„Es wird viel Zeit verdiskutiert“
Peter Maffay blickt auf 50 Jahre Karriere zurück. Er hat auch ein Buch darüber geschrieben, ist wieder auf Tour – und engagierter Klimaschützer
Herr Maffay, erinnern Sie sich, was Sie am 15. Januar 1970 getan haben?
Peter Maffay: Nein, aber das Datum hat etwas mit unserer ersten Schallplatte zu tun.
Richtig. An dem Tag erschien Ihre Debütsingle „Du“, die zum größten deutschsprachigen Hit des Jahres 1970 wurde. Hat die ZDF-Hitparade Sie über Nacht zum Star gemacht? Maffay: Nein. Anfangs wollte diesen Titel kein Mensch spielen, weil er mit fünf Minuten zu lang war. Es dauerte eine ganze Weile, bis er über Diskotheken seinen Weg machte. Entscheidend war Frank Elstner bei Radio Luxemburg. Aber erst danach ging ich zu Dieter Thomas Heck in die Sendung. „Du“hat mich aus meinem Lehrlingsdasein herausgeholt und in eine spannende Zukunft hineinkatapultiert.
50 Jahre nach „Du“schreiben Sie in Ihrem neuen Buch „Hier und Jetzt“, dass Sie mit Ihren nunmehr 70 Jahren nicht nur zufrieden, sondern auch glücklich seien. Hat das etwas mit Ihrer heutigen Lebensweise zu tun? Maffay: Ich vermute schon. Ich habe viele Strecken zurückgelegt. Auf unserem neuen Album gibt es einen Song, der das umschreibt. Er heißt „1000 Wege“. Vom rumänischen Kronstadt bis nach Deutschland, meiner jetzigen Heimat, waren es viele kurvige Wege. Einige davon waren unnötig, andere jedoch sehr schön mit wertvollen Begegnungen. Rückblickend bin ich mit diesem rasanten Trip sehr einverstanden.
Das Gut Dietlhofen bei Weilheim ist ein Biobauernhof. Leben Sie bewusster, seit Sie dieses Gut gekauft haben? Maffay: Ich wohne da ja nicht, sondern in Tutzing. Nach Dietlhofen sind es aber nur zehn Kilometer. Das war ausschlaggebend bei den Überlegungen, ob wir eine vierte Einrichtung für Kinder bauen wollen. Dietlhofen bietet die besten Voraussetzungen für die Aufenthalte traumatisierter, kranker und benachteiligter Kinder. Das Faszinierende an dem Gut ist, dass es ein Stück heiler Natur vor der Haustür ist.
In Ihrer Biografie „Maffay – auf dem Weg zu mir“ist zu lesen, dass Sie früher bis zu zwei Flaschen Whiskey und 80 Zigaretten am Tag konsumierten. Wie denken Sie heute darüber? Maffay: Das war völliger Unsinn und überflüssig. Das waren die Kurven, von denen ich sprach. Es hat zu nichts geführt. Möglicherweise habe ich das irgendwann mal cool gefunden. Die Musik ist dadurch nicht besser geworden und die Gesundheit hat darunter gelitten. Gott sei Dank ist Rauchen für mich kein Thema mehr, und ich trinke auch keine harten Sachen mehr. Alles geht leichter ohne.
Auf welche Weise bekommen Sie auf Gut Dietlhofen oder auf Ihrer Finca auf Mallorca die Auswirkungen des Klimawandels zu spüren?
Maffay: Ich bin kein wirklicher Landwirt, aber selbst für mich ist erkennbar, dass da ein Wandel stattfindet. Ende Januar zum Beispiel bin ich mit leichter Kleidung aus der Haustür gegangen. Wir hatten in Tutzing 15 Grad. Es lag kein Schnee. Wir haben nicht einmal genügend Regen. Wenn es so weitergeht, wird der Boden austrocknen. Uns sterben die Bienen weg, die Singvögel verschwinden. Wer die Auswirkungen des Klimawandels negiert, tut das wider besseres Wissen.
