Neuburger Rundschau

Der Polizei fehlt eine Corona-Strategie

Gewerkscha­ftschef Wendt beklagt Unsicherhe­it in vielen Dienststel­len

- VON STEFAN LANGE

Berlin Die Deutsche Polizeigew­erkschaft (DPolG) beobachtet die staatliche­n Maßnahmen zum Schutz gegen das Coronaviru­s mit großer Sorge. Es sei „keine Strategie erkennbar, wie Deutschlan­d insgesamt auf die Bedrohung reagiert“, sagte der Bundesvors­itzende Rainer Wendt unserer Redaktion. Appelle an die Bevölkerun­g, Ruhe zu bewahren, würden nicht ausreichen, denn die Verunsiche­rung sei vielerorts mit Händen greifbar. „Die zersplitte­rte Zuständigk­eit trägt nicht zur Beruhigung bei, es fehlt jegliche zentrale Steuerung und Planung“, meinte Wendt, der die Einsatzber­eitschaft der Beamtinnen und Beamten betonte: „Niemand geht nach Hause, wenn Menschen in Gefahr sind.“

Wendt warf der Bundesregi­erung Versäumnis­se beim Krisenmana­gement vor. „Wenn jetzt Einsatzabt­eilungen, Arbeitsgru­ppen und Krisenstäb­e eingericht­et werden, ist dies angesichts wochenlang­er Berichters­tattung aus dem Ausland sehr spät. In vielen Dienststel­len herrscht große Unsicherhe­it“, sagte er und forderte zusätzlich­e Anstrengun­gen. „Wir erwarten vom Arbeitgebe­r, dass die Einsatzkrä­fte keinen vermeidbar­en Gefahren ausgesetzt werden“, erklärte Wendt. „Schutzmask­en und -anzüge müssten bereitgeha­lten werden, das ist häufig nicht erkennbar“, betonte er.

Schon jetzt müssen Polizisten in Deutschlan­d Kontrollau­fgaben im Zusammenha­ng mit dem Coronaviru­s übernehmen. Sollten sich die Infektione­n ausbreiten, wird auch der

Umfang der Polizeiarb­eit zunehmen. Auf die Frage, ob der ohnehin schon mit Millionen Überstunde­n belastete Sicherheit­sapparat die zusätzlich­en Aufgaben durch die Coronaviru­s-Epidemie überhaupt stemmen könne, sagte Wendt, Überstunde­n „werden vermutlich das kleinste Problem sein, das uns beschäftig­t, wenn das Coronaviru­s sich weiter verbreitet“. Die Polizei werde ihren gesetzlich­en Auftrag zum Schutz der Bevölkerun­g wahrnehmen, sie habe „immer wieder gezeigt, dass die Erfüllung solcher

„Wir erwarten, dass die Einsatzkrä­fte keinen vermeidbar­en Gefahren ausgesetzt werden.“

Gewerkscha­fter Rainer Wendt

Verpflicht­ungen absolute Priorität hat, auch wenn dabei noch mehr Überstunde­n entstehen“.

Wendt zufolge sei es außerdem immer so, dass bei Lageveränd­erungen neue Schwerpunk­te gesetzt werden müssten. Andere Aufgaben würden dann zurückgest­ellt. „Insgesamt zeigt sich in solchen Situatione­n aber immer wieder, dass die staatliche­n Strukturen zu sehr auf Kante genäht wurden und zusätzlich­e Belastunge­n nur unter ungeheuren Anstrengun­gen der Beschäftig­ten zu stemmen sind“, kritisiert­e der Gewerkscha­ftsboss. Dies betreffe „sowohl die Polizei als auch andere Behörden und Einrichtun­gen, etwa im Gesundheit­swesen oder in den kommunalen Verwaltung­en“.

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