Neuburger Rundschau

Woher kommt der Männerbauc­h?

Ernährung Mit zunehmende­m Alter werden viele Herren vor allem an einer Stelle dick. Welche Ursachen es gibt und ab wann die runde Körpermitt­e gefährlich wird

- VON ANGELA STOLL

Der Traum vom Waschbrett­bauch wird für viele Männer mit dem Alter immer unerreichb­arer: Im Laufe der Jahre nehmen die meisten von ihnen unweigerli­ch zu. So gelten in Deutschlan­d mehr als 70 Prozent aller Männer über 55 Jahren als übergewich­tig. In der Regel setzen sie vor allem in der Körpermitt­e an. Woran liegt das? Ab wann ist ein dicker Bauch gefährlich? Die Ernährungs­wissenscha­ftlerin Dr. Stefanie Gerlach von der Deutschen Adipositas-Gesellscha­ft erklärt die Hintergrün­de und gibt Tipps.

Warum wächst bei vielen Männern ab 50 der Bauch?

Meistens handelt es sich eher um eine kontinuier­liche, schleichen­de Zunahme. Im Schnitt legen die Deutschen um die 300 bis 500 Gramm pro Jahr zu. Daraus werden über die Jahre viele Kilos. Bewegungsm­angel ist zwar in jedem Alter weit verbreitet, in jungen Jahren gehört es aber bei vielen zum Selbstvers­tändnis dazu, dass man einen tollen Body hat und sexy rüberkommt. In der „Rush Hour“des Lebens stehen Karriere und Familiengr­ündung im Mittelpunk­t, die eigenen körperlich­en Bedürfniss­e werden oft zurückgest­ellt. Der Sport wird vernachläs­sigt, die Ernährungs­gewohnheit­en aber nicht entspreche­nd angepasst. So kann es passieren, dass man allmählich zunimmt.

Dass sich der Stoffwechs­el im Alter verändert, spielt also keine Rolle?

Es ist bekannt, dass sich die hormonelle Stoffwechs­ellage bei Frauen mit den Wechseljah­ren verändert und es leichter zu Gewichtszu­nahmen kommt. Ein solches Phänomen gibt es bei Männern nicht. Leider nimmt mit dem Alter bei vielen die Bewegung aber noch weiter ab, vor allem bei Berufen mit überwiegen­d sitzenden Tätigkeite­n – das macht viel aus. In der Mitte des Lebens haben viele das Gefühl, angekommen zu sein. Studien zeigen, dass der Status des Verheirate­tseins bei Männern das Risiko für Übergewich­t steigen lässt. Das liegt vielleicht daran, dass man dann das Gefühl hat, es sich gut gehen lassen zu dürfen. Es kann aber auch viele andere Gründe geben, die eine Rolle spielen, zum Beispiel ungeeignet­es Kantinenes­sen, die vielen Fast-FoodAngebo­te auf dem Nachhausew­eg und so weiter.

Warum sammelt sich bei Männern das Fett eigentlich vor allem am Bauch an?

Das ist genetisch bedingt. Typischerw­eise hat das Fettvertei­lungsmuste­r bei Männern eine Apfelform, sie nehmen vor allem in der

zu. Bei Frauen sammelt sich das Fett meist eher an Gesäß, Oberschenk­eln und Hüften an. Fett im Bauchraum ist so gefährlich, weil es sich um besonders stoffwechs­elaktives Gewebe handelt. Es geht einher mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheite­n, Diabetes, Fettleber und anderen Erkrankung­en.

Gilt das auch dann, wenn man ansonsten schlank ist?

Ja, maßgeblich ist hier der Taillenumf­ang. Bei Männern gilt: Ab 94 Zentimeter­n ist das Risiko für leicht und ab 102 Zentimeter­n stark erhöht. Gemessen wird an der schmalsten Stelle zwischen oberem Beckenkamm und unterem Rippenboge­n – etwa auf Höhe des Bauchnabel­s. Die Messung ist vor allem sinnvoll bei leichtem Übergewich­t, also einem Body-Mass-Index zwischen 25 und unter 30. Bei leichtem Übergewich­t und erhöhtem Taillenumf­ang spricht man von einer rumpfbeton­ten Adipositas, hier würde man zu einer moderaten Gewichtsab­nahme raten. Ab einem Body-Mass-Index von 30 ist das Risiko für StoffwechK­örpermitte selkrankhe­iten dann in jedem Fall erhöht.

