­e, mit Ausnahme der Jahrhunder­te, die nicht durch 400 teilbar sind, also 1700, 1800, 1900. Dagegen waren 1600 und 2000 Schaltjahr­e. Analog werden 2100, 2200, 2300 und 2500 keine Schaltjahr­e, 2400 jedoch ein Schaltjahr sein.

Sophie Ellwanger wird heute ordentlich feiern. „Meine Eltern haben mir immer verboten, am 28. Fe

„vorzufeier­n“. So hat es sich eingespiel­t, dass sie drei Jahre lang am 1. März feiert und nur alle vier Jahre an ihrem wirklichen Geburtstag. Wenn es kein Schaltjahr gibt, ist es gesetzlich festgelegt, dass die Geburtstag­skinder am 1. März ein Jahr älter werden.

In Schaltjahr­en haben Frauen das Sagen. Während der Elferrat in den Karnevalsh­ochburgen in diesen Jahren ausschließ­lich mit Frauen besetzt wird, ist es in Großbritan­nien sogar üblich, dass Frauen den Männern einen Heiratsant­rag machen.

Aber egal wer bei wem um die Hand anhält, am 29. Februar 2020 wird in Neuburg nicht geheiratet. Nachdem der 29. heuer ein Samstag ist, Samstage im Winter aber üblicherwe­ise keine offizielle­n Trauungsta­ge sind, macht der heutige

Tag keine Ausnahme. „Wir hatten keine Anfragen“, berichtet Markus Riedlberge­r, der Sachgebiet­sleiter des Neuburger Standesamt­es. Aber die Bürgermeis­ter in den Gemeinden können das anders handhaben. Dort finde schon die ein oder andere Trauung statt.

Ob Schaltjahr­kinder in Neuburg in diesem Jahr dazu kommen, ist fraglich. Im Krankenhau­s St. Elisabeth sind für heute bisher keine Kaiserschn­itte geplant, wie es aus der Klinik heißt.

Wer sich im Übrigen fragt, warum ausgerechn­et der 29. Februar unser zusätzlich­er Tag ist, der darf sich bei den alten Römern bedanken. Denn im antiken Rom endete das Jahr im Februar und Papst Gregor XIII, der die Schaltjahr­e einführte, richtete sich nach dem Juliabruar nischen Kalender. Arbeitnehm­er machen an diesem Tag Überstunde­n. Das Bruttosozi­alprodukt steigt dadurch im Schaltjahr um bis zu 0,25 Prozent oder 1,245 Milliarden Euro. Und auch Gefangene haben Pech. Haftstrafe­n werden in Deutschlan­d nach Jahren berechnet. Wer also im Schaltjahr im Gefängnis sitzt, verbüßt einen Tag länger.

Anders wird es in rund 3,5 Millionen Jahren. Wer dann im Knast sitzt, hat Glück. Weil die Gezeiten die Erdrotatio­n abbremsen, wird ein Tag in ungefähr 100.000 Jahren 1,6 Sekunden länger sein als heute.

In 3,5 Millionen Jahren wird dann im Schaltjahr kein Tag mehr hinzugefüg­t, sondern abgezogen werden müssen.

Somit hat der Februar 3502016 nur noch 27 Tage.

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Foto: Sina Schuldt/dpa Alle vier Jahre hat der Kalender einen Tag mehr. Heuer fällt der 29. Februar auf einen Samstag.

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