Neuburger Rundschau

Der Mann von Schnee

- Von Friedrich Wilhelm Güll

Der Schneemann dort am Gartenzaun­e Hat gar eine üble Laune. Steht er da voll Trutz und Groll, Weiß nicht, was er reden soll. Und die Sonne blinkt und blitzt, Dass er wie ein Kranker schwitzt. Weil der Himmel ist so blau, Ärgert er sich braun und grau; Weil die Wiesen werden grün, Ärgert er sich schmal und dünn. Schneemann ist in großer Not, Denn es winkt ihm schon der Tod. Noch ein Schnapper, noch ein Schnauf Und er steht nicht wieder auf. Kommen dann die schwarzen Raben, Seine Leiche zu begraben. Und Schneeglöc­klein will vor Freuden, Ihm die Sterbegloc­ke läuten. Und die Lerch’ vor allen Dingen Ihm ein Schlummerl­iedchen singen.

Aber wo ist er zu finden? Vornen nicht und auch nicht hinten. Freilich, weil ihm ganz zerbrochen An der Sonne seine Knochen, Weil zu Wasser er zerronnen An dem Glanz der goldnen Sonnen. Kommt der Storch dazu geflogen Und die Schwalbe hergezogen, Fragen nach dem toten Mann, Niemand von ihm sagen kann: Wälzt der Storch mit seinem Bein An den Zaun hin einen Stein; Und die Schwalbe mit dem Schnabel Schreibt darauf die ganze Fabel: Hier liegt einer, der im Leben, Weiter keinen Taug gegeben; Der sich faul und sehr verstockt, Lebenslang dahergehoc­kt;

Und damit er doch nicht länger Bleiben soll ein Müßiggänge­r Und ein Griesgram und ein Hasser, Schmolz der Frühling ihn zu Wasser; Und damit will er begießen All die Blumen auf den Wiesen, Dass sie weiß und gelb und grün Euch zur Lust und Freude blüh’n.

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