Alkoholfrei war gestern
Mit Bitburger bringt nun der erste Brauriese ein glutenfreies Bier heraus. Die Hoffnungen sind groß, aber es gibt warnende Beispiele
Bitburg Lady Gaga tut es. Miley Cyrus und Gwyneth Paltrow auch. Und etliche Millionen Menschen in Deutschland ebenso: Sie ernähren sich glutenfrei. Weil sie es aus gesundheitlichen Gründen müssen oder aus ernährungstechnischen Gründen wollen. Der Markt für glutenfreie Lebensmittel wächst seit Jahren – jetzt kommt aus Bitburg ein neues Produkt hinzu: Die Bitburger Brauerei hat ein glutenfreies Bier entwickelt, das jetzt deutschlandweit zu kaufen ist und nun dauerhaft zum Sortiment gehört.
Das Klebereiweiß Gluten ist in vielen Getreidesorten enthalten – so auch in Braugerste. Mehr als zwei Jahre haben die Brauer in der Eifel an dem hellen Lagerbier getüftelt, bei dem das Gluten durch ein natürliches Enzym während der Reifung abgebaut wird. Bitburger sei die erste große Brauerei, die das glutenfreie Bier unter ihrer Marke anbiete, sagt Bitburger-Sprecher Axel Dahm. Allerdings gibt es bereits ein paar kleinere Anbieter von glutenfreien Bieren auf dem Markt, wie etwa die Brauerei Neumarkter Lammsbräu, die zwei „glutenfreie Spezialitäten“im Angebot hat.
Beide Produkte hätten sich über die vergangenen Jahre gut entwickelt, sagt Geschäftsführer Johannes Ehrnsperger. Der Markt für Biere „frei von Gluten“sei allerdings noch
„ein Nischenmarkt“, sagt ein Sprecher des Deutschen Brauerbunds in Berlin. Mit Radeberger hat ein anderer Brau-Riese seine Experimente mit glutenfreiem Bier bereits wieder eingestellt. Mit einem geschätzten Marktanteil von unter einem halben Prozent am Gesamtbiermarkt spielten diese in Deutschland kaum eine Rolle. Daher habe eine Tochtergesellschaft der Gruppe den Vertrieb ihres glutenfreien Pionier-Pilseners Ende 2019 eingestellt.
Bitburger hofft zum Start seines glutenfreien Bieres, das zunächst im Sixpack erhältlich ist, auf ein Zusatzgeschäft. Bereits im Vorfeld habe es so viele Anfragen von Verbrauchern gegeben, wann das Bier in den Handel komme, sagt die Sprecherin der Braugruppe.
„Das haben wir so noch nie gehabt.“Insider berichten, andere Brauer stünden ebenfalls mit glutenfreien Bieren in den Startlöchern.
Der Biermarkt steht seit Jahren unter Druck. Die Brauereien in Deutschland haben 2019 so wenig Bier verkauft wie seit vielen Jahren nicht mehr:
Mit 9,22 Milliarden Litern wurde der bisherige
Minusrekord aus dem Jahr 2017 (9,35 Milliarden Liter) unterboten, hatte das Statistische Bundesamt Ende Januar berichtet.
Von einer Glutenunverträglichkeit (Zöliakie) sind nach Angaben der Deutschen Zöliakie-Gesellschaft mehr als 800000 Menschen in Deutschland betroffen. Das entspricht ungefähr einem Prozent der Bevölkerung. Hinzu kommen Personen, die eine Gluten-Sensitivität haben und solche, die als Trend auf Gluten verzichten. Die Auswahl an Produkten nehme ständig zu – die Palette reiche von der Tiefkühlpizza bis zum Keks. Lebensmittel ohne Gluten seien allerdings alle ungefähr doppelt so teuer wie Produkte mit Gluten. Zöliakie ist eine Autoimmunerkrankung: Die Aufnahme von Gluten führt zu einer Entzündung des Dünndarms und einer Rückbildung der Dünndarmzotten. Dadurch können Nährstoffe nicht in ausreichender Menge vom Darm aufgenommen werden. Folge sind Mangelerscheinungen, die sich in Symptomen wie Durchfall, Verdauungsbeschwerden oder Übelkeit zeigen und nur durch Nahrungsumstellung zu bekämpfen sind.