Ihre Kinder Anouk, 1, und Yaris, 16, werden die Folgen des Klimawandels wahrscheinlich viel stärker zu spüren bekommen als Ihre eigene Generation. Macht Ihnen das Angst? Maffay: Ja. Deswegen dulden diese Fragen auch keinen Aufschub. Wir dürfen die Erkenntnisse über den Klimawandel nicht negieren und müssen global Lösungen anstreben. Leider wird das massiv von Lobbyisten torpediert. Der Zeitraum, der uns bleibt, wird immer enger. Realistisch betrachtet bedeutet das, dass wir das Ziel möglicherweise nicht erreichen werden. Was dann kommt, wird fatal sein, weil die Auswirkungen irgendwann nicht mehr reversibel sind. Trump wird das nicht mehr erleben, aber er wird dafür mitverantwortlich sein.
Steht die Politik der Bundesregierung für einen echten sozialen und ökologischen Wandel?
Maffay: Sie tut zu wenig bzw. ist nicht entschieden genug. Jetzt werden wahrscheinlich etliche Politiker aufschreien und sagen, was redet der Maffay da für einen Unsinn. Aber das ist so. In der Politik wird viel Zeit verdiskutiert. Und sie steht unter dem Einfluss der Wirtschaft. Da wird mit zweierlei Maß gemessen. Während sich verschiedene Seiten um eine Lösung bemühen, verstreicht zu viel Zeit, weil es zu keiner Lösung kommt. Ich finde es richtig, dass die Jugend kraft ihrer ökologischen Erziehung auf die Straße geht und von den Erwachsenen einfordert, die Weichen zu stellen.
Haben Sie Ihr Leben aufgrund des Klimawandels geändert? Ich habe gehört, dass Sie jetzt öfter das Fahrrad benutzen.
Maffay:
Ja, aber unabhängig von ökologischen Aspekten merke ich natürlich, dass Fahrradfahren einfach gesünder ist. Ich bin 70 und ich muss und will etwas für mich tun. Meine kleine Tochter wird mir irgendwann sagen, dass ich gefälligst noch lange an ihrer Seite bleiben soll. So sehr mir Motorradfahren auch Spaß macht, Muckis krieg ich davon nicht.
Sie sind Frühaufsteher. Haben Sie heute schon Ihre 50 Liegestützen gemacht?
Maffay:
Habe ich! Das frühe Aufstehen ergibt sich zwangsläufig, weil Anouk mein Wecker ist.
Haben Sie dieses Buch geschrieben, weil Sie die Hoffnung auf eine bessere Zukunft noch nicht verloren haben?
Maffay:
Natürlich denke ich positiv. Wäre ich Pessimist, müsste ich jammernd alle viere von mir strecken und sagen: „Das war’s!“Das kann und will ich meinen Kindern nicht zumuten. Aber auch niemandem in meinem Umfeld, der mich über all die Jahre unterstützt hat. Auch mein Publikum hat eine gewisse Erwartungshaltung an mich. Vor allem aber will ich es mir selber nicht zumuten. Denn ich habe noch einiges vor. Wir gehen jetzt wieder raus, um den Leuten zu beweisen, dass wir den Popo noch flink genug über die Bühne bewegen können. Ich glaube wirklich, dass wir eine Chance haben, die jedoch jeden Tag kleiner wird, wenn wir nichts tun.
Sie schreiben, dass Sie Shopping hassen. Haben Sie in letzter Zeit Ihren ökologischen Fußabdruck verringert, durch den Verzicht auf Reisen etwa und durch Müllvermeidung?
Maffay:
Ich will nicht den Eindruck erwecken, dass ich da 100 Prozent konsequent bin. Es beginnt aber schon mit einem Kaffeebecher, den man zum Bäcker mitnimmt, weil er nicht nach dem Gebrauch weggeworfen wird. Aber ich kann Konzerte nicht telepathisch abwickeln, ich muss dafür von A nach B reisen. Natürlich könnte ich jetzt sagen, ich verzichte darauf. Unsere Konzerte auf Kreuzfahrtschiffen haben wir zum Beispiel längst eingestellt.