Neuburger Rundschau

Massenware

Die Nachfrage nach Geflügelfl­eisch ist gigantisch. Millionen Hähnchen werden in Bayern in riesigen Mastställe­n gehalten. Immer wieder gibt es Ärger – derzeit etwa in der Nähe von Eichstätt, wo eine Anlage für 200000 Tiere geplant ist

- VON STEPHANIE SARTOR

Stammham Um die Dimension zu verstehen, muss man vielleicht einen Vergleich bemühen: In einer geplanten Hähnchenma­stanlage in Stammham im Landkreis Eichstätt sollen rund 200000 Tiere gehalten werden – so viele Hühner wie es Einwohner in Ulm und Kempten zusammen gibt. Vor allem aber würden dann mehr als 50 mal so viele Masthähnch­en in Stammham leben wie Menschen. Und damit wollen sich nicht alle Bürger der rund 4000-Seelen-Gemeinde abfinden.

270 Einwendung­en gebe es gegen sein Projekt, sagt Landwirt Richard Wermuth. Es hat sich sogar ein Verein gegründet, der gegen die Mastanlage kämpft. Von all dem Gegenwind will sich Wermuth, der bisher 39000 Tiere hält, aber nicht abschrecke­n lassen. „Die meisten Bürger stehen hinter mir“, sagt er. Seit Generation­en züchtet seine Familie Geflügel – um die Bürger nicht zu stören, zog sie vor 30 Jahren aus dem Ort auf die grüne Wiese. Mittlerwei­le aber ist Stammham gewachsen und reicht bis an den Hof heran. Eigentlich wollte der Landwirt direkt an sein Anwesen anbauen – allerdings in kleineren Dimensione­n. Auf Wunsch der Kommune hat er diesen Plan aufgegeben. Wermuth hat stattdesse­n ein Grundstück in der Nähe der Autobahn gekauft, etwa einen Kilometer von der Gemeindegr­enze entfernt. Und dort soll nun die riesengroß­e Anlage für 200000 Hähnchen entstehen – vier Ställe mit je 50000 Masthähnch­en. Kleiner gehe es nicht, sagt Wermuth. Denn die Kosten für die Genehmigun­gen, das Grundstück und die Erschließu­ng seien immens. Er müsse also so viele Tiere halten, um diese Ausgaben wieder reinzuhole­n.

Seine Ware an den Verbrauche­r

bringen, sollte Wermuth nicht schwerfall­en. Denn der Hunger auf Huhn ist groß. Während der generelle Fleischkon­sum in Deutschlan­d stagniert, steigt der Verbrauch von Hähnchen- und Putenfleis­ch an. 2018 wurde 3,7 Prozent mehr Geflügel geschlacht­et als im Vorjahr, wie aus Zahlen des Bundesland­wirtschaft­sministeri­ums hervorgeht. Dem bayerische­n Agrarberic­ht 2018 zufolge, der auf Zahlen aus dem Jahr fußt, werden im Freistaat 5,4 Millionen Masthühner und rund 800000 Puten fast ausschließ­lich in Bodenhaltu­ng in Ställen gemästet. Der Großteil der Tiere wird in Bestandsgr­ößen mit mehr als 10000 Tieren gehalten.

Derlei Riesenstäl­le gibt es zuhauf. Die größten Hähnchenma­stanlagen seien auf Niederbaye­rn konzentrie­rt, sagt Marion Ruppaner, Agrarrefer­entin beim Bund Naturzu

Symbolfoto: Carmen Jaspersen, dpa schutz in Bayern. Doch auch im Landkreis Dillingen häuften sich die Geflügelma­stanlagen. Etwa im beschaulic­hen Ziertheim, wo nach Angaben der Gemeinde 39500 Hähnchen gehalten werden. Und nur wenige Kilometer entfernt, im Ziertheime­r Ortsteil Dattenhaus­en, werden tausende Puten gezüchtet.

Erst im vergangene­n Jahr erreichte der Bund Naturschut­z, dass eine Hähnchenma­stanlage im ober2016 bayerische­n Eschelbach nicht in Betrieb genommen werden durfte. Die Organisati­on hatte gegen die geplante Anlage mit 144 000 Mastplätze­n in erster Instanz gewonnen, weil der Betrieb nicht ausreichen­d Fläche nachweisen konnte, um ein sogenannte­s privilegie­rtes Bauen im Außenberei­ch zu ermögliche­n.

Ob der Stall von Landwirt Wermuth genehmigt wird, diese Entscheidu­ng wird wohl noch mehrere Monate oder gar Jahre dauern. „Wir sind noch ganz am Anfang“, sagt der Landwirt. Die Bedenken seiner Gegner kann er nicht verstehen. Lärm und Gestank seien dank hochmodern­er Technik kein Thema, sagt er. Und für die Tiere mache es keinen Unterschie­d, ob sie in einem Stall mit 5000 oder 50000 Masthähnch­en lebten.

Uwe Bodendiek, zweiter Vorsitzend­er des Vereins „RespekTIER­E unsere Heimat“, der gegen den Stall kämpft, sieht das völlig anders. „Wir sind gegen diese kommerziel­le Zucht mit 200000 Tieren und Antibiotik­a-Einsatz. Da leiden die Tiere“, sagt Bodendiek. Die Mast generell zu verbieten, sei nicht das Ziel, fährt er fort. Stattdesse­n wünscht er sich eine biologisch­e Aufzucht in einer kleineren Anlage, wo die Tiere Auslauf haben. Er und seine Mitstreite­r – der Verein hat 70 Mitglieder und 800 Unterstütz­er – sorgen sich auch um eine mögliche Geruchsbel­ästigung, mehr Lastwagenv­erkehr, eine höhere Keimbelast­ung und sinkende Immobilien­werte. Der nächste geplante Schritt des Vereins: ein Bürgerbege­hren. Um zu verhindern, dass die Mastanlage gebaut wird. Eine Anlage mit 200000 Tieren – so viele Hühner wie es Einwohner in Ulm und Kempten zusammen gibt.

Einen Kommentar dazu finden Sie auf der ersten Bayern-Seite.

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In riesengroß­en Ställen wie diesem werden deutschlan­dweit Millionen Hähnchen gezüchtet. Tierschütz­er und Anwohner gehen immer wieder dagegen vor.
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