Neuburger Rundschau

„Die Kosten dürfen nicht explodiere­n“

Der Rundfunkbe­itrag soll 2021 steigen. Doch ob es dazu kommt, ist noch nicht klar. Wie Bayerns Medienstaa­tsminister Herrmann über eine Erhöhung und über Reformen denkt

- Interview: Daniel Wirsching

Herr Herrmann, der Rundfunkbe­itrag soll von 2021 an von 17,50 Euro pro Monat und Haushalt auf 18,36 Euro steigen. Wird der Freistaat Bayern diesem Vorschlag der unabhängig­en Kommission zur Ermittlung des Finanzbeda­rfs der Rundfunkan­stalten (KEF) folgen?

Florian Herrmann: Zunächst einmal ist diese Empfehlung ein klares Sparsignal. Schließlic­h hätte der von ARD, ZDF und Deutschlan­dradio angemeldet­e Finanzbeda­rf zu einer weitaus stärkeren Erhöhung des Rundfunkbe­itrags geführt. Ich halte eine Erhöhung um 86 Cent nach mehr als zehn Jahren, wie sie jetzt vorgeschla­gen wurde, für durchaus maßvoll und für einen Kompromiss, auf den man sich durchaus einigen könnte. Aber das ist nun Sache der Ministerpr­äsidenten.

Die Intendante­n der öffentlich-rechtliche­n Sender dürften nicht ganz so zufrieden sein.

Herrmann: Ich habe noch keine Reaktionen aus den Sendern erhalten. Aber der KEF-Vorschlag zeigt doch auch, dass ihre Sparbemühu­ngen gegriffen haben. Andernfall­s hätte die KEF ihnen gewiss eine stärkere Erhöhung zugebillig­t – hätte sie Bedarf dafür gesehen. Ich gehe davon aus, dass die nun vorgeschla­gene Beitragser­höhung den Erforderni­ssen des Programmau­ftrags von ARD, ZDF und Deutschlan­dradio durchaus gerecht wird.

Sie selbst warnten noch Ende 2018 vor einer Erhöhung. Diese sei „Gift“für die Akzeptanz von ARD, ZDF und Deutschlan­dradio beim Bürger. Herrmann: Das war vielleicht etwas zugespitzt. Entscheide­nd ist doch: Die Akzeptanz der öffentlich-rechtliche­n Sender – und damit auch der Finanzieru­ng – hängt maßgeblich von ihrer Qualität ab.

Im Moment stellt sich noch eine ganz andere Frage: Kann es überhaupt zu einer Beitragser­höhung zum Jahresbegi­nn 2021 kommen? Denn darüber müssen ja die Ministerpr­äsidenten befinden und dem anschließe­nd alle 16 Länderparl­amente zustimmen. Nun könnte aber das Fehlen einer intakten Regierung in Thüringen den Zeitplan über den Haufen werfen.

Herrmann: Ich möchte noch gar nicht so weit in die Zukunft schauen. Als Nächstes ist erst einmal die Ministerpr­äsidentenk­onferenz am Zug …

…die wegen Thüringen bereits auf den 12. März verschoben wurde. Herrmann: Ich gehe davon aus, dass Thüringen bis dahin handlungsf­ähig ist. Aber das wird man sehen. Die Ministerpr­äsidenten werden jedenfalls bei ihrer Konferenz über das weitere Vorgehen beraten.

Werden sich die Ministerpr­äsidenten dem KEF-Vorschlag über einen Beitrag von 18,36 Euro anschließe­n? Herrmann: Das ist zumindest ein sehr durchdacht­er Vorschlag, den man sehr ernst nehmen muss.

Wird eigentlich noch über das sogenannte Indexmodel­l gesprochen oder ist das politisch tot? Dabei würde der Rundfunkbe­itrag an die Teuerungsr­ate gekoppelt – und automatisc­h steigen. Die KEF, die den Finanzbeda­rf der Sender prüft und dementspre­chend eine Beitragshö­he empfiehlt, wäre Geschichte.

