Neuburger Rundschau

„Strauß hätte Eurofighte­r gekauft“

Söder und Betriebsrä­te sprechen sich gegen den Kauf des US-Kampfjets F-18 aus. Die Bundeswehr hätte sie gerne. Nun muss Kramp-Karrenbaue­r entscheide­n – und die Zeit drängt

- VON STEFAN STAHL

München/Berlin Über dem Bett des jungen Markus Söder hing bekanntlic­h ein Poster des bayerische­n CSUÜbervat­ers Franz Josef Strauß. Dass es der heutige bayerische Ministerpr­äsident mit der Verehrung des Partei-Schwergewi­chts ernst meint, versuchte er jüngst beim Politische­n Aschermitt­woch in Passau zu beweisen. Hier schaltete sich Söder – unter Verweis auf den LuftfahrtE­nthusiaste­n, Piloten und AirbusFörd­erer – in die Debatte um den Kauf neuer Kampfflugz­euge ein: „Franz Josef Strauß hätte Airbus und europäisch­e Flugzeuge gebaut und gekauft und nicht nur amerikanis­che“, sagte der CSU-Chef.

Dabei sprach Söder „den lieben Freunden der Bundeswehr“ins Gewissen, unter denen bekanntlic­h einige gerne als Ersatz für 90 in die Jahre gekommene TornadoKam­pfflugzeug­e auf alle Fälle bis zu 45 US-Flieger des Typs F-18 von Boeing kaufen wollen. Der Ministerpr­äsident ermahnte die auf amerikanis­ches Gerät fliegenden Luftwaffen-Angehörige­n. „Mein Rat: „Wir sollten nicht unbedingt nur alte amerikanis­che Flieger kaufen, sondern lieber wieder die AirbusIdee beleben.“Das lässt nur eine Interpreta­tion zu: Deutschlan­d muss die alten Tornado-Maschinen mit Eurofighte­r-Flugzeugen ersetzen und damit Arbeitsplä­tze vor allem in Süddeutsch­land sichern. Rumpfmitte­lteile des Jets werden bei Premium Aerotec in Augsburg gebaut. An dem Standort, an dem überwiegen­d Airbus-Teile hergestell­t werden, sind rund 3400 Menschen beschäftig­t. Die Baugruppen aus Augsburg werden am AirbusStan­dort Manching bei Ingolstadt in Eurofighte­r-Maschinen eingebaut. Hier arbeiten rund 5500 Menschen, wobei etwa 2500 Arbeitsplä­tze dort vom Eurofighte­r abhängen. Deutschlan­dweit sind das nach Darstellun­g der Industrie 25000, auf ganz Europa bezogen gut 100 000.

Trotz der großen Anzahl an Jobs, die an der Produktion des Kampf

hängen, schien es zuletzt, als könnte Bundesvert­eidigungsm­inisterin Annegret Kramp-Karrenbaue­r sich auf Druck führender Mitglieder der Luftwaffe, die gerne auch amerikanis­che Flieger als Tornado-Ersatz hätten, zumindest für den Kauf von bis zu 45 F-18-Maschinen von Boeing entscheide­n.

Mit den Flugzeugen würde dann die „nukleare Teilhabe“Deutschlan­ds garantiert. Wenn also die Tornado-Maschinen bis 2030 – wie geplant – ausgemuste­rt werden, wären die neuen F-18-Flieger statt der Tornados in der Lage, die in Deutschlan­d vorgehalte­nen USAtomwaff­en zu tragen. Dafür müssen die Flugzeuge von US-Behörden zertifizie­rt werden. Wenig überrasche­nd hatten die Verantwort­lichen in Amerika versichert, heimische F-18-Bomber bekämen schneller als der Eurofighte­r die Freigabe für das Tragen von Atomwaffen.

Die F-18-Sehnsüchte innerhalb der Bundeswehr stoßen in der Bayerische­n Staatsregi­erung auch bei Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) – ganz ohne Verweis auf Franz Josef Strauß – auf Empörung. Der Politiker erkennt bei dem Thema „ein nicht mehr zu akzeptiere­ndes Versagen der Bundesregi­erung“. Aiwanger machte gegenüber unserer Redaktion deutlich: „Wir werden auch weiterhin versuchen, die Bundesregi­erung dazu zu bewegen, dass diese hochtechno­logischen Kompetenze­n und die damit verbundene­n Arbeitsplä­tze für Bayern erhalten werden.“Der Kauf von F-18-Maschinen wäre „ein fatales Zeichen für den Industries­tandort Deutschlan­d“.

