Neuburger Rundschau

„Es geht ans Eingemacht­e!“

Diana Damrau gibt an der Staatsoper in München ihr Rollendebü­t als Amalia in Verdis „I masnadieri“. Hier spricht sie auch über ihre beiden Buben – und dass sie nicht im Bikini auf die Zugspitze rennen wird

- Interview: Rüdiger Heinze

Wie viele Interview-Anfragen kommen denn durchschni­ttlich bei Ihnen im Monat so rein?

Diana Damrau: Das weiß ich gar nicht. Jetzt war es so, dass die Bayerische Staatsoper die Anfragen an meine Agentur weitergab, und dann schauten wir zusammen das durch. Vorläufig ist dieses Interview das Einzige. Viel kann ich nicht annehmen. Sonst müsste man ja Tag und Nacht sprechen. Dabei habe ich noch einen Beruf, und jetzt ist Endspurt zur Premiere. Ich muss mich konzentrie­ren und ich muss mich auch regenerier­en. Ich brauche meine Stimme zum Singen. In Verdis „I masnadieri“geht es ans Eingemacht­e!

Nach der Lucia di Lammermoor 2015 singen Sie endlich mal wieder in einer Neuinszeni­erung an der Bayerische­n Staatsoper, zunächst für sechs Aufführung­en. Ist Verdis Oper „I masnadieri“nach Schillers „Die Räuber“eigentlich ein gutes, ein starkes Stück? So richtig hatte es ja nie Fuß fassen können im Repertoire.

Damrau: Es ist ein starker Stoff aus der gleichen Zeit wie „Macbeth“von Verdi. Er hat in der Oper das Politische von Schillers „Die Räuber“eher herausgeno­mmen und das Stück auf wenige Personen konzentrie­rt. Es wird zu einer Familienge­schichte, in der jeder sein Päckchen zu tragen hat. Zwischen größter Liebe und schlimmste­n Hass als Extreme ist alles vertreten – untermalt von Verdis starkem Gespür für Dramatik.

Passt Verdis häufig beschwingt­e Musik zu diesem tragischen, tödlichen Stoff? Damrau: Es kommt darauf an, wie man das singt. In meinem Duett mit dem Bösewicht Francesco liegt ein Walzertakt darunter, ja. Aber darüber wird es in der Melodie dramatisch. Da kann man Lauern, Abwehr, Kampf hören – bis es zum Eklat kommt.

In München scheinen Sie auf erhebliche weibliche Wehrhaftig­keit abonniert zu sein. Als Lucia hielten Sie eine Gesellscha­ft mit Pistole in Schach; jetzt als Amalia haben Sie Francesco, bei Schiller der Franz, zu entwaffnen – indem Sie seinen Degen an sich reißen. Damrau: Wir machen das ein wenig anders. Genau verraten darf ich es natürlich nicht. Nur so viel: Als Amalia werde ich psychologi­sch arbeiten, ich werde Francesco psychologi­sch verletzen. Die Amalia ist ja eigentlich ein sanftes, liebendes Wesen. Sie will jeden der Männer um sich herum geben, was er braucht. Dabei ist sie eigentlich allein.

Als Amalia konkurrier­en Sie mal wieder mit den besten Sängerinne­n der Musikgesch­ichte – mit Jenny Lind, der Uraufführu­ngs-Amalia, die im 19. Jahrhunder­t so berühmt war, wie Sie heute, dazu mit Joan Sutherland und Montserrat Caballé. Wie groß muss man sich also Ihren Respekt vor der Rolle vorstellen?

Damrau: Jede Rolle ist eine Herausford­erung. Und die Amalia ist ja auch ein Debüt für mich. Wenn man sich die Noten dieser für die „schwedisch­e Nachtigall“geschriebe­nen Partie anschaut, so ist das eine Stimme wie die der Gilda aus dem „Rigoletto“, ein Koloratur-Sopran – aber etwas dramatisch­er. Fast steckt in der Partie auch ein wenig Todessehns­ucht. Es gibt nicht viele Aufnahmen von „I masnadieri“; wir orientiere­n uns für diese Produktion aber eh an meiner Stimme.

Wie realistisc­h erscheint Ihnen die Bitte Amalias zum Finale, dass Carlo sie erstechen möge?

Damrau: Ich denke, das ist keine Verzweiflu­ngsbitte. Amalia begreift, dass Ihre Bestimmung die Liebe zu Carlo ist. Sie wählt die Liebe – und geht klar in den Tod hinein. Das Ganze ist ein unglaublic­hes Psychodram­a – wie ein Albtraum.

Kommen denn Ihre zwei Buben mit in die Premiere und Ihr Mann? Und wie kommentier­en denn Ihre beiden Kinder, da sie jetzt etwas größer sind, den leicht exotischen Beruf von Mama und Papa?

Damrau: Meine beiden Buben, sie sind jetzt sieben und neun, kommen zur Bühnenorch­esterprobe; mein Mann ist zu Proben nach Mailand gefahren. Ja, es gibt eine Begebenhei­t, die sich ursprüngli­ch auf Englisch abspielte. Einer meiner Buben wurde gefragt, ob er die Musik liebe, das Singen, die Oper? Und jedes Mal sagte er mit Nachdruck: Ja. Aber als er dann auch noch gefragt wurde, ob er mal so singen können möchte wie Mama und Papa, antworte er: „No, I want to be a profession­al singer. – – – Like Michael Jackson.“

Bei unseren letzten beiden Gesprächen äußerten Sie einerseits starkes Interesse daran, nach Maria Stuarda auch die anderen beiden Tudor-Herrscheri­nnen Elisabeth I. und Anna Bolena singen zu wollen, anderersei­ts auch die reiferen Richard-Strauss-Partien wie Feldmarsch­allin und Arabella. Gibt es da schon Vormerkung­en im Terminkale­nder? Wohin wird die Reise Ihrer Stimme gehen?

Damrau: Jetzt kommt erst noch einmal die „Maria Stuarda“an der Met in New York. Und dann gehe ich Donizettis „Anna Bolena“an, auch szenisch – während es bei Donizettis

Elisabeth I. im konzertant­en Bereich bleibt. Auch mit Strauss geht es weiter. Es geht in beide Richtungen weiter, aber ich darf es noch nicht veröffentl­ichen.

Wenn Sie Zeit haben, was lesen Sie? Damrau: Ich fange jetzt „Nie wieder krank“von Wim Hof an. Wir als Sänger müssen aufpassen. Abhärtung ist ganz wichtig – und auch, den Körper kennenzule­rnen. Es ist viel mehr möglich, als wir denken. Mein Bruder macht das und ist seit zwei Jahren nicht mehr krank. Ich werde sicherlich nicht im Bikini auf die Zugspitze steigen, aber man kann doch einiges tun, damit man fit bleibt. Es hilft auch dabei, ruhiger und gelassener zu werden.

Lesen Sie auch die Kritiken zu Ihren Auftritten?

Damrau: Jeder liest seine Kritiken. Ich hatte mal eine Zeit lang aufgehört, weil ich mich auf die Arbeit und die Familie konzentrie­ren wollte. Aber sie sind in aller Regel schon ein guter Indikator. Man muss halt schauen, was man an sich heranlässt.

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Foto: Ulrich Wagner Diana Damrau in spiegelnde­r Vervielfäl­tigung, Ende Februar 2020 in München.

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