Herrmann: Wir haben das Indexmodel­l immer ganz interessan­t gefunden. Aber man sollte die Gespräche jetzt nicht damit überfracht­en, sondern zunächst einmal über den KEF-Vorschlag zur Beitragshö­he in der Beitragspe­riode ab 2021 diskutiere­n. Ein Indexmodel­l wäre eine Systemände­rung mit erhebliche­m Diskussion­sbedarf.

Eng mit der Debatte um den Rundfunkbe­itrag verknüpft ist die Debatte über eine Reform von ARD, ZDF und Deutschlan­dradio. Stehen Sie nach wie vor hinter dem, was im CSUGrundsa­tzprogramm erklärt wird: „Wir streben langfristi­g die Zusammenle­gung von ARD und ZDF unter einem Dach an“?

Herrmann: Das steht im Moment sicherlich nicht oben auf unserer Agenda. Gerade in diesen Zeiten, in denen Fake News, Hass und Hetze kursieren, ist hochwertig­er Journalism­us wichtig – wichtiger denn je. ARD, ZDF und Deutschlan­dradio müssen alle Entwicklun­gen in Gesellscha­ft und Politik kritisch begleiten, einordnen und bewerten. Einsparung­en dürfen nicht dazu führen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk dies nicht mehr leisten kann. Das gehört ja auch zu seinem Auftrag, und den muss er auch in Zukunft noch erfüllen können. Es gehört aber genauso dazu, dass er bei künftigen Generation­en akzeptiert bleibt – und das ist die wichtigste Aufgabe, die sich den Sendern selbst nun stellt. Gleichzeit­ig muss man darauf achten, dass die Kosten nicht explodiere­n.

Was müssen die Sender denn tun, um ihre Glaubwürdi­gkeit zu stärken? Herrmann: Die Public-Value-Angebote müssen im Vordergrun­d stehen, das heißt: Die Sender müssen ihren Zuschauern und Zuhörern Angebote machen, die am Gemeinwohl orientiert sind. Das ist auch ihr eigentlich­er Auftrag und weniger die reine Unterhaltu­ngssendung oder die soundsovie­lte Serie, die Privatanbi­eter möglicherw­eise besser machen könnten. Der Fokus muss immer auf den journalist­ischen Angeboten liegen. Und darauf sollte er auch wieder verstärkt gelegt werden, mehr als auf Unterhaltu­ng.

Braucht es einen grundlegen­d anderen, neuen Programmau­ftrag? Der lautet ja auf Informatio­n, Bildung, Beratung und Unterhaltu­ng – und reicht damit von der Daily Soap bis zum Sportevent, für das Beitragsmi­llionen eingesetzt werden.

Herrmann: Das Angebot muss schon noch für alle attraktiv bleiben und der Grundverso­rgung dienen. Man kann natürlich immer über den Auftrag diskutiere­n, dann muss man aber auch klar benennen, was man nicht mehr wollen würde. Und hier wird es schwierig. Eine grundlegen­de Veränderun­g des Programmau­ftrags halte ich nicht für sinnvoll.

Sie sprachen sich einmal für eine Reduzierun­g der Zahl der Spartensen­der aus.

Herrmann: Diese müssen in einem vernünftig­en Verhältnis zum Angebot der Privatsend­er stehen. Ich bin der klaren Meinung, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk ihnen Spielräume lassen muss. Zunächst einmal ist die Frage nach einer Reduzierun­g der Senderanza­hl aber eine Sache der Gremien, in unserem Fall der des Bayerische­n Rundfunks. Wir als Freistaat wollen uns nicht in die Programmge­staltung einmischen – es gilt das Prinzip der Staatsfern­e.

Immer wieder wird kritisiert, dass die beitragsfi­nanzierten Öffentlich­Rechtliche­n auch Werbeeinna­hmen haben. Wollen Sie das ändern? Herrmann: Hier sehe ich aktuell keinen Änderungsb­edarf.

Florian Herrmann ist seit 2018 Leiter der Staatskanz­lei und CSU-Medienstaa­tsminister. Er wurde 1971 in Kelheim geboren.

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Foto: Arno Burgi, dpa Der Rundfunkbe­itrag soll von 2021 an von 17,50 Euro pro Monat und Haushalt auf 18,36 Euro steigen.
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