Neuburger Rundschau

Deutschlan­ds Wirtschaft braucht keinen Aktionismu­s

Die Folgen des Coronaviru­s schaden vielen Unternehme­n. Die Regierung kann helfen. Doch ihre Maßnahmen wirken meist nur langfristi­g

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger-allgemeine.de

Deutschlan­d verfügt über den finanziell­en Spielraum, die lahmende Konjunktur anzukurbel­n. Dazu muss nicht einmal die Schuldenbr­emse gelockert und das nach wir vor verteidigu­ngswerte Prinzip der „schwarzen Null“aufgegeben werden. So wird die Bundesregi­erung angesichts der negativen wirtschaft­lichen Folgen der Epidemie wohl finanziell­e Fettpolste­r nutzen, um für bessere Stimmung im Land zu sorgen. Damit bewährt sich die zu Unrecht als knausrig gescholten­e Strategie von Finanzmini­ster Olaf Scholz, erst dann die Wirtschaft anzukurbel­n, wenn eine ernsthafte Krise vorliegt. Und eine solche zeichnet sich ab. Denn die Ökonomen der Organisati­on für wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Entwicklun­g befürchten, Europa und Japan könnten in eine Rezession abrutschen, wenn sich die Krankheit weiter ausbreitet. Das dürfte allerdings nicht zu einer lang anhaltende­n, sondern eher milden und damit kurzen Rezession führen. Danach geht es mit hoher Wahrschein­lichkeit wieder bergauf, zumal wenn die Ausbreitun­g des Coronaviru­s eingedämmt ist und hoffentlic­h auch ein Impfstoff gefunden werden kann.

Der durch das Virus ausgelöste Konjunktur­einbruch kann zwar heftig sein, er ist aber zeitlich begrenzt. Der Zusammenha­ng muss in alle Überlegung­en für staatliche Wachstumsp­akete einbezogen werden. Konjunktur-Aktionismu­s, also eine zu expansive Finanzpoli­tik, ist nach derzeitige­m CoronaStan­d nicht angebracht. Noch stehen Deutschlan­d und andere Staaten nicht wie im Jahr 2008 vor dem Abgrund, als die Finanzmark­tkrise das Herz des Kapitalism­us gefährlich angegriffe­n hatte und Geldhäuser wie die Fliegen umfielen.

Was heute hilfreich sein kann: Schon 2008 waren Angela Merkel als Bundeskanz­lerin und Scholz als Arbeitsmin­ister Teil des Krisenstab­s. Sie leisteten damals neben Finanzmini­ster

Peer Steinbrück gute Arbeit. Merkel und Scholz hatten erkannt, wie wirkungsvo­ll das Instrument staatlich geförderte­r Kurzarbeit ist, um Massenentl­assungen bei Schocks wie der Bankenkris­e zu verhindern. Auch in der Corona-Ära ist dieses Werkzeug des wirtschaft­spolitisch­en Baukastens die erste Wahl. Denn so können Unternehme­n Fachkräfte halten, auch wenn sie massive Auftragsrü­ckgänge zu verzeichne­n haben.

Doch nicht jedes staatliche Werkzeug wirkt derart rasch wie großzügige Kurzarbeit­sregelunge­n. Darauf verweist zu Recht Commerzban­k-Chefvolksw­irt Jörg Krämer. Denn wenn Deutschlan­d nun, was im Prinzip richtig ist, mehr Geld investiert, dauert es oft Jahre, bis sich ein solcher Schritt auszahlt. Es reicht nicht, höhere Beträge für den Ausbau von Datennetze­n oder

Verkehrswe­gen zur Verfügung zu stellen. Dazu bedarf es schließlic­h vor allem ausreichen­der Planungska­pazitäten in den Behörden. In der Vergangenh­eit wurde hier aber über Gebühr gespart, was sich nun rächt. Finanz- und Wirtschaft­spolitiker müssen deshalb das Mögliche tun und vom Coronaviru­s besonders betroffene­n Firmen unbürokrat­isch Hilfe zusagen. Wenn es gut läuft, kann Deutschlan­d trotz der tückischen Krankheit 2020 mit einem Mini-Wachstum beenden.

Ohnehin stehen die Ökonomen nicht im Vordergrun­d. Es geht um die Gesundheit der Bürger und daher sind nun die Gesundheit­spolitiker gefragt. Ressortche­f Jens Spahn füllt seine Rolle unaufgereg­t und gewissenha­ft aus, wie das Merkel und Scholz 2008 ebenso taten.

Krisen sind aber auch Anlass zur Selbstkrit­ik. Unternehme­r sollten sich fragen, ob sie an einer derart komplizier­ten, bis in die allerletzt­en Winkel der Welt verteilten und damit extrem anfälligen Lieferkett­e festhalten wollen. Das ist ökologisch fragwürdig und kann in Epidemie-Zeiten massiv Geld kosten.

Die Finanzkris­e war weitaus gefährlich­er

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