Der Beste der Besten
Eishockey-Profi Leon Draisaitl glänzt als Torschütze und Passgeber für die Edmonton Oilers. In Kanada ist er ein echter Superstar
Schlaf wird überschätzt. An einem Samstag während der Eishockey-Weltmeisterschaft in Deutschland landet Leon Draisaitl um 11 Uhr in Frankfurt. Der Deutsche Eishockey-Bund lässt seinen Star einschweben. Neun Stunden später fliegt der Ausnahmekönner über das Eis und führt Deutschland zu einem 4:1 gegen Italien. Danach ist er endgültig platt: „Ich würde am liebsten bis Dienstag durchschlafen.“So sind Eishockeyspieler: Nicht reden, machen. Das Erzählen ist sowieso nicht die Stärke des 24-Jährigen. Ja, er genießt es, in seiner Geburtsstadt zu sein und seine Kölner Kumpels zu treffen, sagt Leon mit leiser Stimme. Wenn er in die Heimat kommt, freut er sich auf Bodenständiges: „Spaghetti bolognese von meiner Mutter und Apfelpfannkuchen von meiner Oma – das ist überragend.“Lästig, dass die Journalisten
immer so privates Zeug von einem wissen wollen.
Am wohlsten fühlt sich der 1,94 Meter große Mittelstürmer auf dem Eis. In der nordamerikanischen Profiliga NHL spielt der Mann mit der Trikotnummer 29 eine großartige Saison, wieder einmal. Mit 102 Punkten – 39 Treffer und 63 Vorlagen – führt der deutsche Nationalstürmer die Scorerwertung der NHL deutlich an. Er ist der Beste der Besten. Schon in den kommenden Tagen dürfte Draisaitl seine Bestmarke von 105 Punkten aus der Vorsaison übertreffen. Der Kölner schickt sich an, als erster deutscher EishockeyProfi die „Art Ross Trophy“des besten NHL-Punktesammlers zu gewinnen.
Mehr als mit Zahlen beeindruckt der
Angreifer mit seiner Präsenz auf dem Eis. Er schirmt den Puck mit dem Körper und den langen Armen perfekt ab. Draisaitl kann ein Spiel lesen, und zwar auch die nächsten Seiten. Blind weiß der Edmonton-Star, wo sein Partner und Torjäger Connor McDavid in der nächsten Sekunde stehen wird. 2017 haben die Oilers das Duo langfristig mit Acht-JahresVerträgen an sich gebunden. McDavid kassiert 100, Draisaitl immerhin noch 68 Millionen Dollar. Geld schießt zwar in diesem Fall Tore, aber garantiert noch nicht den Erfolg. Da der Rest des Teams zu schwach war, verpassten die Oilers zuletzt die K.-o.-Runde. Aktuell sieht es besser aus. Draisaitl, der mit seiner Freundin und Hund in Edmonton lebt, sagt: „Es geht darum, die Play-offs zu erreichen. Ich denke, ich habe das schon eine Million Mal gesagt. Ihr denkt wahrscheinlich, ich bin langweilig.“Finden die Fans nicht, sie fiebern mit. In Edmonton, hat Draisaitl vor kurzem erzählt, könne er sich auf der Straße nicht mehr frei bewegen. Überall lauern Autogrammund Selfie-Jäger. Bundestrainer Toni Söderholm verfolgt den Höhenflug mit gemischten Gefühlen. Im Fall des Play-off-Einzugs der Oilers müsste der Finne auf den Stürmer bei der WM im Mai in der Schweiz verzichten. Draisaitls fünfte WM-Teilnahme in Serie käme nur infrage, sollten die Oilers die Playoffs doch nicht erreichen. Dann könnte er wieder einfliegen und egal ob ausgeschlafen oder nicht – Draisaitl macht jedes Eishockeyteam der Welt besser. Milan Sako