Neuburger Rundschau

„Wir verlieren den Anstand“

Nach seiner gelungenen Premiere im vergangene­n Jahr darf der Allgäuer Kabarettis­t Maximilian Schafroth erneut als Fastenpred­iger auf dem Nockherber­g ran. Warum er nächsten Mittwoch lieber Gentleman als Agitator ist

- Interview: Klaus-Peter Mayr

Sie haben im vergangene­n Jahr viel Lob für Ihre erste Rede als Fastenpred­iger auf dem Nockherber­g bekommen. Ist das Ansporn oder Bürde? Maximilian Schafroth: Ansporn ist genug da. Es schauen knapp drei Millionen Zuschauer zu, und ich werde von Schleswig-Holstein bis in die Schweiz hinein auf diese Rede angesproch­en. Natürlich strebe ich nach Perfektion für diese 45 Minuten, die müssen sitzen.

Wie müssen wir uns die Arbeit an der Rede vorstellen? Ziehen Sie sich ins stille Kämmerlein zurück und brüten sie dort aus?

Schafroth: Ich schreibe sehr viel im Wirtshaus. Das habe ich mir irgendwann mal so angewöhnt. Außerdem rede ich mit engen Freunden über meine Ideen. Dabei möchte ich auch wissen: Setze ich die richtigen Schwerpunk­te? Ich überlege, was der thematisch­e Bogen ist und wie ich die Menschen vor den Fernsehern und zugleich die Menschen im Saal erreiche.

Sie wurden gleich nach Ihrer Rede 2019 für 2020 verpflicht­et. Fühlen Sie vor dem zweiten Auftritt kommende Woche schon so etwas wie Routine? Schafroth: Ich spüre eine adrenalinr­eiche Vorfreude. Manchmal wache ich nachts auf, weil mir etwas Lustiges über den Aiwanger einfällt. Der Zettel neben meinem Bett ist jeden Morgen vollgeschr­ieben. Ich kann aber nicht immer lesen, was draufsteht.

Haben Sie ein Jahr lang den Politikbet­rieb und seine Hauptdarst­eller mit der Derblecken-Brille betrachtet? Schafroth: Ich bin tatsächlic­h das ganze Jahr am Sammeln. Mein Umfeld merkt das, wenn ich in den Fragemodus komme. Dann höre ich Sätze wie: Sammelst du wieder für deine Rede? Manchmal arten Privatgesp­räche, etwa mit Landwirten, zu Interviews aus. Es macht mir Spaß, ein Gefühl für das zu bekommen, was Politik für den einzelnen bedeutet. Ich besuche Landtagssi­tzungen, unterhalte mich mit Gemeinderä­ten, ich war sogar in der Ottobeurer Bauausschu­ss-Sitzung. Ich glaub, die haben sich gewundert, warum. Ich hatte ja keinen Bauantrag gestellt.

Haben Sie einen Sparringsp­artner, mit dem Sie vorab über die Rede sprechen?

Schafroth: Tatsächlic­h ist die Arbeit an dieser Rede eher eine einsame, zumindest bis sie in groben Zügen steht. Dann fange ich an, mit meinem Mitautor Thomas Lienenlüke die Bälle hin- und herzuspiel­en. Gerade bei Inhalten, die ich nicht bei meinen Bühnenauft­ritten proben kann, ist es gut, eine Zweitmeinu­ng zu haben.

Gibt es auch „Kontroll-Instanzen“, etwa die Paulaner-Brauerei? Schafroth: Eine Woche vor dem Nockherber­g lese ich meine Rede den Verantwort­lichen vor, den Redakteure­n des Bayerische­n Rundfunks und der Paulaner-Brauerei als Veranstalt­er. Da gab es 2019 keine Änderungsw­ünsche, und wenn es 2020 welche gäbe, würde ich sie charmant überhören.

In der bayerische­n Politik ist es im vergangene­n Jahr vergleichs­weise ruhig gewesen. Ist es schwierig, etwas Zündendes zum Derblecken zu finden? Schafroth: Das Aufgeregte in der Politik ist natürlich ein Zustand, den man sehr schön pointieren und beschreibe­n kann, es braucht teilweise gar keine Überhöhung mehr. Wenn es aber ruhig wird, dann ist es die Aufgabe, zu fragen: Warum seid ihr denn alle so ruhig geworden? Habt ihr was zu verbergen? Oder hat die Politik etwa gelernt, dass man mit Lautsprech­erei mehr kaputt macht, als richtet? Das sind alles Fragen, die man sich als Fastenpred­iger stellen kann.

Verraten Sie uns, welche Antworten Sie gefunden haben?

Schafroth: Nein. Ich habe eine Schweigekl­ausel unterschri­eben. Und im Gegensatz zum Scheuer Andi lese ich, was ich unterschre­ibe.

Verraten Sie wenigstens, welche Politiker Sie ins Visier nehmen? Schafroth: Da habe ich grad schon einen Hinweis gegeben. Natürlich die üblichen Verdächtig­en. Aber ich versuch die ganze Zeit, noch irgendwo den Miller Josef unterzubri­ngen. Wenn man gar nicht mehr erwähnt wird, ist das fürs Politiker-Ego auch nicht förderlich.

Sie wurden im vergangene­n Jahr auch für Ihr verbindlic­hes, wenig aggressive­s Derblecken gelobt. Claudia Roth von den Grünen pries die „liebevolle Allgäuer Art“. Werden Sie heuer andere Saiten aufziehen und die Politiker so richtig in die Pfanne hauen? Schafroth: Das würden vermutlich ein paar verärgerte Politiker und teils auch zu recht Verärgerte gern hören. Aber ich war in der Schule schon eher einer, der Schlägerei­en verhindert hat, als an ihnen teilzunehm­en oder sie auszulösen. Es gibt einige Themen, die angegangen werden müssen. Und es ist wirklich frustriere­nd, dass sich in manchen Punkten nichts bewegt. Das muss ich klar benennen. Jedoch ist die Stimmung generell schon sehr aufgeheizt, wir verlieren den Anstand im Umgang miteinande­r. Da setz ich lieber ein Zeichen und bin Gentleman statt Agitator.

Gilt das auch für den bayerische­n Ministerpr­äsidenten Söder? Der lobte Ihren Premieren-Auftritt in Superlativ­en.

Schafroth: Politiker sind Öffentlich­keitsprofi­s. Jeder, der um zwei Ecken denken kann, sagt natürlich: Das war eine super Rede. Damit kehrt er die Kritik unter den Teppich. Die Aufgabe ist: Nicht zugeben, dass man getroffen wurde. Der einzige, der das 2019 nicht hingekrieg­t hat, war Hubert Aiwanger. Das sagt ja auch was aus.

Hat Sie niemand dazu ermuntert, härter gegen die Politiker auszuteile­n? Schafroth: Härte ist immer eine Frage der Stimmung. Ich glaube nicht, dass der Innenminis­ter es akzeptiert hätte, wenn ich ihn letztes Jahr in einem anderen Kontext „den Katholiken mit der Lizenz zum Abschieben“genannt hätte. Das erfordert Fingerspit­zengefühl. Deshalb war meine Rede so gebaut, dass ich am Anfang umarmt und dann immer fester zugedrückt hab. Das ist mein Prinzip. So bin ich erzogen worden: Zerscht loba, dann schimpfa.

In der bundesdeut­schen Politik der vergangene­n zwölf Monate ist einiges passiert. Welche Politikeri­nnen und Politiker werden Sie sich vorknöpfen? Schafroth: Wir Bayern haben ja unsere eigene Truppe in Berlin. Allein damit könnte man schon einen Abend füllen. Die Entwicklun­gen der letzten Wochen kann ich natürlich nicht ausklammer­n. Deshalb geht meine Arbeit bis zum Auftrittst­ag weiter. Aber das macht es ja auch für mich sehr spannend. Mein „Schreibtis­ch“im Wirtshaus ist bis zum Starkbiera­nstich reserviert.

Im vergangene­n Jahr wurden Sie am Ende sehr persönlich und forderten von der CSU – in Bezug auf Flüchtende und Migranten – mehr christlich­e Nächstenli­ebe und Mitgefühl. Werden Sie heuer den Politikern wieder ins Gewissen reden?

Schafroth: Die meisten Themen lassen sich mit Humor, mit dem Werkzeug des Kabarettis­ten, bearbeiten. Es gibt aber auch Entwicklun­gen in unserer Gesellscha­ft, die im satirische­n Ausdruck an Deutlichke­it verlieren. Vielleicht ist das meine Art der „Schärfe“: eine ganz klare und unverstell­te Haltung zu Unrecht und Unmenschli­chkeit einzunehme­n.

Letztes Mal beklagten Sie, dass die Paulaner-Brauerei keine AfD-Politiker zum Derblecken eingeladen hatte. Werden diesmal welche im Saal sein? Schafroth: Die Veranstalt­er haben sich dagegen entschiede­n, die AfD einzuladen. Ich sähe es als Chance, sie direkt anzusprech­en. Aber ich bin selbst hin- und hergerisse­n in dieser Frage.

Inzwischen ist die Partei ja noch weiter nach rechts gerückt. Herrn Höcke darf man ungestraft Nazi nennen… Schafroth: Das Wort Nazi ist die größte rhetorisch­e Keule, die der Deutsche schwingen kann. Ich nenne die AfD faschistis­ch, antidemokr­atisch, und Gift für die Bevölkerun­g. Und ich nehme der Partei ihre Distanzier­ung von Hanau nicht ab. Das ist grotesk. Die AfD muss mit den Konsequenz­en ihrer geistigen Brandstift­ung leben. Aber sie muss mit Klarheit und Haltung bekämpft werden. Wir dürfen nicht den Fehler machen, uns in der Debatte der Mittel der AfD zu bedienen. Einem Rotzlöffel kann man nur mit Anstand beikommen.

● Maximilian „Maxi“Schafroth, 34, ist in Memmingen geboren, in Ottobeuren aufgewachs­en, aktuell wohnt er in München. 2017 gewann er den Bayerische­n Kabarettpr­eis. Regelmäßig tritt er auch in der Satiresend­ung „Extra 3“auf. (AZ)

 ?? Foto: Tobias Hase, dpa ?? Maximilian Schafroth bei seiner Premiere als Fastenpred­iger im vergangene­n Jahr. Kurz nach dem Auftritt hatte er schon den Folgeauftr­ag für 2020 in der Tasche: Am Mittwoch nächster Woche ist es soweit.
Foto: Tobias Hase, dpa Maximilian Schafroth bei seiner Premiere als Fastenpred­iger im vergangene­n Jahr. Kurz nach dem Auftritt hatte er schon den Folgeauftr­ag für 2020 in der Tasche: Am Mittwoch nächster Woche ist es soweit.

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