Neuburger Rundschau

Zu warm für Eiswein

Bei minus sieben Grad werden besonders edle Tropfen geerntet. Weil das in diesem Winter nicht möglich war, ist der Jahrgang 2019 ein Totalausfa­ll. Was das für Genießer heißt

- VON MATTHIAS ZIMMERMANN

Augsburg Nur wer wagt, gewinnt. Das gilt für Weinbauern vor allem dann, wenn sie Eiswein herstellen wollen. Nur wenn die Temperatur­en unter minus sieben Grad liegen, dürfen die Trauben für den besonders edlen Wein geerntet werden. Oft findet die Lese deswegen sogar nachts oder in den frühen Morgenstun­den statt, damit es sicher kalt genug ist. Die Trauben werden auch gefroren gepresst. So bleibt das meiste Wasser in der Traube, nur der hoch konzentrie­rte, stark zuckerhalt­ige Saft fließt heraus.

Bis es endlich kalt genug ist, bleiben die Trauben an den Reben, manchmal gut verpackt und vor Vogelfraß geschützt, bis in den Februar hinein. Doch wenn der strenge Dauerfrost gar nicht kommt, ist die Ernte ein Totalausfa­ll. So wie in diesem Jahr, wo nach Angaben des Deutschen Weininstit­uts (DWI) erstmals kein einziger Winzer bundesweit Eiswein geerntet hat. In keinem der 13 deutschen Weinbaugeb­iete sei die für eine Eisweinles­e erforderli­che Mindesttem­peratur von minus sieben Grad Celsius erreicht worden. Ohnehin reserviere­n die Winzer stets nur einen kleinen Teil der

Anbaufläch­e für den Eiswein. Entspreche­nd knapp ist die Ausbeute auch in kalten Jahren. Und dieser Trend dürfte sich in den kommenden Jahren noch verstärken – schlechte Nachrichte­n für Liebhaber des edelsüßen Tropfens.

Schon vor der Lese bekommen die für den Eiswein vorgesehen­en Trauben gesonderte Zuwendung. So bleiben am Rebstock nur wenige Trauben hängen, die dann die ganze Fülle der Inhaltssto­ffe abbekommen sollen. Gerade einmal rund zehn Prozent der Ausgangsme­nge landen als Eiswein in der Flasche. Je kälter es bei der Beerenlese ist, desto höher sind die Konzentrat­ion von Zucker, Säure und Fruchtarom­en in den Trauben. Viele Spitzeneis­weine kommen aus der Pfalz und von der Mosel. Aber auch andere Regionen haben durchaus Potenzial. Meist wird der Eiswein aus weißen Trauben gemacht, in der Regel aus Riesling. Aber auch Lemberger kommt für Eiswein infrage.

Als typisch für den Eiswein gilt eine kräftige Säure. Das balanciert die natürliche Süße auf eine interessan­te Weise aus. Geschätzt wird der Eiswein als Begleiter von Süßspeisen und Desserts, aber auch zu Spezialitä­ten wie reifem Edelschimm­elkäse bereitet er ein besonderes Geschmacks­erlebnis. Doch nicht jeder Süßwein ist auch ein Eiswein.

Im Gegensatz zu anderen Spezialwei­nen wie Spätlese oder Trockenbee­renauslese sollen die Trauben für den Eiswein nicht von dem sonst sehr geschätzte­n Botrytis-Pilz befallen sein, da dies dem Geschmack die konzentrie­rte Fruchtigke­it raubt.

Eisweine werden gerne schon jung getrunken. Die Hefe hat Mühe, einen Most mit so hohem Zuckergeha­lt zu vergären. Daher haben deutsche Eisweine meist sehr hohe Restzucker­gehalte von über 100 Gramm pro Liter, aber nur relativ geringe Alkoholgeh­alte von etwa sieben Volumenpro­zent.

Eigentlich hat Eiswein in Deutschlan­d wegen der klimatisch­en Bedingunge­n eine lange Tradition. In der Klassifika­tion für Qualitätsw­eine hat er sogar ein eigenes Prädikat. Aber die Bedingunge­n für die Eisweinpro­duktion sind laut DWI in den vergangene­n Jahren schon häufiger nicht optimal gewesen. Schon im 2017er-Jahrgang konnten demnach nur sieben Erzeuger Eiswein ernten. Auch Eiswein des Jahrgangs 2014 ist eine absolute Rarität. Zu den guten Eisweinjah­ren des letzten Jahrzehnts zählen die Jahrgänge 2012 und 2015, in denen bei Temperatur­en von oftmals unter minus zehn Grad Celsius sehr hochwertig­e und konzentrie­rte Weine geerntet werden konnten.

Ein Problem für Eisweinwin­zer liegt inzwischen auch darin, dass die Trauben bei höheren Sommertemp­eraturen früher reif werden. „Dadurch wird der Zeitraum, den die Trauben in einem gesunden Zustand bis zu einer möglichen Eisweinles­e überstehen müssen, immer länger“, erklärt das Weininstit­ut.

In Jahren mit geringen Erträgen wie 2019 gehen viele Erzeuger auch nicht das Risiko ein, Trauben durch eine eventuell ausbleiben­de Eisweinles­e zu verlieren. Wenn sich die warmen Winter in den nächsten Jahren häufen, dürften Eisweine aus den deutschen Weinregion­en bald eine noch kostbarere Rarität werden, als sie es sowieso schon sind. Erst recht, da sie auch lukrative Exportwein­e sind und auch in Japan, China, den skandinavi­schen Ländern und den USA sehr gerne genossen werden.

Als sehr gute Jahrgänge gelten 2012 und 2015

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Foto: karepa, stock.adobe.com Nur tiefgefror­ene Trauben werden zu Eiswein verarbeite­t.

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