Man spricht von „Bierbauch“. Ist wirklich oft das Bier schuld?

Das kann durchaus sein, ist aber oft nicht der alleinige Grund. Flüssige Kalorien sind besonders gefährlich, weil man von ihnen nicht satt wird. Man trinkt das so weg, isst deswegen aber nicht weniger. Zum Durstlösch­en sind kalorienfr­eie oder -arme Getränke besser geeignet. Bier und andere alkoholisc­he Getränke sollten auch deshalb nicht gegen den Durst getrunken werden – wenn überFolgee­rkrankunge­n haupt, nur in geringen Mengen zum Genuss.

Wie wichtig ist, wann man isst – schlägt das abendliche Geschäftse­ssen besonders zu Buche?

Grundsätzl­ich kommt es auf die Summe der Kalorien am Tag an. Wer tagsüber hungert oder vor lauter Arbeit das Essen schlicht vergisst, hat abends Heißhunger und kennt oft kein Maß mehr. Viele Menschen sind auch Entspannun­gsesser. Sie arbeiten tagsüber hart und wollen sich abends etwas Gutes tun, indem sie üppig essen. Das schlägt langfristi­g zu Buche.

Viele Männer sind beruflich stark eingespann­t, zum Kochen bleibt kaum Zeit. Haben Sie Tipps für sie?

Ich würde ihnen raten, möglichst kalorienfr­ei zu trinken und bei Lebensmitt­eln auf Frische zu achten. Wer gelegentli­ch auf Fertigprod­ukte ausweicht, sollte versuchen, sie mit Frischem aufzuwerte­n, zum Beispiel einen Salat vorweg oder ein Stück Obst dazu zu essen. Ansonsten ist es wichtig zu merken, wann man über die Stränge geschlagen hat und dann für einen Ausgleich zu sorgen. Dazu braucht man eine hohe Selbst-Aufmerksam­keit, und die geht im Alltag leider oft verloren.

Was hilft, wenn der Bauch schon recht beachtlich ist?

Wenn jemand mehr als drei bis fünf Kilo abnehmen möchte, würde ich empfehlen, eine Ernährungs­beratung aufzusuche­n. Abzunehmen ist nicht so schwer – das Gewicht anschließe­nd zu halten ist die größere Herausford­erung. Da kann ein Coach sehr hilfreich sein. Manchmal reichen kleine Änderungen im Alltag, die helfen, das Gewicht zu halten. Bei starkem Übergewich­t wird ein multimodal­es Therapiepr­ogramm mit ärztlicher Betreuung, Ernährungs­beratung, verhaltens­therapeuti­scher Unterstütz­ung und Bewegungst­herapie erforderli­ch.

Und um Gewohnheit­en zu ändern, braucht man einen Experten?

Es kann helfen – manchmal hat man ja blinde Flecken im Kopf und sieht die Zusammenhä­nge nicht. Eine bewährte Methode ist aufzuschre­iben: Was habe ich wann und warum gegessen? Vielleicht fragt man sich dann: Hätte ich in diesem Moment wirklich so viel essen müssen oder hätte es vielleicht etwas anderes gegeben, das mich genauso befriedigt hätte? Ein Protokoll ist sinnvoll, um sich selber auf die Spur zu kommen.

Stefanie Gerlach ist Ernährungs­wissenscha­ftlerin und Medienspre­cherin im Vorstand der Deutschen Adipositas-Gesellscha­ft.

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Foto: Ralf Hirschberg­er, dpa Die Zunahme am Bauch ist bei Männern oft ein schleichen­der Prozess. Meist sind Bewegungsm­angel, aber auch eine falsche Ernährung die Ursachen.
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