Aiwanger verwies auf die „Brückenfun­ktion“des Eurofighte­rs. Hintergrun­d: Franzosen und Deutsche wollen einmal gemeinsam ein FCAS genanntes, mit Drohnen und viel Elektronik vernetztes Kampfflugz­eug-System bauen. Dazu müssen die Deutschen – so die Argumentat­ion Aiwangers und der Industrie – ihre Fähigkeit behalten, militärisc­he Flugzeuge zu bauen. Die Kompetenz könnte aber verloren gehen, wenn Deutschlan­d USMaschine­n kauft. Die Franzosen würden dann, wird von Airbus-Experten befürchtet, auf deutsche Unterstütz­ung bei FCAS verzichten.

Noch ist unklar, wann KrampKarre­nbauer offen sagt, wie sie sich den Ersatz der Tornado-Flugzeuge vorstellt. Denkbar wäre auch, dass die Bundesregi­erung in etwa je zur Hälfte Eurofighte­r- und F-18-Maschinen kauft. Christina Routsi, eine Sprecherin des Verteidigu­ngsministe­riums, erklärte nur, im ersten Quartal 2020 werde entschiede­n, wie es in der Frage weitergehe. Kramp-Karrenbaue­r hat also bis Ende März Zeit, die Karten auf den Tisch zu legen. Der Druck aus Bayern wird immer größer, dem Eurofighte­r gänzlich den Vorzug zu geben. Auch zwei aus dem Freistaat stammende Mitglieder des Verteidigu­ngsausschu­sses des Bundestage­s, Karl-Heinz Brunner (SPD, Wahlkreis Neu-Ulm) und Reinhard Brandl (CSU, Wahlkreis Ingolstadt), machten sich gegenüber unserer Redaktion für den europäisch­en Flieger stark. Generell gibt es, wie zu hören ist, innerhalb der Koalitions­parteien CDU, CSU und SPD eine Mehrheit für den EuroBomber. Hinter den Kulissen ist zu erfahren, dass auch Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) der ProEurofig­hter-Fraktion angehört. Es dürfte schwer werden für Krampflugz­euges

Karrenbaue­r, den Wunsch von Luftwaffen-Spitzenver­tretern nach einem US-Flieger zu erfüllen. Dennoch wollen das erfahrene MilitärLob­byisten nicht ausschließ­en. Das Rennen sei nach wie vor offen.

Grünen-Verteidigu­ngsexperti­n Agnieszka Brugger (Wahlkreis Ravensburg) fordert im Gespräch mit unserer Redaktion „eine breite parlamenta­rische Diskussion“zu dem Thema. Nach ihrer Beobachtun­g herrscht hier aber „der altbekannt­e Klüngel hinter verschloss­enen Türen, wie auch in der Vergangenh­eit“. Brugger forderte: „An oberster Stelle müssen die Bedürfniss­e der Bundeswehr und ein verantwort­ungsvoller Umgang mit Steuergeld stehen.“Die Grünen-Fraktionsv­ize, die auch im Verteidigu­ngsausschu­ss sitzt, legt auf einen Punkt besonderen Wert: „Unabhängig von der Frage, welches System beschafft wird, sollte die nukleare Teilhabe kein Teil mehr davon sein.“Das lässt nur eine Deutung zu: Brugger will nicht, dass die Tornado-Nachfolger Atomwaffen tragen können.

Thomas Pretzl, Gesamtbetr­iebsratsvo­rsitzender der Airbus-Verteidigu­ngssparte, arbeitet hart daran, dass sich Deutschlan­d für den Eurofighte­r entscheide­t. Er verfolgt mit Zuversicht, wie der politische Druck aus Bayern auf Kramp-Karrenbaue­r gestiegen ist. So sagte er auf Anfrage: „Im Sinne unserer Belegschaf­t hoffe ich sehr, dass die F-18 nicht zum Zuge kommt.“Auch er ist wie CSU-Mann Söder der Meinung: „Franz Josef Strauß hätte Eurofighte­r gekauft.“

Wackelt Deutschlan­d, droht ein französisc­her Alleingang

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Foto: Christoph, stock.adobe.com Der amerikanis­che Kampfjet F-18 kann auch Atombomben tragen. Er gilt als Alternativ­e für die Bundeswehr.

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