Neuburger Rundschau

Alles neu in der Slowakei

Die Regierung wird abgestraft, eine Protestpar­tei siegt. Das hat mit einem Mord zu tun

- VON ULRICH KRÖKEL

Bratislava Möglichst alles soll anders werden in der Slowakei. So deuteten Kommentato­ren in der Hauptstadt Bratislava am Sonntag fast einhellig das unerwartet klare Ergebnis der Parlaments­wahl am Samstag. „Absoluter Sieger Igor Matovic“, titelte etwa Sme, die größte Zeitung des Landes. Zwei Jahre nach dem Doppelmord an dem Journalist­en Jan Kuciak und seiner Verlobten, der den jungen EU-Staat in eine tiefe Demokratie­krise gestürzt hatte, habe es der 46-jährige Unternehme­r nun in der Hand, das Land von Grund auf zu verändern, ergänzte der liberale Dennik N und bilanziert­e: „Die Slowakei ist nicht verloren.“

Ein politische­s Beben war diese Wahl vor allem im Verhältnis zu den Erwartunge­n. Die Sozialdemo­kraten (Smer) von Ministerpr­äsident Peter Pellegrini mussten schwere Verluste hinnehmen und landeten bei 18,29 Prozent (2016: 28,3 Prozent).

Matovic dagegen fuhr mit seiner rechtslibe­ralen Ein-Mann-Partei OLaNO rund doppelt so viele Stimmen ein wie prognostiz­iert. Unter dem Strich standen 25 Prozent, die ihm ein gutes Drittel der Mandate im Nationalra­t bescheren. Wichtiger noch ist, dass sich dem wahrschein­lich neuen Premier sogar die Chance bietet, eine Koalition mit verfassung­sändernder Mehrheit zu bilden. Das Kürzel OLaNO steht übersetzt für „Normale Menschen und unabhängig­e Persönlich­keiten“.

Matovic erklärte auf seiner Siegesfeie­r: „Wir wollten die Mafia der Smer besiegen und die Protestwäh­ler

von (dem Rechtsextr­emisten) Marian Kotleba zurückhole­n. Beides ist uns gelungen.“

Wichtigste­r Grund für die Niederlage des Regierungs­lagers waren die Ermittlung­en nach dem KuciakMord, die ein mafioses Netzwerk in Politik, Wirtschaft und Justiz offenbart hatten, das bis in höchste Regierungs­kreise reichte. Regierungs­chef Robert Fico war deshalb 2018 zurückgetr­eten und hatte seinem farblosen Parteifreu­nd Peter Pellegrini die Amtsgeschä­fte überlassen. Dessen Angebot zur Zusammenar­beit schlug Triumphato­r Matovic noch in der Wahlnacht kompromiss­los aus: „Wir reden nicht mit der Mafia.“

Der neue Star der slowakisch­en Politik will stattdesse­n eine Koalition mit zwei kleineren bürgerlich­en Parteien bilden. Für eine einfache Mehrheit der Mitte würde das bereits reichen. Matovic kündigte aber an, auch eine rechtskons­ervative, in Teilen nationalis­tische Partei in die Regierung zu holen.

 ?? Foto: Petr David Josek, dpa ?? Igor Matovic hat mit seiner Protestpar­tei die Parlaments­wahl in der Slowakei gewonnen. Er will nun eine Koalition der Mitte bilden.
Foto: Petr David Josek, dpa Igor Matovic hat mit seiner Protestpar­tei die Parlaments­wahl in der Slowakei gewonnen. Er will nun eine Koalition der Mitte bilden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany