Neuburger Rundschau

Leben, Liebe und Wirtschaft­swunder

Vernissage Zwei populäre Ausstellun­gen sind seit Sonntag in Neuburg zu sehen – darunter Werke von Pop-Art-Künstler James Rizzi und Bilder des Fotografen Max Julius Sayle. So waren die Eröffnunge­n

- VON ELKE BÖCKER UND ELISA-MADELEINE GLÖCKNER

Neuburg Der Querschnit­t einer Innenstadt. Ein Hochhaus quetscht sich neben das andere, Tetris-Format. Bars, ein Blumenlade­n, dann Sportler und Liebende. Und unter der Skyline ducken sich Autos und Risse im Asphalt. Die Sonne, am Himmel, sie lacht, die Vögel fliegen.

„Back in Brooklyn“– so der Titel dieses Werks von James Rizzi – kann stellvertr­etend sein für die naiv-bunten Szenen, die den Erfinder der 3D-Grafik so berühmt gemacht haben. Jetzt ist sein Atelier im Schloss ausgestell­t. Und es ist es nicht die einzige Vernissage, die seit dem Wochenende in Neuburg zu sehen ist.

Dennoch, dass gerade diese Exposition begehrt sein wird, war zu erwarten. Allein das Teilstück der Berliner Mauer – vom Pop-Art-Künstler James Rizzi bemalt – wurde in den vergangene­n Tagen und Wochen von vielen Neuburgern begeistert bewundert. So imposant dieser dreieinhal­b Tonnen schwere Brocken vor der Galerie Nassler auch war, so eindrucksv­oll zeigte sich dann die Präsentati­on des umfangreic­hen Rizzi-Ateliers am Sonntagmit­tag – mit Rotem Teppich, Schlosskul­isse und Ehrengast.

Zur Eröffnung der Retrospekt­ive nämlich war Roberta Rizzi, die fünf Jahre jüngere Schwester des Künstlers, aus Florida angereist. Sie erzählte den Besuchern, dass ihr Bruder das malerische Geschick als Kind zunächst an den Wänden des eigenen Zuhauses ausprobier­t habe. Erst später, im Studium, sei er gewachsen. Wie sich seine Schwester an diesem Tag erinnerte, sei Rizzi als Kind gegangen und als Künstler zurückgeko­mmen – bis er die Familie verließ, um in New York als Straßenkün­stler zu arbeiten. Dort, im Stadtteil Soho, wurde er zur Pop-Art-Legende, als die er 2011 dann auch starb.

Seine positiven, immer lustigen und farbenfroh­en Gemälde werden oft von Motiven seiner Heimatstad­t beeinfluss­t. In ihrer Gesamtheit dokumentie­ren die Bilder die Vielfalt des Lebens. Da begegnen sich Katzen auf Mülltonnen, zwei Vögel küssen sich auf einem Herz und die Menschen, sie schaukeln oder sitzen, liegen und lachen auf dem Gras. Barbara Nassler, die die Vernissage überhaupt erst initiiert hatte, sagte: Deshalb habe sie die Ausstellun­g nach Neuburg geholt. „Damit in unseren Alltag die Farbe, das Leben und die Liebe zurückkomm­en.“

Die zweiteilig­e Exposition trägt den Titel „Von New York nach Neuburg“und ist bis 26. April zu den üblichen Öffnungsze­iten des Schlosses zu besichtige­n. Das heißt, im März von 10 bis 16 Uhr und im April von 9 bis 17 Uhr.

Rizzi ist allerdings nicht der einzige Künstler, dessen Werke seit Sonntag in Neuburg zu betrachten sind. „Wirtschaft­swunderjah­re“heißt die Ausstellun­g des Stadtarchi­vs, die im

eine Stadt Neuburg zeigt, wie es sie schon eine Weile nicht mehr gibt. Viele Einzelhand­elsgeschäf­te sind aus dem Bild der Stadt verschwund­en, längst geht „Verkehrsan­bindung vor Wohnrauman­bindung“, erklärte Stadtarchi­var Patrick Wiesenbach­er in seiner Einführung zur dritten Sayle-Foto-Ausstellun­g. Doch die Fotos von Max Julius Sayle, die dem 130.000 Foto starken Sayle-Archiv im Stadtarchi­v entstammen, illustrier­en diese zahlreiche­n kleinen Geschäfte, die in den 50ern und 60ern immer mehr Konsum möglich machten. Da gab es zum Beispiel Eisen Oswald, das Modehaus Markmiller, das Uhrengesch­äft Kuntscher oder den Kiosk in der Schlossmau­er. Trotzdem waren die 50er und 60er in Neuburg alles andere als Wirtschaft­swunderjah­re. Gab es doch 1950 rund 2500 Arbeitslos­e, viel zu wenige Wohnungen und einen allzu geringen Grad der Industrial­isierung. Erst unter Theo Lauber wurde in den 60ern die Erschließu­ng des Industrieg­ebiets an der Grünauer Straße in Angriff genommen. Noch 1967 hat der damalige Stadtkämme­Marstallfo­yer rer eine „Intensivie­rung“der Industrial­isierung gefordert. Trotz dieser eher schwierige­n Bedingunge­n hatte Neuburg eine Vielzahl an Geschäften zu bieten und auch das Lebensmitt­elgeschäft Angerer – ohne Einzelbedi­enung – zeugte von neuen Kaufmöglic­hkeiten in der damals noch schwäbisch­en Kleinstadt.

Übriggebli­eben sind nur wenige Geschäfte wie das Kaufhaus Bullinger, Elektro Linzi oder die Bäckerei Six, jetzt Göbel. Wie sehr den Neuburgern diese Geschäfte am Herzen lagen, zeigte der Ansturm auf die

Vernissage, über den sich auch Oberbürger­meister Bernhard Gmehling freute. Man könnte sich über eine größere Lokation für die nächste Ausstellun­g und eine umfassende­re Veröffentl­ichung des bedeutende­n Fotoschatz­es Gedanken machen.

Interessie­rte können sich die Ausstellun­g von Montag bis Donnerstag von 9 bis 12 Uhr und 14 bis 16 Uhr ansehen. Donnerstag­s und freitags ist sie zusätzlich von 17 bis 19 Uhr geöffnet. An Sams-, Sonn- und Feiertagen bietet sich die Möglichkei­t, das Foyer von 11 bis 19 Uhr zu besuchen.

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Fotos (2): Elisa Glöckner „Von New York nach Neuburg“: So heißt die Exposition von James Rizzi, die seit Sonntag im Neuburger Schloss ausgestell­t ist. Galeristin Barbara Nassler hatte das Atelier des US-amerikanis­chen Künstlers nach Oberbayern geholt.
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Foto: Elke Böcker Er steht vor den Sayle-Werken im Marstallfo­yer, die noch bis 29. März zu sehen sind: der Neuburger Stadtarchi­var Patrick Wiesenbach­er.
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Sie hat die Rizzi-Ausstellun­g im Neuburger Schloss eröffnet: die fünf Jahre jüngere Schwester des verstorben­en Pop-Art-Künstlers Roberta Rizzi.

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